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und schon fährt der Jüngste der Zuschauer auf und beklatscht die wahrgenommenen Tugenden wirklich.

Vom Effecte, den die Künstlerin hervorgebracht und der uns in seinen Abstufungen zuerst mehr angezogen als sie selbst, wenden wir uns nun zu ihr und finden sie in einer von jenen gewaltsamen Stellungen, durch welche wir von lebenden Tänzerinnen so höchlich ergözt werden. Die schöne Beweglichkeit der Uebergänge, die wir an solchen Künstlerinnen bewundern, ist hier für einen Moment fixirt, so daß wir das Vergangene, Gegenwärtige und Zukünftige zugleich erblicken und schon dadurch in einen überirdischen Zustand versezt werden. Auch hier erscheint der Triumph der Kunst, welche die gemeine Sinnlichkeit in eine höhere verwandelt, so daß von jener kaum eine Spur mehr zu finden ist.

Daß die Künstlerin sich als ein bacchisches Mädchen darstellt und eine Reihe Stellungen und Handlungen dieses Charakters abzuwickeln im Begriff ist, daran läßt sich wohl nicht zweifeln. Auf dem Seitentische stehen Geräthschaften, die sie braucht, um die verschiedenen Momente ihrer Darstellung mannichfaltig und bedeutend zu machen, und die hinten über schwebende Büste scheint eine helfende Person anzudeuten, die der Hauptfigur die Requisiten zureicht und gelegentlich einen Statisten macht; deun mir scheint alles auf einen Solotanz angelegt zu seyn.

Ich gehe zum zweiten Blatt. Wenn auf dem ersten die Künstlerin uns reich und lebensvoll, üppig, beweglich, graciös, wellenhaft und fließend erschien, so sehen wir hier, in dem traurigen lemurischen Reiche, von allem das Gegentheil. Sie hält sich zwar auf einem Fuße, allein sie drückt den andern an den Schenkel des erstern, als wenn er einen Halt suchte. Die linke Hand stüßt sich auf die Hüfte, als wenn sie für sich selbst nicht Kraft genug hätte; man findet hier die unästhetische Kreuzesform, die Glieder gehen im Zickzack, und zu dem wunderlichen Ausdruck muß selbst der rechte aufgehobene Arm beitragen, der sich zu einer sonst graciös gewesenen Stellung in Bewegung setzt. Der Standfuß, der aufgestüßte Arm, das angeschlossene Knie, alles giebt den Ausdruck des Stationären, des Beweglich-Unbeweglichen - ein wahres Bild der traurigen Lemuren, denen noch so viel Muskeln und Sehnen übrig bleiben, daß sie sich kümmerlich bewegen können, damit sie nicht ganz als durchsichtige Gerippe erscheinen und zusammenstürzen.

Aber auch in diesem widerwärtigen Zustande muß die Künstlerin auf

ihr gegenwärtiges Publicum noch immer belebend, noch immer anziehend und kunstreich wirken. Das Verlangen der herbeieilenden Menge, der Beifall, den die ruhig Zuschauenden ihr widmen, sind hier in zwei Halbgespenstern sehr köstlich symbolisirt. Sowohl jede Figur für sich als alle drei zusammen componiren vortrefflich und wirken in Einem Sinne zu Einem Ausdruck. Was ist aber dieser Sinn, was ist dieser Ausdruck?

Die göttliche Kunst, welche alles zu veredeln und zu erhöhen weiß, mag auch das Widerwärtige, das Abscheuliche nicht ablehnen. Eben hier will sie ihr Majestätsrecht gewaltig ausüben; aber sie hat nur Einen Weg, dieß zu leisten: sie wird nicht Herr vom Häßlichen, als wenn sie es komisch behandelt; wie denn ja Zeuris sich über seine eigene, ins Häßlichste ge= bildete Hecuba zu Tode gelacht haben soll.

Eine Künstlerin, wie diese war, mußte sich bei ihrem Leben in alle Formen zu schmiegen, alle Rollen auszuführen wissen, und jedem ist aus Erfahrung bekannt, daß uns die komischen und neckischen Exhibitionen solcher Talente oft mehr aus dem Stegreife ergößen, als die ernsten und würdigen, bei großen Anstalten und Anstrengungen.

