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Zweiter Abschnitt.

Wanderungen der Westgothen durch den Süden Europas (von 375-419).

Erstes Capitel.

Ihre Niederlassungen in Thracien (von 375–395.)

Unterdessen bei den Westgothen Athanarich das Christenthum bekämpfte, Fridigern es schüßte, und die Bande der frühern Einheit ziemlich aufgehoben wurden, scheint die große gothische Macht im Norden und Osten von den Therwingern, unter dem alten Herrscher Hermanrich, wohl in ihrer Ausdehnung dieselbe, wie früher, gewesen zu seyn, allein durch vielfache Ursachen den Keim des nahen Verfalls in sich getragen zu haben. Die Ostgothen, weniger gebildet als ihre westlichen Brüder, auch wohl noch unbekannt mit dem Christenthum, hatten diese bisher an Lapferkeit und an Ruhm übertroffen. Durch glückliche Kriege und den Heldenmuth des Königs Hermanrich hatte die gothische Welt eine Ausdehnung erhalten, die weit über die bisherigen Wohnsiße hinausreichte. Neue Völker, die bisher mit den Gothen in keinem Verband gestanden, wurden in den Kreis der gewaltigen Herrschaft hineingezogen, und bald mochte die Masse der fremden Völker die der heimis schen übersteigen. So lange der gefürchtete Held an der Spiße stand, und mit Kraft und Umsicht überall herrschte, beugten die unterjochten Alanen, Wenden, Sarmaten und andere Völker ihren Nacken unter dem fremden Joch; endlich schien ihnen die Zeit günstig dasselbe abzuwerfen, und sie bedachten dabei nicht, daß ihnen dann noch drückendere Abhängigkeit drohe.

Kein Feind schien dem Gothenreich gefährlich, selbst die Römer hatten, mit einem Theil desselben nur bekannt, seine Stärke erfahren, und mit ihm Frieden geschlossen. Schon hatte Hermanrich, in jeder Art vom Glücke begünstigt, långere Zeit als das gewöhnliche Alter des Menschen die Völker regiert, und nichts schien dem hochbejahrten Manne seine lehte Lebenszeit zu trüben: da zeigte das Glück, daß es oft auch den, welchen es sonst immer begleitete und hob, plößlich verläßt und ihn dann in doppeltes Unglück der Verzweiflung stürzt.

Durch die unruhigen Bewegungen der Völker an der Ost grenze ward Hermanrich auf einen furchtbaren Feind aufmerksam gemacht. Diesem hatte sich der Führer der Rorolanen, die der Gothenherrschaft schon lange überdrüssig waren, anges schlossen. Mit Kraft, Strenge und Grausamkeit wollte Hermanrich von der Nachahmung dieses schädlichen Beispiels die andern Völker abschrecken. Die zurückgelassene Frau des Rorolanens fürsten, Sanielh mit Namen, ließ er lebendig mit Pferden zerreißen. Statt Schrecken entsprang aus dieser Grausamkeit Haß und Erbitterung der Völker und Rache der Brüder der Ermordeten. Mit Dolchstichen fielen sie unerwartet den König an, führten jedoch nur halb ihr Vorhaben aus, da sie ihn zwar schwer in die Seite verwundeten, aber am Morde durch seine Getreuen verhindert wurden. Unterdessen zogen die feindlichen zahllosen Schaaren, die aus Asiens Mitte kamen, tiefer ins Reich ein. Man nannte sie Hunnen, sie waren håßlichen Anblicks, von kleinem ungestalteten Körperbau, hervorstehenden Backenknochen, tiefliegenden kleinen Augen, fast feurigen Punkten zu vergleichen. Sie kämpften beinahe alle zu Pferde, und brachten darauf fast ihr ganzes Leben zu. Der Schrecken zog vor ihnen her, und die Sage, daß sie Abkömmlinge von gothischen Heren oder Alrunen und bösen Geistern in der Wüste seyen, flößte zugleich Abscheu und Furcht vor den gräßlichen Feinden ein 1). Schon waren sie über die Wolga gegangen

1) Jornand. c. 24.

und näherten sich dem Donstrom: hier wohnten die Alanen, welche dem mächtigen Andrange unterlagen. Die Besiegten und freiwillig übergetretenen Völker vergrößerten die zahllose hunnische Macht.

Hermanrichs Reich war aufgelöst, die Völker, die bisher Furcht zusammen gehalten hatte, versagten den Gehorsam. Selbst die Westgothen hatten sich unter ihrem Richter Athanarich ganz der ostgothischen Verbindung entzogen und für sich eine unabhängige Herrschaft gestiftet. 2) Dazu kam noch die Krankheit des allgefürchteten Königs: sie gab den Feins den Muth zum Angriff, den noch beherrschten Völkerschaf ten Antrieb zum Abfall. Hermanrich, zu schwach den Hunnen Widerstand zu leisten und niedergebeugt vom Schmerze, stürzte sich aus Verzweiflung selbst in sein Schwerdt und endigte so sein Leben, das er auf hundert und zehn Jahre gebracht haben soll. Sein Land ward von den asiatischen Horden wie von Heuschrecken überschwemmt. Zwar leisteten die tapfern Greus thunger unter ihrem neuen König Withimir, der Alanen und einen hunnischen Stamm sich durch reiche Geschenke verbündet hatte, einigen Widerstand, allein ohne großen Erfolg. Nach vielen Niederlagen, die er erlitt, ward er in einer Schlacht erschlagen (376). Des gebliebenen Königs unmündigen Sohn Witherich retteten zwei tapfere gothische Krieger, Alatheus und Saphrar 3). Die besiegten Ostgothen sowohl wie die Hunnen stürzten nun auf die Wohnsiße der Westgothen. Ihr Führer Athanarich suchte sich anfänglich gegen den Andrang der wilden asiatischen Horden an den Ufern des Dniester zu halten. Allein plößlich sah er sich von einer zahlreichen feindlichen Reiterei,

2) Jornand. c. 24. Quam adversam ejus valetudinem captans Balamirus, rex Hunnorum, in Ostrogothas movit procinctum, a quorum societate jam Visegothæ discessere, quam dudum inter se juncti habebant. Daher sagt auch Isidor. Chronic. Goth. ær. CCCCVII. primus (Visi) Gothorum gentis administrationem suscepit Athanaricus.

