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Joseph Bossi.

Ueber Leonardo's da Vinci Abendmahl zu Mailand.

Großfolio. 264 Seiten. 1810.

1817-1818.

Der Verfasser dieses bedeutenden Werkes, ein Mailänder, geboren 1777, von der Natur begabt mit schönen Fähigkeiten, die fich früh entwickelten; vor allem aber mit Neigung und Geschick zur bildenden Kunst ausgestattet, scheint aus sich selbst und an Leonardo's da Vinci Verlassenschaft sich herangebildet zu haben. So viel wissen wir übrigens von ihm, daß er nach einem sechsjährigen Aufenthalte in Rom und seiner Rückkunft ins Vaterland als Director einer neu zu belebenden Kunstakademie angestellt ward.

So zum Nachdenken als wie zum Arbeiten geneigt, hatte er die Grundfäße und Geschichte der Kunst sich eigen gemacht, und durfte daher das schwere Geschäft übernehmen, in einer wohldurchdachten Copie das berühmte Bild Leonardo's da Vinci, das Abendmahl des Herrn, wieder herzustellen, damit solches in Mosaik gebracht, und für ewige Zeiten erhalten würde. Wie er dabei verfahrën, davon giebt er in genanntem Werke Rechenschaft, und unsere Absicht ist eine kurze Darstellung seiner Bemühungen zu liefern.

Allgemein wird dieses Buch von Kunstfreunden günstig aufgenommen, solches aber näher zu beurtheilen ist man in Weimar glücklicherweise in den Stand gefeßt, denn indem Bossi ein gänzlich verdorbenes, übermaltes Original nicht zum Grund seiner Arbeit legen konnte, sah er sich genöthigt, die vorhandenen Copien desselben genau zu studiren; er zeichnete von drei Wiederholungen die Köpfe, wohl auch Hände durch, und suchte möglichst in den Geist seines großen Vorgängers einzubringen und dessen Absichten zu errathen, da er denn zuleßt, durch Urtheil, Wahl und Gefühl geleitet,

seine Arbeit vollendete, zum Vorbild einer nunmehr schon fertigen Mosaik. Gedachte Durchzeichnungen finden sich sämmtlich in Weimar, als ein Gewinn der letzten Reise Ihro Königlichen Hoheit des Großherzogs in die Lombardei; von wie großem Werth sie aber sehen, wird sich in der Folge dieser Darstellung zeigen.

Aus dem Leben Leonardo's.

Vinci, ein Schloß und 'Herrschaft in Val d'Arno, nahe bei Florenz, hatte in der Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts einen Besizer Namens Pierro, dem ein natürlicher Sohn von einer uns unbekannt gebliebenen Mutter geboren ward. Dieser, Leonardo genannt, erwies gar bald als Knabe sich mit allen ritterlichen Eigenschaften begabt; Stärke des Körpers, Gewandtheit in allen Leibesübungen, Anmuth und gute Sitten waren ihm verliehen, mächtig aber zeigte sich Leidenschaft und Fertigkeit zur bildenden Kunst; deßhalb man ihn sogleich nach Florenz zu Verrocchio, einem denkenden, durchaus theoretisch begründeten Manne, in die Lehre that, da denn Leonardo seinen Meister praktisch bald übertraf, ja demselben das Malen verleidete.

Die Kunst befand sich damals auf einer Stufe, wo ein großes Talent mit Glück antreten und sich im Glanze seiner Thätigkeit zeigen kann; sie hatte sich schon seit zwei Jahrhunderten von der magern Steifheit jener byzantinischen Schule losgesagt, und sogleich durch Nachahmung der Natur, durch Ausdruck frommer sittlicher Gesinnungen ein neues Leben begonnen; der Künstler arbeitete trefflich, aber unbewußt, ihm gelang, was ihm sein Talent eingab, wohin sein Gefühl ihn trug, so weit sein Geschmack sich ausbildete, aber keiner vermochte noch sich Rechenschaft zu geben von dem Guten, was er leistete, und von seinen Mängeln, wenn er sie auch empfand und bemerkte. Wahrheit und Natürlichkeit hat jeder im Auge, aber eine lebendige Einheit fehlt; man findet die herrlichsten Anlagen, und doch ist keins der Werke vollkommen ausgedacht, völlig zusammengedacht; überall trifft man auf etwas Zufälliges, Fremdes; noch sind die Grundsäße nicht ausgesprochen, wonach man seine eigene Arbeit beurtheilt hätte.

