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4.

Basari spricht mit großem Lobe von diesem Werke, und zwar folgendermaßen: „Dem Marchese von Mantua, Ludwig Gonzaga, einem großen Gönner und Schäßer von Andreas' Kunstfertigkeit, malte er, bei St. Sebastian in Mantua, Cäsars Triumphzug, das Beste, was er jemals geliefert hat. Hier sieht man in ́schönster Ordnung den herrlich verzierten Wagen (*), Verwandte, Weihrauch und Wohlgerüche, Opfer, Priester, bekränzte geweihte Stiere, Gefangene, von Soldaten eroberte Beute, geordneten Heereszug, Elephanten, abermals Beute, Victorien, Städte und Festungen auf verschiedenen Wagen; zugleich auch abgebildet gränzenlose Trophäen auf Spießen und Stangen, auch mancherlei Schutzwaffen für Haupt und Rumpf, Auspuß, Zierrath, unendliche Gefäße. Unter der Menge bemerkt man ein Weib, das einen Knaben an der Hand führt, der weinend einen Dorn im Füßchen sehr anmuthig und natürlich der Mutter hinweist. (**)

In diesem Werke hat man auch abermals einen Beweis von seiner schönen Einsicht in die perspectivischen Künste; denn indem er seine Bodenfläche über dem Auge anzunehmen hatte, so ließ er die ersten Füße an der vordern Linie des Planums vollkommen sehen, stellte jedoch die folgenden desselben Gliedes mehr perspectivisch, gleichsam sinkend vor, so daß nach und nach Füße und Schenkel dem Gefeß des Augpunktes gemäß sich verstecken.

Eben so hält er es auch mit Beute, Gefäßen, Instrumenten und Zierrathen; er läßt nur die untere Fläche sehen, die obere verliert sich ebenfalls nach denselben Regeln. Wie er denn überhaupt Verkürzungen darzustellen besonders geschickt war."

(*) Mit einem solchen Sternchen haben wir vorhin eine Lücke angedeutet, die wir nunmehr ausfüllen wollen. Vasari glaubt in einem nahe vor dem Triumphwagen stehenden Jüngling einen Soldaten zu sehen, der den Sieger mitten in der Herrlichkeit des Festzuges mit Schimpf- und Schmähreden zu demüthigen gedenkt, welche Art von übermüthiger Gewohnheit aus dem Alterthume wohl überliefert wird. Allein wir glauben die Sache anders auslegen zu müssen: der vor dem Wagen stehende Jüngling hält auf einer Stange, gleichsam als Feldzeichen einen Kranz, in welchem die Worte: Veni, Vidi, Vici, eingeschrieben sind; dieß möchte

Goethe, sämmtl. Werke. XXV.

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wohl also dem Schluß die Krone auffeßen. Denn wenn vorher auf mancherlei Bändern und Banderolen an Zinken und Posaunen, auf Tafeln und Täfelchen schon Cäsar genannt und also diese Feierlichkeit auf ihn bezogen wird, so ist doch hier zum Abschluß das höchste Verdienst einer entscheidenden Schnelligkeit verkündet und ihm von einem frohen Anhänger vorgehalten, woran bei genauerer Betrachtung wohl kein Zweifel übrig bleiben möchte.

(**) Das zweite Zeichen deutet abermals auf eine vom Vasari abweichende Meinung. Wir fragten nämlich, da auf dem Andreani’schen Blatte Nr. 7 dieser von Vasari gerühmte Dorn nicht zu entdecken war, bei Herrn Dr. Noehden in London an, in wiefern das Gemälde hierüber Auskunft gebe; er eilte, dieser und einiger andern Anfragen wegen, gefälligst nach Hamptoncourt und ließ nach genauer Untersuchung sich fol= gendermaßen vernehmen:

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„An der linken Seite der Mutter ist ein Knabe vielleicht drei Jahre alt welcher an dieselbe hinaufklimmen will. Er hebt sich auf der Zehe des rechten Fußes, seine rechte Hand faßt das Gewand der Mutter, welche ihre linke nach ihm herabgestreckt, und mit derselben seinen linken Arm ergriffen hat, um ihm aufzuhelfen. Der linke Fuß des Knaben hat sich vom Boden gehoben, dem Anscheine nach bloß zufolge des aufstrebenden Körpers. Ich hätte es nie errathen, daß ein Dorn in diesen Fuß getreten oder der Fuß auf irgend eine andere Weise verwundet wäre, da das Bild, wenn meine Augen nicht ganz wunderlich trügen, gewiß nichts von der Art zeigt. Das Bein ist zwar steif aufgezogen, welches sich freilich zu einem verwundeten Fuße passen würde; aber dieß reimt fich eben so gut mit dem bloß in die Höhe strebenden Körper. Der ganz schmerzenlose Ausdruck des Gesichtes bei dem Knaben, welcher heiter und froh, obgleich begierig, hinaufsieht, und der ruhige Blick der herabsehenden Mutter scheinen mir der angenommenen Verlegung ganz zu widersprechen. An dem Fuße selbst müßte man doch wohl eine Spur der Verwundung, z. B. einen fallenden Blutstropfen bemerken; aber durchaus nichts ähnliches ist zu erkennen. Es ist unmöglich, daß der Künstler, wenn er ein solches Bild dem Zuschauer hätte eindrücken wollen, es so zweifelhaft und versteckt gelassen haben könnte. Um ganz ohne Vorurtheil bei der Sache zu verfahren, fragte ich den Diener, welcher die Zimmer und Gemälde im Schlosse zu Hamptoncourt zeigt, und der mehrere Jahre

lang dieses Geschäft verwaltet hat, einen ganz mechanischen kenntnißlosen Menschen, ob er etwas von einem verwundeten Fuße oder einem Dornstich an dem Knaben bemerkte. Ich wollte sehen, welchen Eindruck die Darstellung auf das gemeine Auge und den gemeinen Verstand machte. Nein! war die Antwort; davon läßt sich nichts erkennen: es kann nicht seyn; der Knabe sieht ja viel zu heiter und froh aus, als daß man ihn sich verwundet denken könnte. Ueber den linken Arm der Mutter ist, so wie bei dem rechten, ein rothes Tuch oder Shawl geworfen, und die linke Brust ist ebenfalls ganz entblößt.