Bekleide man dieses gegenwärtige lemurische Scheusal mit weiblich jugendlicher Muskelfülle, man überziehe sie mit einer blendenden Haut, man statte sie mit einem schicklichen Gewand aus, welches jeder geschmackvolle Künstler unserer Tage ohne Anstrengung ausführen kann, so wird man eine von den komischen Posituren sehen, mit denen uns Harlekin und Colombine unser Leben lang zu ergößen wußten. Verfahre man auf dieselbe Weise mit den beiden Nebenfiguren, und man wird finden, daß hier der Pöbel gemeint sey, der am meisten von solcherlei Vorstellungen ange= zogen wird.

Es sey mir verziehen, daß ich hier weitläuftiger, als vielleicht nöthig wäre, geworden; aber nicht jeder würde mir gleich auf den ersten Anblick diesen antiken humoristischen Geniestreich zugeben, durch deffen Zauberkraft zwischen ein menschliches Schauspiel und ein geistiges Trauerspiel eine lemurische Posse, zwischen das Schöne und Erhabene ein Fraßenhaftes hineingebildet wird. Jedoch gestehe ich gern, daß ich nicht leicht etwas Bewundernswürdigeres finde, als das ästhetische Zusammenstellen dieser drei Zustände, welche alles enthalten, was der Mensch über seine Gegenwart und Zukunft wissen, fühlen, wähnen und glauben kann.

Das letzte Bild, wie das erste, spricht sich von selbst aus. Charon

hat die Künstlerin in das Land der Schatten hinübergeführt, und schon blickt er zurück, wer allenfalls wieder abzuholen drüben stehen möchte. Eine den Todten günstige und daher auch ihr Verdienst in jenem Reiche des Vergessens bewahrende Gottheit blickt mit Gefallen auf ein entfaltetes Bergament, worauf wohl die Rollen verzeichnet stehen mögen, in welchen die Künstlerin ihr Leben über bewundert worden: denn wie man den Dichtern Denkmale setzte, wo zur Seite ihrer Gestalt die Namen der Tragödien verzeichnet waren, sollte der praktische Künstler sich nicht auch eines gleichen Vorzugs erfreuen?

Besonders aber diese Künstlerin, die, wie Orion seine Jagden, so ihre Darstellungen hier fortseßt und vollendet. Cerberus schweigt in ihrer Gegenwart; fie findet schon wieder neue Bewunderer, vielleicht schon ehemalige, die ihr zu diesen verborgenen Regionen vorausgegangen. Eben so wenig fehlt es ihr an einer Dienerin; auch hier folgt ihr eine nach, welche, die ehemaligen Functionen fortseßend, den Shawl für die Herrin bereit hält. Wunderschön und bedeutend sind diese Umgebungen gruppirt und disponirt, und doch machen sie, wie auf den vorigen Tafeln, bloß den Rahmen zu dem eigentlichen Bilde, zu der Gestalt, die hier, wie überall, entscheidend hervortritt. Gewaltsam erscheint sie hier, in einer Mänadischen Bewegung, welche wohl die lezte seyn mochte, womit eine solche Bacchische Darstellung beschlossen wurde, weil drüber hinaus Verzerrung liegt. Die Künstlerin scheint mitten durch den Kunstenthusiasmus, welcher sie auch hier begeistert, den Unterschied zu fühlen des gegenwärtigen Zustandes gegen jenen, den sie so eben verlassen hat. Stellung und Ausdruck sind tragisch, und sie könnte hier eben so gut eine Verzweifelnde als eine vom Gott mächtig Begeisterte vorstellen. Wie sie auf dem ersten Bilde die Zuschauer durch ein absichtliches Wegwenden zu necken schien, so ist sie hier wirklich abwesend; ihre Bewunderer stehen vor ihr, klatschen ihr entgegen, aber sie achtet ihrer nicht, aller Außenwelt entrückt, ganz in sich selbst hineingeworfen. Und so schließt sie ihre Darstellung mit den zwar stummen, aber pantomimisch genugsam deutlichen, wahrhaft heidnisch tragischen Gesinnungen, welche sie mit dem Achill der Odyssee theilt, daß es besser sey, unter den Lebendigen als Magd einer Künstlerin den Shawl nachzutragen, als unter den Todten für die Vortrefflichste zu gelten.