In solche Zeit kam Leonardo, und wie ihm bei angeborener Kunstfertigkeit die Natur nachzuahmen leicht war, so bemerkte sein Tiefsinn gar bald, daß hinter der äußern Erscheinung, deren Nachbildung ihm so glücklich gelang, noch manches Geheimniß verborgen liege, nach dessen Erkenntniß

er sich unermüdet bestreben sollte; er suchte daher die Geseße des organischen Baus, den Grund der Proportion, bemühte sich um die Regeln der Perspective, der Zusammenstellung, Haltung und Färbung seiner Gegenstände im gegebenen Raum, genug, alle Kunsterfordernisse suchte er mit Einsicht zu durchdringen; was ihm aber besonders am Herzen lag, war die Verschiedenheit menschlicher Gesichtsbildung, in welcher sich sowohl der bestehende Charakter, als die momentane Leidenschaft dem Auge darstellt, und dieses wird der Punkt seyn, wo wir, das Abendmahl betrachtend, am längsten zu verweilen haben.

Dessen öffentliche Werke.

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Die unruhigen Zeiten, welche der unzulängliche Peter Medicis über Florenz heranzog, trieben Leonardo in die Lombardei, wo eben nach dem Tode des Herzogs Franz Sforza dessen Nachfolger Ludwig, mit dem Zunamen il Moro, seinem Vorgänger und sich selbst durch gleiche Großheit und Thätigkeit Ehre machen, auch die eigene Regierung durch Kunstwerke zu verherrlichen gedachte. Hier nun erhielt Leonardo sogleich den Auftrag eine riesenhafte Reiterstatue vorzubereiten. Das Modell des Pferdes war nach mehreren Jahren zur allgemeinen Bewunderung fertig. Da man es aber bei einem Feste, als das Prächtigste was man aufführen konnte, in der Reihe mit hinzog, zerbrach es, und der Künstler sah sich genöthigt das zweite vorzunehmen; auch dieses ward vollendet. Nun zogen die Franzosen über die Alpen; es diente den Soldaten als Zielbild, sie schoßen es zusammen: und so ist uns von beiden, die eine Arbeit von sechzehn Jahren gekostet, nichts übrig geblieben. Daran erkennen wir, daß eitle Prunksucht eben so wie roher Unverstand den Künsten zum höchsten Schaden gereiche. Nur im Vorübergehen gedenken wir der Schlacht von Anghiari, deren Carton er zu Florenz, mit Michel Angelo wetteifernd, ausarbeitete, und des Bildes der heiligen Anna, wo Großmutter, Mutter und Enkel, Schooß auf Schooß, kunstreich zusammen gruppirt sind.

Das Abendmahl.

Wir wenden uns nunmehr gegen das eigentliche Ziel unserer Bemühung, zu dem Abendmahl, welches im Kloster alle Grazie zu Mailand auf die Wand gemalt war. Möchten unsere Leser Morghens Kupferstich vor sich nehmen, welcher hinreicht uns sowohl über das Ganze als wie das Einzelne zu verständigen.

Die Stelle, wo das Bild gemalt ist, wird allervörderst in Betrachtung gezogen: denn hier thut sich die Weisheit des Künstlers in ihrem Brennpunkte vollkommen hervor. Konnte für ein Refectorium etwas schicklicher und edler ausgedacht werden, als ein Scheidemahl, das der ganzen Welt für alle Zeiten als heilig gelten sollte?

Als Reisende haben wir dieses Speisezimmer vor manchen Jahren noch unzerstört gesehen. Dem Eingang an der schmalen Seite gegenüber, im Grunde des Saals, stand die Tafel des Priors, zu beiden Seiten die Mönchstische, sämmtlich auf einer Stufe vom Boden erhöht; und nun wenn der Hereintretende sich umkehrte, sah er an der vierten Wand über den nicht allzuhohen Thüren den vierten Tisch gemalt, an demselben Christum und seine Jünger, eben als wenn sie zur Gesellschaft gehörten. Es muß zur Speisestunde ein bedeutender Anblick gewesen seyn, wenn die Tische des Priors und Christi, als zwei Gegenbilder, auf einander blickten, und die Mönche an ihren Tafeln sich dazwischen eingeschlossen fanden. Und eben deßhalb mußte die Weisheit des Malers die vorhandenen Mönchstische zum Vorbilde nehmen. Auch ist gewiß das Tischtuch mit seinen gequetschten Falten, gemusterten Streifen und aufgeknüpften Zipfeln aus der Waschkammer des Klosters genommen, Schüsseln, Teller, Becher und sonstiges Geräthe gleichfalls denjenigen nachgeahmt, deren sich die Mönche bedienten.

