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Ueber die Verpflichtung restaurirter Regierungen aus den

Handlungen einer Zwischenherrschaft.

Mit besonderer Rücksicht auf die an den Bestand des Königreichs Westphalen sich knüpfenden Rechtsfragen.

Von Professor H. A. Zachariä in Göttingen.

Zu den noch unerledigten staatsrechtlichen Fragen gehört insbesondere auch die: Ob und in wie weit diejenigen deutschen Bundesstaaten, welche Theile des vormaligen Königreichs Westphalen umfassen, zur Bezahlung der noch unerledigten Forderungen an diesen Staat rechtlich verbunden seien?

Diese Frage, welche auch bei der deutschen Nationalversammlung zur Sprache kam und in Folge des von derselben am 17. October 1848 gefassten Beschlusses von dem damaligen Reichsminister der Justiz einer völligen Erledigung entgegenzuführen gesucht wurde, nachdem bei der deutschen Bundesversammlung schon vor einer Reihe von Jahren die Sache ohne materielle Entscheidung bei Seite geschoben worden war, kann natürlich ohne vorgängige Feststellung der dabei einschlagenden rechtlichen Grundsätze über die Zwischenherrschaft überhaupt nicht entschieden werden.

Angedeutet habe ich diese rechtlichen Grundsätze bereits in meinem deutschen Staats- und Bundesrecht, Thl. I. S. 202 f. und in bestimmterer Fassung werden sie in der jetzt erscheinenden zweiten Auflage aufgestellt werden. Hier soll nun eine weitere

Ausführung der dabei in Betracht kommenden factischen und rechtlichen Momente versucht werden.

Man hat sich bei der Weigerung der restaurirten Regierungen, die Handlungen der westphälischen Regierung für sich als verbindlich zu betrachten, von Anfang an auf die angeblich anerkanntesten Grundsätze des Völkerrechts" berufen und ist namentlich in der Abstimmung am Bundestage, welche durch das Gutachten der Reclamationscommission vom Jahre 1823 veranlasst wurde, der Theorie, von welcher eine Verbindlichkeit der Handlungen eines Zwischenherrschers für den restituirten legitimen Herrscher, auch wenn er sein Reich nicht freiwillig cedirt hatte, behauptet wurde, mit Entschiedenheit und Schärfe entgegengetreten. Einige andere deutsche Regierungen haben den früher insbesondere von dem verdienstvollen von Martens für Hannover vertretenen Grundsätzen beigestimmt, und namentlich zeichnet sich bei derselben Gelegenheit die Oldenburgische Abstimmung dadurch aus, dass sie dasjenige, was sich für die, jede Verpflichtung verneinende Ansicht sagen lässt, am besten und zutreffendsten darlegt. Die anderen deutschen Regierungen haben sich mehr auf die formelle Frage des Daseins einer Justizverweigerung, besonders in Kurhessen (vermöge der bekannten Verordnungen von 1814 und 1818) und die damit zusammenhängende Frage nach der Competenz der deutschen Bundesversammlung bei ihren Abstimmungen beschränkt. Eine Entscheidung der materiellen Rechtsfrage über die Verbindlichkeit der Handlungen einer Zwischenregierung überhaupt und der westphälischen insbesondere ist von der deutschen Bundesversammlung niemals gegeben worden, würde aber auch, wenn sie vorläge, nicht die Bedeutung eines rechtskräftigen Urtheils in Anspruch nehmen können.

Dass die meisten dem Rheinbunde zugehörig gewesenen deutschen Regierungen bei der Beurtheilung der westphälischen Angelegenheiten sich zu anderen Ansichten als Hannover, Kurhessen und Braunschweig hingeneigt haben, liess sich allerdings aus der Verbindung, in welcher sie mit dem aufgelösten Königreich gestanden hatten, und daraus, dass sie bei der Sache im

Ganzen unbetheiligt waren, erklären; anderer Seits verrieth es aber eine zu grosse Befangenheit für die eigene, den Betheiligten vortheilhafte Ansicht, wenn gerade diese Nichtbetheiligung dazu benutzt wurde, um die Ansichten süddeutscher Regierungen, oder auch Preussens, welches sich vermöge des Tilsiter Friedensschlusses in einer andern Lage, als zum Beispiel Hannover, befand, als nicht unpartheiisch darzustellen. Selbst der Fürst Metternich, der gewiss nicht geneigt war, dem s. g. Legitimitätsprincip etwas zu vergeben, hat die Behauptung von der Unverbindlichkeit der Handlungen der westphälischen Regierung für die factisch vertriebenen Regenten auf den Grund der Illegitimität der Zwischenherrschaft nicht ausgesprochen. In einer höchst bemerkenswerthen Note an den Grafen Buol vom 14. Mai 1817 warnt er vielmehr mit Recht davor, hiebei Alles von der zarten Legitimitätsfrage abhängig zu machen. Metternich gab damals den weisen, leider nicht befolgten Rath, die Frage wegen Erfüllung der aus der Existenz des Königreichs Westphalen entstandenen Ansprüche nach den vereinten Rücksichten des Rechts, der Politik und der Billigkeit einer Lösung entgegenzuführen und von einer für diesen Zweck niederzusetzenden Commission einen schiedsrichterlichen Spruch geben zu lassen.