Sollte man mir den Vorwurf machen, daß ich zu viel aus diesen Bildern herausläse, so will ich die clausulam salutarem hier anhängen,

daß wenn man meinen Aufsaß nicht als eine Erklärung zu jenen Bildern wollte gelten lassen, man denselben als ein Gedicht zu einem Gedicht ansehen möge, durch deren Wechselbetrachtung wohl ein neuer Genuß entspringen könnte.

Uebrigens will ich nicht in Abrede seyn, daß hinter dem sinnlich ästhetischen Vorhange dieser Bilder noch etwas anderes verborgen seyn dürfte, das den Augen des Künstlers und Liebhabers entrückt, von Alterthumskennern entdeckt, zu tieferer Belehrung dankbar von uns aufzunehmen ist.

So vollkommen ich jedoch diese Werke dem Gedanken und der Ausführung nach erkläre, so glaube ich doch Ursache zu haben an dem hohen Alterthum derselben zu zweifeln. Sollten sie von alten griechischen Cumanern verfertigt seyn, so müßten sie vor die Zeiten Alexanders gesezt werden, wo die Kunst noch nicht zu dieser Leichtigkeit und Geschmeidigkeit in allen Theilen ausgebildet war. Betrachtet man die Eleganz der Herculanischen Tänzerin, so möchte man wohl jenen Künstlern auch diese neugefundenen Arbeiten zutrauen, um so mehr, als unter jenen Bildern solche angetroffen werden, die in Absicht der Erfindung und Zusammenbildung, den gegenwärtigen wohl an die Seite gestellt werden können.

Die in dem Grabe gefundenen griechischen Wortfragmente scheinen mir nicht entscheidend zu beweisen, da die griechische Sprache den Römern so geläufig, in jenen Gegenden von Alters her einheimisch und wohl auch auf neueren Monumeuten im Brauch war. Ja, ich gestehe es, jener lemurische Scherz will mir nicht ächt griechisch vorkommen, vielmehr möchte ich ihn in die Zeiten seßen, aus welchen die Philostrate ihre Halb- und Ganzfabeln, dichterische und rednerische Beschreibungen hergenommen.

Homers Apotheose.

Ein antikes Basrelief, gefunden in der Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts zu Marino, auf den Gütern des Fürsten Colonna, in den Ruinen der Villa des Kaisers Claudius, zu unserer Zeit in dem Palast Colonna noch vorhanden, stellt den alten Homer dar, wie ihm göttliche Ehre be= wiesen wird. Wir sind aufs neue aufmerksam darauf geworden durch einige Figuren dieser Vorstellung, deren Abgüsse uns durch Freundeshand zugekommen.

Um sich den Sinn dessen, was wir zu sagen gedenken, sicherer zu entwickeln, betrachte man eine Abbildung von dem Florentiner Gallestruzzi, im Jahr 1656 gezeichnet und gestochen. Sie findet sich in Kirchers Latium, bei der 80. Seite, und in Cupers Werke gleich zu Anfang; sie giebt uns einen hinreichenden Begriff von diesem wichtigen Alterthum; denn Gallestruzzi hatte für solche Nachbildungen genugsame Geschicklichkeit, welche dem Kunstliebhaber schon bekannt ist durch ähnliche nach Polidor radirte Blätter, z. B. den Untergang der Familie Niobe, nicht weniger durch die Kupfer zu Agostini Gemme antiche figurate.

Da in einem problematischen Falle eines jeden Meinung sich nech Belieben ergehen darf, so wollen wir, ohne weitläuftige Wiederholung dessen, was hierüber bisher gedacht und gestritten worden, unsere Auslegung kürzlich vortragen. Und hierbei sondern wir, was nach prüfender Betrachtung des Bildes, nach Lesung der darüber vorhandenen Schriften völlig klar geworden, und was zu erörtern allenfalls noch übrig geblieben wäre.

Klar ist, mit beigefügten Worten bestimmt und ausgelegt, die vor einem abgeschlossenen Vorhangsgrunde, als in einem Heiligthum, abgebildete göttliche Verehrung Homers auf dem untern Theile des Bildes. Er

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