3) Ueber den Einfall der Hunnen, Hermanrichs Tod und die Befiegung der Ostgothen vergl. man Jornandes c. 24. Ammian. Marcellin. XXXI, 2 u. 3.

die beim Mondlicht an einer seichten Stelle über den Fluß gesezt war, angegriffen, und nur die größte Lapferkeit und Geschicklichkeit sicherte einen Rückzug an den Pruth, wo er Befestigungswerke nach römischer Weise aufführte. Hier wollte Athanarich die Angriffe der Hunnen zurückschlagen: allein diesen wohl angelegten Plan vereitelten bald seine Landsleute, die von solchem Schrecken vor den Hunnen ergriffen waren, daß sie sich erst gerettet glaubten, wenn zwischen ihnen und ihren Feinden die Donau flösse. Daher drängte sich täglich eine größere Menge an diesem Strome zusammen. Athanarich mißtrauisch gegen die Römer, oder seines Schwures eingedenk, oder überhaupt abgeneigt mit einem christlichen Fürsten in Verbindung zu treten, zog sich mit einer zahlreichen und auserlesenen Schaar in die Gebirge der Sarmaten, die er vertrieb, und setzte sich hier fest, durch dichte Waldungen und hohe Verge geschüßt 4). Die übrigen Westgothen aber, unter der Anführung des Ala, vivus, eines ihrer Richter, blieben an der Donau, streckten die Hånde gegen das jenseitige Ufer aus und baten flehentlich sie aufzunehmen; für Wohnsize, wo sie gegen ihre furchtbaren Feinde sicher wåren, versprachen sie dem Kaiser treue und ergebene Streiter zu seyn. Während Valens durch eine Gesandtschaft, an deren Spiße der Bischof Ulphilas stand, von der Bitte der Gothen benachrichtigt ward, versuchte Alavivus sich mit Gewalt den Uebergang über den Fluß zu erzwingen: allein er wurde mit Verlust zurückgeschlagen. Der Kaiser, von schlechten Rathgebern geleitet, im thörichten Wahne durch die Gothen ein zahlreiches, unbesiegbares Heer zu erhalten und mit dessen Hülfe seinen Thron gegen seine beiden Neffen im Occident desto mehr zu befestigen, gab Befehl das ganze westgothische Volk über die Donau nach Thracien überzuseßen: um jedoch jeder Gefahr, die durch die Aufnahme einer so großen Völkers masse dem Reiche entstehen könne, zuvorzukommen, gab er die vorsichtigen Befehle: die Gothen sollten vor der Aufnahme die

4) Ammian. l. c. c. 4.

Waffen abliefern, und die Vornehmeren ihre Söhne als Geißel geben, die zum Unterpfand der Trene ihrer Väter in die Städte von Kleinasien zu bringen wåren. Die Gothen sollten so in Thrazien vertheilt werden, daß sie für die Anbauung des Landes nüßlich würden. Eine große Flotte von Schiffen, Nachen und hohlen Baumståmmen seßte unausgesetzt viele Lage und Nächte hindurch die zahllose Menge über den Fluß: die größte Sorgfalt seßte man darin, daß keiner von den Gothen zurück bliebe. Die Leute, die dazu beordert waren, die Zahl der Hinübergeseßten aufzuzeichnen, standen bald von dieser Arbeit ab, da sie dieselbe für unausführbar erkannten. Folgt man der gewöhnlichen Angabe, so wåren eine Million Gothen, worunter 200000 streitbare Männer, nach Thrazien übergeseßt worden. Nach des Kaisers Befehl sollten die Gothen zwar vor der Ueberfahrt ihre Waffen abliefern: um sie aber zu behalten, über. ließen viele den lüsternen und habsüchtigen Römern Geld oder Weiber und Kinder und Sklaven. Ganz Thracien war von einer neuen ungeheuren Bevölkerung angefüllt, denen der Kaiser Lebensmittel gegen eine mäßige Bezahlung zu reichen befahl 5). Aber die geizigen Stadthalter von Thracien, Lupicinus und Marimus, suchten diese Gelegenheit zu benußen sich zu bereis chern. Sie ließen auf den Markt nicht nur schlechtes Fleisch von Schafen und Ochsen bringen, sondern selbst todte Hunde und Kaßen, und verkauften diese schlechten Lebensmittel um einen solchen theuren Preis, daß zuleßt die Gothen, um nicht Hungers zu sterben, für eine elende Nahrung Sklaven, Söhne und Töchter hergeben mußten. Da sie um sich überall den größten Ueberfluß an Lebensmitteln sahen, und sie mitten im fruchtbaren Lande durch den Hungertod bedroht wurden, so fingen sie an zu murren und drohende Bewegungen zu machen. Sobald die Stadthalter diese` Unzufriedenheit wahrnahmen, so wollten sie

5) Hauptquelle ist hier bis zum Tode des Kaisers Valens Ammian. Marcellin. im 31ten Buche: vom Uebergang der Gothen über die Donau in c. 3 u. 4. Zosimus L. IV, c. 20. Eunap. excerptt. legatt. p. 19. Oros. VII, 33. Jornandes 25 u. 26. Sozomen. L. VI, c. 87.

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