Die öffentliche Meinung, die zwar eine Zeit lang selbst auf Irrthum und Vorurtheil beruhen kann, dann aber, wenn sie allgemein und dauernd dieselbe bleibt, als ein beachtungswerther Ausdruck des menschlichen Rechtsbewusstseins betrachtet werden muss, hat über das Verfahren, welches z. B. in Kurhessen gegen die westphälischen Domainenkäufer beobachtet worden ist, und welches auch auf das jus postliminii des zurückgekehrten Landesherrn, der an die, seine Rechte verletzenden Acte des occupirenden Feindes nicht gebunden sei, gegründet wurde, sowie über den offenbaren Missbrauch, der hier von demselben Landesherrn mit seiner gesetzgebenden Macht zur Sanction der eigenmächtigen Besitzergreifungen des Fiscus und der Hemmung oder vielmehr Versperrung des Rechtswegs für die Dejicirten getrieben wurde, schon längst ein hartes Urtheil gesprochen. Weniger entschieden ist die öffentliche Meinung in Betreff der

Zeitschr. für Staatsw. 1853. 1s Heft.

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verweigerten Anerkennung der westphälischen Staatsschulden gewesen und nur die Vermischung mit der Domainenfrage, von der sie, wie sich unten zeigen wird, gesondert werden muss, hat sie häufig einer gleichen Verdammung unterworfen, obwohl sie auch rechtlich, wie wir glauben, anders zu entscheiden ist, als man gewöhnlich meint.

Auch die ziemlich zahlreichen wissenschaftlichen Erörterungen und selbst Urtheile oberster Gerichtshöfe in den betheiligten Staaten, z. B. der Oberappellationsgerichte zu Cassel, Wolfenbüttel, sowie Facultätserkenntnisse, haben sich keineswegs günstig für den Grundsatz von der absoluten Unverbindlichkeit der Handlungen des Zwischenherrschers ausgesprochen. Die meisten Urtheile und Schriften beziehen sich aber nur auf zwei besonders lebhaft erörterte Fragen, nämlich auf das Recht der westphälischen Domainenkäufer und der Schuldner des Staats oder des vertriebenen Fürsten, welche eine während der Zwischenherrschaft oder eine durch Zahlungen an den Eroberer eingetretene gänzliche oder theilweise Befreiung von ihrer Schuld behaupteten 1).

Rechnet man die in einer sehr unerquicklichen Manier geschriebene Abhandlung von L. Schaumann, die rechtlichen Verhältnisse des legitimen Fürsten, des Usurpators u. s. w., Cassel 1820, ab, welche besonders gegen ein, auch in den Bundesverhandlungen vorkommendes, Urtheil der Giessner Juristenfacultät in einer die Hannover'sche Domainenkammer betreffenden Rechtssache gerichtet ist, so lässt sich gar keine Schrift, und noch viel weniger eine wissenschaftliche Autorität namhaft machen, welche jene Unverbindlichkeit in der von den betheiligten Regierungen behaupteten Weise in Schutz genommen hätte. Dagegen haben sich die anerkanntesten publicistischen Autoritäten, wie z. B. K. S. Zachariä, Pfeiffer, Behr, Stickel u. A.,

1) Vergleiche die Literatur bei Klüber, öffentliches Recht §. 253; H. A. Zachariä, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Theil I, Seite 202; Zöpfl, Grundsätze des constitutionellen Staatsrechts, 3. Ausgabe, §. 74; Pfeiffer, Das Recht der Kriegseroberung in Beziehung auf Staatscapitalien, Cassel 1833, wo sich in der Vorrede Seite VIII-XIV das genaueste Verzeichniss der bis 1823 erschienenen Schriften findet.

in den besonderen dieser Frage gewidmeten Abhandlungen wenigstens übereinstimmend dahin erklärt, dass die Frage von der Rechtsverbindlichkeit eines Zwischenherrschers nicht von der s. g. Legitimität abhängig sei, und dass wegen der nothwendigen Fortsetzung des Staatsorganismus und unter der Voraussetzung, dass ein solcher im Gegensatz zu der blos vorübergehenden feindlichen Occupation wirklich bestanden habe, auch die nicht an sich ungesetzlichen oder constitutionswidrigen Handlungen der s. g. Zwischenherrschaft, als Aeusserungen der, selbst während der Entfernung des legitimen Regenten nothwendig fortdauernden und im Staatsbegriff gegebenen, Staatsgewalt anerkannt werden müssten, wenn man nicht behaupten wolle, dass mit der Verletzung des legitimen Herrscherrechts auch der ganze Rechtszustand und die staatliche Verbindung eines Volkes aufgehoben werde. In gleicher Weise haben sich auch fast alle neueren Systeme des Staats- und Völkerrechts ausgesprochen 1). Auch wir sind der Ansicht, dass der Grundsatz, welchen z. B. Ha nnover in den Abstimmungen bei der Bundesversammlung und in andern Verhandlungen stets festgehalten hat, dass es hinsichtlich der nicht cedirt gewesenen" Provinzen die Acte der westphälischen Herrschaft nicht anzuerkennen brauche, weil Jérome ein Usurpator gewesen und die Wirkungen der feindlichen Occupation des Landes nicht über den thatsächlichen Besitz und dessen unmittelbare Folgen ausgedehnt werden könnten, nicht zu rechtfertigen sei, indem er gewisse, an sich nicht zu bestreitende, völkerrechtliche Principien über die Wirkungen der feindlichen Besetzung eines Landes auf einen seiner wesentlichen Natur nach ganz verschiedenen Fall zur Anwendung bringt.

Allerdings sagt schon der Vater des modernen Völkerrechts,

1) Namentlich Klüber, öffentliches Recht §. 253; K. S. Zachariä, vierzig Bücher vom Staate. Umarbeitung. Bd. V. S. 121 f.; Maurenbrecher, Deutsches Staatsrecht §. 146; Zöpfl, Grundsätze des constitutionellen Staatsrechts S. 74; Weiss, System des deutschen Staatsrechts §. 251; Heffter, Europäisches Völkerrecht §. 185; Oppenheim, System des Völkerrechts S. 141 f.; H. Wheaton, Éléments du droit international. -Leipzig et Paris 1848. Tom. I. S. 40 f.

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