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Einleitung.

Das Andenken merkwürdiger Menschen so wie die Gegenwart bedentender Kunstwerke regt von Zeit zu Zeit den Geist der Betrachtung auf. Beide stehen da als Vermächtnisse für jede Generation, in Thaten und Nachruhm jene, diese wirklich erhalten als unaussprechliche Wesen. Jeder Einsichtige weiß recht gut, daß nur das Anschauen ihres besondern Ganzen einen wahren Werth hätte; und doch versucht man immer aufs neue durch Reflerion und Wort ihnen etwas abzugewinnen.

Hierzu werden wir besonders aufgereizt, wenn etwas Neues entdeckt. und bekannt wird, das auf solche Gegenstände Bezug hat; und so wird man unsere erneuerte Betrachtung über Winckelmann, seinen Charakter und sein Geleistetes in dem Augenblicke schicklich finden, da die eben jetzt herausgegebenen Briefe über seine Denkweise und Zustände ein lebhafteres Licht verbreiten.

Winckelmanns Briefe an Berendis.

Briefe gehören unter die wichtigsten Denkmäler, die der einzelne Mensch hinterlassen kann. Lebhafte Personen stellen sich schon bei ihren Selbstgesprächen manchmal einen abwesenden Freund als gegenwärtig vor, dem sie ihre innersten Gesinnungen mittheilen; und so ist auch der Brief eine Art von Selbstgespräch. Denn oft wird ein Freund, an den man schreibt, mehr der Anlaß als der Gegenstand des Briefes. Was uns freut oder schmerzt, drückt oder beschäftigt, löst sich von dem Herzen los ; und als dauernde Spuren eines Daseyns, eines Zustandes sind solche Blätter für die Nachwelt immer wichtiger, je mehr dem Schreibenden nur der Augenblick vorschwebte, je weniger ihm eine Folgezeit in den Sinn

kam. Die Winckelmann'schen Briefe haben manchmal diesen wünschenswerthen Charakter.

Wenn dieser treffliche Mann, der sich in der Einsamkeit gebildet hatte, in Gesellschaft zurückhaltend, im Leben und Handeln ernst und bedächtig war, so fühlte er vor dem Briefblatt seine ganze natürliche Freiheit und stellte sich öfter ohne Bedenken dar, wie er sich fühlte. Man sieht ihn besorgt, beängstet, verworren, zweifelnd und zaudernd, bald aber heiter, aufgeweckt, zutraulich, kühn, verwegen, losgebunden bis zum Cynismus, durchaus aber als einen Mann von gehaltenem Charakter, der auf sich selbst vertraut, der, obgleich die äußern Umstände seiner Einbildungskraft so mancherlei Wählbares vorlegen, doch meistens den besten Weg ergreift, bis auf den letzten ungeduldigen, unglücklichen Schritt, der ihm das Leben kostete.

Seine Briefe haben, bei den allgemeinen Grundzügen von Rechtlichkeit und Derbheit, je nachdem sie an verschiedene Personen gerichtet sind, einen verschiedenen Charakter, welches immer der Fall ist, wenn ein geistreicher Briefsteller sich diejenigen vergegenwärtigt, zu denen er in die Entfernung spricht, und also eben so wenig als in der Nähe das Gehörige und Passende vernachlässigen kann.

So find, um nur einiger größeren Sammlungen Winckelmann'scher Briefe zu gedenken, die an Stosch geschriebenen für uns herrliche Documente eines redlichen Zusammenwirkens mit einem Freund zum bestimmten Zwecke, Zeugnisse von großer Beharrlichkeit in einem schweren, ohne genugsame Vorbereitung leichtsinnig übernommenen, mit Muth glücklich durchgeführten Geschäft, durchwebt mit den lebhaftesten literarischen, politischen, Societäts - Neuigkeiten, ein köftliches Lebensbild, noch interessanter, wenn sie ganz und unverstümmelt hätten gedruckt werden können. Schön ist auch die Freimüthigkeit selbst in leidenschaftlich mißbilligenden Aeußerungen gegen einen Freund, dem der Briefsteller durchaus so viel Achtung als Liebe, so viel Dank als Neigung zu bezeigen nicht müde wird.