Hinter dem Knaben, zur linken Seite der Mutter, steht gebückt eine ältliche Frau, mit rothem Schleiertuche über dem Kopfe. Ich halte fie für die Großmutter des Knaben, da sie so theilnehmend um sie beschäftigt ist. In ihrem Gesichte ist auch nichts von Mitleiden, welches doch wahrscheinlich ausgedrückt worden wäre, wenn das Enkelchen an einer Dornwunde litte. In der rechten Hand scheint sie die Kopfbedeckung des Knaben ein Hütchen oder Käppchen zu halten, und mit der linken berührt sie den Kopf desselben."

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5.

Sieht man nun die ganze Stelle, wodurch uns Vasari über diesen Triumphzug hat belehren wollen, mit lebendigem Blick an, so empfindet man alsobald den innern Mangel einer solchen Vortragsweise; sie erregt in unserer Einbildungskraft nur einen wüsten Wirrwarr und läßt kaum ahnen, daß jene Einzelnheiten sich klar in eine wohlgedachte Folge reihen würden. Schon darin hat es Vasari gleich anfangs versehen, daß er von hinten anfängt und vor allem auf die schöne Verziertheit des Triumphwagens merken läßt; daraus folgt denn, daß es ihm unmöglich wird, die voraustretenden gedrängten, aber doch gesonderten Schaaren ordnungsgemäß auf einander folgen zu lassen; vielmehr greift er auffallende Ge= genstände zufällig heraus, daher eine nicht zu entwirrende Verwickelung entsteht.

Wir wollen ihn aber deßhalb nicht schelten, weil er von Bildern spricht, die ihm vor Augen stehen, von denen er glaubt, daß jedermann sie sehen wird. Auf seinem Standpunkte konnte die Absicht nicht seyn, sie den Anwesenden oder gar Künftigen, wenn die Bilder verloren gegangen, zu vergegenwärtigen.

Ist dieses doch auch die Art der Alten, die uns oft in Verzweiflung bringt. Wie anders hätte Pausanias verfahren müssen, wenn er sich des Zweckes hätte bewußt seyn können, uns durch Worte über den Verlust herrlicher Kunstwerke zu trösten! Die Alten sprachen als gegenwärtig zu Gegenwärtigen, und da bedarf es nicht vieler Worte. Den absichtlichen Redekünsten Philostrats sind wir schuldig, daß wir uns einen deutlichern Begriff von verlorenen köstlichen Bildern aufzubauen wagen.

6.

Bartsch in seinem Peintre graveur, Band XIII. Seite 234, spricht unter der eilften Nummer der Kupferstiche des Andreas Mantegna: „Der römische Senat begleitet einen Triumph. Die Senatoren richten ihren Schritt gegen die rechte Seite; auf sie folgen mehrere Krieger, die man zur Linken sieht, unter welchen einer besonders auffällt, der mit der Linken eine Hellebarde faßt, am rechten Arme ein ungeheures Schild tragend. Der Grund läßt zur Rechten ein Gebäude sehen, zur Linken einen runden Thurm. Mantegna hat dieses Blatt nach einer Zeichnung gestochen, die er bei seinem Triumphzug Cäsars wahrscheinlich benußen wollte, wovon er jedoch keinen Gebrauch gemacht hat."

Wie wir dieses Blatt auslegen, ist in dem ersten Abschnitte zu er= sehen; deßhalb wir unsere Ueberzeugung nicht wiederholen, sondern nur bei dieser Gelegenheit den Dank, den wir unserm verewigten Bartsch schuldig sind, auch von unserer Seite gebührend abstatten.

Hat uns dieser treffliche Mann in den Stand gesetzt, die bedeutendsten und mannichfaltigsten Kenntnisse mit weniger Mühe zu gewinnen, so sind wir, in einem andern Betracht, auch schuldig ihn als Vorarbeiter anzusehen und hie und da, besonders in Absicht auf die gebrauchten Motive, nachzuhelfen; denn das ist ja eben eins der größten Verdienste der Kupferstecherkunst, daß sie uns mit der Denkweise so vieler Künstler bekannt macht, und wenn sie uns die Farbe entbehren lehrt, das geistige Verdienst der Erfindung auf das sicherste überliefert.

7.

Um nun aber sowohl uns als andern theilnehmenden Kunstfreunden den vollen Genuß des Ganzen zu verschaffen, ließen wir durch unfern

geschickten und geübten Kupferstecher Schwerdgeburth diesen abschließenden Nachzug, völlig in der Dimension der Andreani'schen Tafeln und in einer den Holzstock sowohl in Umrissen als Haltung nachahmenden Zeichnungsart, ausführen, und zwar in umgekehrter Richtung, so daß die Wandelnden nach der Linken zu schreiten. Und so legen wir dieses Blatt unmittelbar hinter den Triumphwagen Cäsars, wodurch denn, wenn die zehn Blätter hinter einander gesehen werden, für den geistreichen Kenner und Liebhaber das anmuthigste Schauspiel entsteht, indem etwas, von einem der außerordentlichsten Menschen vor mehr als dreihundert Jahren intentionirt, zum erstenmal zur Anschauung gebracht wird.

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