Hier war also keineswegs die Rede von Annäherung an ein unsicheres, veraltetes Costüm. Höchst ungeschickt wäre es gewesen, an diesem Orte die heilige Gesellschaft auf Polster auszustrecken. Nein, sie sollte der. Gegenwart angenähert werden, Christus sollte sein Abendmahl bei den Dominicanern zu Mailand einnehmen.

Auch in manchem andern Betracht mußte das Bild große Wirkung thun. Ungefähr zehn Fuß über der Erde nehmen die dreizehn Figuren, sämmtlich etwa anderthalbmal die Lebensgröße gebildet, den Raum von achtundzwanzig Pariser Fuß der Länge nach ein. Nur zwei derselben sieht man ganz an den entgegengesetzten Enden der Tafel, die übrigen sind Halbfiguren, und auch hier fand der Künstler in der Nothwendigkeit seinen Vortheil. Jeder sittliche Ausdruck gehört nur dem obern Theil des Körpers an, und die Füße sind in solchen Fällen überall im Wege; der Künstler schuf sich hier eilf Halbfiguren, deren Schooß und Knie von Tisch und Tischtuch bedeckt wird, unten aber die Füße im bescheidenen Dämmerlicht kaum bemerklich seyn sollten.

Nun versete man sich an Ort und Stelle, denke sich die sittliche äußere Ruhe, die in einem solchen mönchischen Speisesaale obwaltet, und bewundere den Künstler, der seinem Bilde kräftige Erschütterung, leidenschaftliche Bewegung einhaucht und, indem er sein Kunstwerk möglichst an die Natur herangebracht hat, es alsobald mit der nächsten Wirklichkeit in Contrast setzt.

Das Aufregungsmittel, wodurch der Künstler die ruhig heilige Abendtafel erschüttert, sind Worte des Meisters: Einer ist unter euch, der mich verräth! Ausgesprochen sind sie, die ganze Gesellschaft kommt darüber in Unruhe; er aber neigt sein Haupt, gesenkten Blickes; die ganze Stellung, die Bewegung der Arme, der Hände, alles wiederholt mit himmlischer Ergebenheit die unglücklichen Worte, das Schweigen selbst bekräftigt: Ja, es ist nicht anders! Einer ist unter euch, der mich verräth!

Acht vor ihm!

Er soll nicht lange leben!

Ehe wir aber weiter gehen, müssen wir ein großes Mittel entwickeln, wodurch Leonardo dieses Bild hauptsächlich belebte: es ist die Bewegung der Hände; dieß konnte aber auch nur ein Italiäner finden. Bei seiner Nation ist der ganze Körper geistreich, alle Glieder nehmen Theil an jedem Ausdruck des Gefühls, der Leidenschaft, ja des Gedankens. Durch verschiedene Gestaltung und Bewegung der Hände drückt er aus: „Was kümmert's mich! Komm her! Dieß ist ein Schelm! nimm dich in Dieß ist ein Hauptpunkt. Dieß merkt besonders wohl, meine Zuhörer!" Einer solchen Nationaleigenschaft mußte der alles Charakteristische höchst aufmerksam betrachtende Leonardo sein forschendes Auge besonders zuwenden; hieran ist das gegenwärtige Bild einzig, und man kann ihm nicht genug Betrachtung widmen. Vollkommen übereinstimmend ist die Gesichtsbildung und jede Bewegung, auch dabei eine dem Auge gleich faßliche Zusammen- und Gegeneinanderstellung aller Glieder auf das lobenswürdigste geleistet.

Die Gestalten überhaupt zu beiden Seiten des Herrn lassen sich drei und drei zusammen betrachten, wie sie denn auch so jedesmal in Eins gedacht, in Verhältniß gestellt, und doch in Bezug auf ihre Nachbarn gehalten sind. Zunächst an Christi rechter Seite Johannes, Judas und Petrus.

Petrus, der entfernteste, fährt nach seinem heftigen Charakter, als er des Herrn Wort vernommen, eilig hinter Judas her, der sich,

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