Зображення сторінки
PDF
ePub

Einem solchen gefühlvollen Anschauen war Tischbein mehr als andere hingegeben; überall fand er Lebendiges zu dem Abgeschiedenen gepaart. Noch besize ich solche unschätzbare Blätter, die den innigen Sinn eines wundersamen hingeschwundenen und wieder neu belebten Zustandes verfünden.

Dem oben beschriebenen Blatt fügte ich folgende Reime hinzu:

Würdige Prachtgebäude stürzen,
Mauer fällt, Gewölbe bleiben,
Daß nach tausendjähr❜gem Treiben
Thor und Pfeiler sich verkürzen.
Dann beginnt das Leben wieder,
Boden mischt sich neuen Saaten,
Rank' auf Ranke senkt sich nieder;

Der Natur ist's wohlgerathen.

Das in solchem Falle uns überraschende Gefühl sprach ich in früher Jugend, ohne den finnlichen Eindruck erfahren zu haben, folgendermaßen aus:

Natur! du ewig keimende,

Schaffst jeden zum Genuß des Lebens,

Hast deine Kinder alle mütterlich

Mit Erbtheil ausgestattet, einer Hütte.
Hoch baut die Schwalb' an das Gesims,
Unfühlend, welchen Zierrath

Sie verklebt;

Die Raup' umspinnt den goldnen Zweig

Zum Winterhaus für ihre Brut;

Und du flickst zwischen der Vergangenheit
Erhabne Trümmer

Für dein Bedürfniß

Eine Hütte, o Mensch,

Genießest über Gräbern!

II.

Im Meer die Sonne untergehend, zwei Jünglingsfreunde, an einander traulich gelehnt, auf einer Höhe stehend, von den letten Strahlen

beleuchtet, überschauen die reiche Gegend und erquicken sich mit und an einander.

Für dergleichen Naturscenen hatte Tischbein stets reinen Sinn und offene freie Brust. Ich befize noch eine ältere Zeichnung, wo er sich, als Reisender in unwirthbarem Gebirg, am Sonnenaufgang und herrlichen, sich zusammendrängenden Zufälligkeiten entzückt. In diesem Betracht schrieb ich zu obigem Bilde folgende Zeilen:

[blocks in formation]

Der Geschichtsmaler, der eigentliche Menschendarsteller, hat in Bezug auf Landschaft große Vortheile; aus dem Wirklichen zieht er das Bedeutende, findet das Merkwürdige unter jeder Bedingung, weiß ihm Gestalt und Adel zu verleihen. Schroffe Felsen, deren bewaldeter Fuß in bebaute Hügel sich fenkt, die endlich gegen den Fluß zu in fette Trift auslaufen. Hier begleiten grüne Wiesen mit bebuschten Ufern den Strom ins Meer. Und was da alles von fernen Vorgebirgen, Buchten und sichern Landungen erscheinen mag, das war dem Künstler um Rom und Neapel auf mannichfachen Reisen so zu eigen geworden, daß dergleichen Umrisse leicht und bequem aus seiner Feder flossen, stets anmuthig, stets bedeutend.

Auch auf das stärkste drückten sich einzelne Vorfallenheiten der leblosen Natur in sein Gedächtniß; er wiederholte sie gern, wie man eine Geschichte, die uns besonders getroffen, uns Antheil abzugewinnen vermocht, erzählend gern öfters wiederholen mag. Baum- und Felsgruppen, eigene, seltene Dertlichkeiten, Meteore jeder Art, die Verbindung irdischer Wirfungen mit himmlischen, das Wechselspiel unterer und oberer Erscheinungen ward er nicht müde darzustellen.

Seltenes und Außerordentliches verlischt noch weniger in seiner Einbildungskraft. Den vollen Mond neben dem feuersprühenden furchtbaren Spiel des Vesuv, beides im Meere sich abspiegelnd, wagt er sogar mit Federstrichen nachzubilden; fließende Laven, wie die erstarrten, faßt er

Goethe, sämmtl. Werke. XXV.

8

gleich charakteristisch auf. Solche flüchtige Blätter, deren ich noch gar manche sorgfältig verwahre, sind geistreiche Lust.

III.

Wie man sonst angehenden Kunstjüngern eine reiche vollbeerige Traube vorlegte, um ihnen daran die Geheimnisse der Composition, Gruppirung, Licht, Schatten und Haltung zu versinnlichen, so standen zu Frascati in dem Aldobrandinischen Garten, zu einer Einheit versammelt, die verschiedenartigsten Bäume, ein Wanderziel allen Künstlern und Kunstfreunden.

In der Mitte hob sich die Cypresse hoch empor, links strebte die immer grünende Eiche zur Breite wie zur Höhe und bildete, indem sie zugleich jenen schlanken Baum hie und da mit zierlichen Aesten umfaßte, eine reiche Lichtseite. Rechts in freier Luft zeigten sich der Pinien horizontale Schirmgipfel und die Schattenseite war mit leichterem Gesträuche abgeschlossen; sodann nahmen, weiter hervor, die breiten gezackten Blätter eines Feigenbaums noch einiges Licht auf und das Ganze rundete sich befriedigend.