Das Gefühl von eigener Superiorität und Würde, verbunden mit ächter Hochschätzung anderer, der Ausdruck von Freundschaft, Freundlichkeit, Muthwille und Neckerei, wodurch sich die Briefe an die Schweizer charakterisiren, machen diese Sammlung äußerst interessant und liebenswerth, wobei sie zugleich genugsam unterrichtend ist, obgleich_Winckelmanns Briefe im Ganzen nicht unterrichtend genannt werden können.

Die ersten Briefe an den Grafen Bünau in der schätzbaren Daßdorf'schen Sammlung zeugen von einem niedergedrückten, in sich selbst befangenen Gemüthe, das an einem so hohen Gönner kaum hinaufzublicken wagt. Jenes merkwürdige Schreiben, worin Winckelmann seine Religionsänderung ankündigt, ist ein wahrer Galimathias, ein unglücklicher verworrener Aufsaß.

Aber um jene Epoche begreiflich, selbst unmittelbar anschaulich zu machen, dient nunmehr die erste Hälfte seiner Briefe an Berendis. Sie sind zum Theil aus Nötheniz, zum Theil aus Dresden an einen innig vertrauten Freund und Kameraden gerichtet. Der Briefsteller zeigt sich mit seinen dringenden unüberwindlichen Wünschen in dem peinlichsten Zustande, auf dem Wege zu einem entfernten, neuen, mit Ueberzeugung gesuchten Glüc.

Die andere Hälfte ist aus Italien geschrieben. Sie behalten ihren derben losgebundenen Charakter, doch schwebt über ihnen die Heiterkeit jenes Himmels, und ein lebhaftes Entzücken an dem erreichten Ziele beseelt sie. Ueberdieß geben sie, verglichen mit andern schon bekannten gleichzeitigen, eine vollständigere Anschauung seiner ganzen Lage.

Die Wichtigkeit dieser Sammlung, vielleicht mehr für Menschenkenntniß als für Literatur, zu fühlen und zu beurtheilen, überlassen wir empfänglichen Gemüthern und einsichtigen Geistern, und fügen einiges über den Mann, an den sie geschrieben sind, wie es uns mitgetheilt worden, hinzu.

Hieronymus Dieterich Berendis, geboren zu Seehausen in der Altmark im Jahre 1720, studirte zu Halle die Rechte und war, nach seiner akademischen Zeit, einige Jahre Auditeur bei dem königlich preußischen Regiment Husaren, die der Farbe nach gewöhnlich die schwarzen, aber nach ihrem damaligen Chef eigentlich von Ruesch genannt wurden. Er seßte, sobald er jenes rohe Leben verlassen hatte, seine Studien eine Zeit lang in Berlin fort. Bei einem Aufenthalte zu Seehausen fand er Winckelmann, mit dem er sich freundschaftlich verband, und später durch dessen Empfehlung bei dem jüngsten Grafen Bünau als Hofmeister angestellt wurde. Er führte denselben nach Braunschweig, wo sie das Carolinum benutten. Da der Graf nachher in französische Dienste trat, brachte dessen Vater, damals Weimarischer Minister, unsern Berendis in gedachte fürstliche Dienste, wo er zuerst als Kriegsrath, nachher als Kammerrath und als Chatoullier bei der Herzogin - Mutter stand. Er starb 1783 am 26. October zu Weimar.

Eintritt.

Wenn die Natur gewöhnlichen Menschen die köstliche Mitgift nicht versagt, ich meine jenen lebhaften Trieb von Kindheit an die äußere Welt mit Lust zu ergreifen, sie kennen zu lernen, sich mit ihr in Verhältniß zu setzen, mit ihr verbunden ein Ganzes zu bilden, so haben vorzügliche Geister öfters die Eigenheit, eine Art von Scheu vor dem wirklichen Leben zu empfinden, sich in sich selbst zurückzuziehen, in sich selbst eine eigene Welt zu erschaffen und auf diese Weise das Vortrefflichste nach innen bezüglich zu leisten.

Findet sich hingegen in besonders begabten Menschen jenes gemeinsame Bedürfniß, eifrig zu allem was die Natur in sie gelegt hat, auch in der äußern Welt die antwortenden Gegenbilder zu suchen und dadurch das Innere völlig zum Ganzen und Gewissen zu steigern, so kann man versichert seyn, daß auch so ein für Welt und Nachwelt höchst erfreuliches Daseyn sich ausbilden werde.

Unser Winckelmann war von dieser Art. In ihn hatte die Natur gelegt, was den Mann macht und ziert. Dagegen verwendet er sein ganzes Leben ein ihm Gemäßes, Treffliches und Würdiges im Menschen und in der Kunst, die sich vorzüglich mit dem Menschen beschäftigt, aufzusuchen.

Eine niedrige Kindheit, unzulänglicher Unterricht in der Jugend, zerrissene, zerstreute Studien im Jünglingsalter, der Druck eines Schulamtes und was in einer solchen Laufbahn Aengstliches und Beschwerliches erfahren wird, hatte er mit vielen andern geduldet. Er war dreißig Jahre alt geworden ohne irgend eine Gunst des Schicksals genossen zu haben; aber in ihm selbst lagen die Keime eines wünschenswerthen und möglichen Glücks.

Wir finden schon in diesen seinen traurigen Zeiten die Spur jener Forderung, sich von den Zuständen der Welt mit eigenen Augen zu überzeugen, zwar dunkel und verworren, doch entschieden genug ausgesprochen. Einige nicht genugsam überlegte Versuche, fremde Länder zu sehen, mißglückten ihm. Er träumte sich eine Reise nach Aegypten; er begab sich auf den Weg nach Frankreich: unvorhergesehene Hindernisse wiesen ihn zurück. Besser geleitet von seinem Genius ergriff er endlich die Idee sich) nach Rom durchzudrängen. Er fühlte, wie sehr ihm ein solcher Aufenthalt gemäß sey. Dieß war kein Einfall, kein Gedanke mehr, es war ein entschiedener Plan, dem er mit Klugheit und Festigkeit entgegenging.

Antikes.

Der Mensch vermag gar manches durch zweckmäßigen Gebrauch einzelner Kräfte, er vermag das Außerordentliche durch Verbindung mehrerer Fähigkeiten; aber das Einzige, ganz Unerwartete leistet er nur, wenn sich die sämmtlichen Eigenschaften gleichmäßig in ihm vereinigen. Das letzte war das glückliche Loos der Alten, besonders der Griechen in ihrer besten Zeit; auf die beiden ersten sind wir Neuern vom Schicksal angewiesen.

Wenn die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als in einem großen, schönen, würdigen und werthen Ganzen fühlt, wenn das harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzücken gewährt, dann würde das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel gelangt, aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern. Denn wozu dient alle der Aufwand von Sonnen und Planeten und Monden, von Sternen und Milchstraßen, von Kometen und Nebelflecken, von gewordenen und werdenden Welten, wenn sich nicht zuletzt ein glücklicher Mensch unbewußt seines Daseyns erfreut?

Wirft sich der Neuere, wie es uns eben jest ergangen, fast bei jeder Betrachtung ins Unendliche, um zuleßt, wenn es ihm glückt, auf einen beschränkten Punkt wieder zurückzukehren, so fühlten die Alten ohne weitern Umweg sogleich ihre einzige Behaglichkeit innerhalb der lieblichen Gränzen der schönen Welt. Hierher waren sie gesezt, hiezu berufen, hier fand ihre Thätigkeit Raum, ihre Leidenschaft Gegenstand und Nahrung.

Warum sind ihre Dichter und Geschichtschreiber die Bewunderung des Einsichtigen, die Verzweiflung des Nacheifernden, als weil jene handelnden Personen, die aufgeführt werden, an ihrem eigenen Selbst, an dem engen Kreise ihres Vaterlandes, an der bezeichneten Bahn des eigenen sowohl als des mitbürgerlichen Lebens einen so tiefen Antheil nahmen, mit allem Sinn, aller Neigung, aller Kraft auf die Gegenwart wirkten; daher es einem gleichgesinnten Darsteller nicht schwer fallen konnte, eine solche Gegenwart zu verewigen. Das was geschah, hatte für sie den einzigen Werth, so wie für uns nur dasjenige, was gedacht oder empfunden worden, einigen Werth zu gewinnen scheint.

Nach einerlei Weise lebte der Dichter in seiner Einbildungskraft, der Geschichtschreiber in der politischen, der Forscher in der natürlichen Welt.

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