Von dieser musterhaften Gruppe besiße ich noch eine große Kreidezeichnung auf grau Papier, jedermann zur Bewunderung. Nun hatte er dieses Gebilde unverrückt im Sinne behalten, solches in gegenwärtigem Kunst- und Musterbüchlein abermals vorgestellt, nur, dem Format gemäß, um vieles kleiner und mit einiger Veränderung. Folgenden Reim schrieb ich zur Seite:

Wenn in Wäldern Baum an Bäumen,
Bruder sich mit Bruder nähret,

Seh das Wandern, seh das Träumen
Unverwehrt und ungestöret:

Doch wo einzelne Gefellen

Zierlich mit einander streben,

Sich zum schönen Ganzen stellen,

Das ist Freude, das ist Leben.

IV.

Übermals aus der vegetabilen Welt eine seltene, vielleicht einzige Erscheinung, schwer, unmöglich zu beschreiben! Da sich jedoch die wunderlichste

Zufälligkeit unserm Freunde so tief eingeprägt hat, daß er den Gegenstand oft wiederholen mochte, so seh auch von unserer Seite der Versuch gewagt.

Inmitten eines von düsteren Bäumen umschatteten Wasserspiegels zeigt sich, auf geringer Erderhöhung, eine alte Eiche im Volllichte, ihre zackigen Aeste umher verbreitend und niedersenkend, so daß die letzten Blätterbüschel beinahe das Wasser erreichen und sich darin gar freundlich bespiegelnd wiederholen. Ebenso ist der wenige abgesteilte Erdgrund, worauf der Baum steht, auch Stamm und Aeste, in sofern es der Raum zuließ, im Abglanz wiederholt.

Der alte, in feuchter Einsamkeit erwachsene, ausdauernde Baum, in düsterer Umgebung erleuchtet, in der Wüste sich selbst bespiegelnd, veranlaßte folgenden anthropomorphischen Reim:

Mitten in dem Wasserspiegel

Hob die Eiche sich empor,
Majestätisch Fürstensiegel

Solchem grünen Waldesflor; .
Sieht sich selbst zu ihren Füßen,
Schaut den Himmel in der Flut:

So des Lebens zu genießen

Einsamkeit ist höchstes Gut.

V.

In belebte und angenehme Gesellschaft verseßt uns aus jener Einsamkeit geschwinde dieses Blatt. Auf Rasen gelagert sehen wir anmuthige Jungfrauen, deren schöne Körper, der Sitte früherer Zeitalter gemäß, nur theilweise verhüllt sind; der Anblick von derben, gefälligen Gliedern ist uns gegönnt.

Nun aber fragen wir: Was versammelt sie an diesen Play? was erwarten sie? Denn gegenwärtig scheint nichts vorhanden, was ihnen Unterhaltung gewähren könnte. Doch, näher besehen, schauen wir hüben und drüben zwei männliche Figuren. Links, erhöht unter einem Baume sißend, einen lieblichen Jüngling, die Flöte in der Hand, als erklärte er vor Beginnen seines Vortrages, auf was für Melodien er sich bereite, was für Lieder sollten gehört werden. Auf ihn sind viele Blicke gerichtet; wohl

die Hälfte der Hörerinnen scheint ihm zu vertrauen, von ihm angezogen zu feyn.

Aber an der andern Seite hat sich eine Faun unter die Nymphen gemischt; er zeigt eine vielrohrige Pfeife, verspricht die muntersten Tänze, die lustigste Unterhaltung; auch mag er sich wohl die Hälfte der Hörerschaft gewonnen haben.

Mit wenig Reimen suchten wir dieß auszudrücken:

Harren seht ihr sie, die Schönen,

Was durchs Ohr das Herz ergreife?
Flöte wird für diese tönen,

Für die andern Pans Gepfeife.

Nun aber laßt uns schweigen, damit beide den Wettstreit zu beginnen nicht weiter gehindert seyen.

VI.

Alle kunstreichen idyllischen Darstellungen erwerben sich deßhalb die größte Gunst, weil menschlich natürliche, ewig wiederkehrende, erfreuliche Lebenszustände einfach wahrhaft vorgetragen werden, freilich abgesondert von allem Läftigen, Unreinen, Widerwärtigen, worin wir sie auf Erden gehüllt fehen. Mütterliche, väterliche Verhältnisse zu Kindern, besonders zu Knaben, Spiel und Nafchluft der Kleinen, Bildungstrieb, Ernst und Sorge der Erwachsenen, das alles spiegelt sich gar lieblich gegen einander. Diesem Sinne gemäß finden wir in der sogenannten heiligen Familie einen idyllischen Gegenstand, erhoben zu frommer Würde, und deßhalb doppelt und dreifach ansprechend.

Hiernach also haben wir dem sechsten Bilde folgenden Vers zur Seite geschrieben:

Heute noch im Paradiese

Weiden Lämmer auf der Wiese,
Hüpft von Fels zu Fels die Ziege;
Milch und Obst nach ew'ger Weise
Bleibt der Alt' und Jungen Speise.
Mutterarm ist Kinderwiege,

Baterflöte spricht ans Ohr,

Und Natur ist's nach wie vor,

« НазадПродовжити »