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An demselben 23. Juni erfolgte denn endlich auch durch Königin Anna in Person die Vertagung des Parlaments nach einer Session von ganz ungewöhnlicher Dauer. Der hannoverische Gesandte hatte, wie seine Berichte gleichfalls darthun, ein scharfes Verständniss für die Thätigkeit und die gesteigerten Vorrechte dieses hohen Raths Grossbritanniens entwickelt. Namentlich bei zwei Anlässen scheint er die Verhandlungen besonders aufmerksam verfolgt zu haben. Der von Harley am 15. Mai den Gemeinen vorgelegte Finanzplan, nach welchem die Staatsschulden den Gläubigern zu sechs Procent verzinst und sie selber zu einer Gesellschaft mit der Anweisung auf ein Handelsmonopol in der Südsee incorporirt wurden, erschien für die Gegenwart um so blendender, als das Publicum der gestürzten Regierung blindlings vorwarf, die öffentlichen Rechnungen zum mindesten mit grosser Sorglosigkeit geführt zu haben. „Obgleich die Acte wegen der Lotterie“, meldete Bothmer seinem Herrn am 22. Mai,,,noch nicht passirt worden, so ist dieselbe dessenungeachtet bereits voll von Propositionen, welche Mr. Harley ohnlängst gethan, die Schulden des Königreichs abzutragen. Es wird zwar unterschiedlich darüber geurtheilt, jedoch scheinen die Meisten davon zu halten, es werde damit zu Stande kommen, und dann das Parlament kurz nach dem Fest prorogirt werden können.“ Da nun das Parlament mit seiner Beistimmung nicht zurückhielt, so gingen die neuen Actien im Vergleich zu der im Jahre zuvor veranstalteten Ziehung so gewaltig in die Höhe, dass die Nachfrage, die sich sofort auch bis Hannover erstreckte, nicht befriedigt werden konnte. Schon am 27. März schrieb Bothmer dem Grafen Bernstorff: „Man glaubt, dass die bereits über mehr als 1,500,000 Pfund Sterling ausgegebenen Scheine noch vermehrt werden sollen, um das Geld nicht zurückzuweisen. Niemand freilich weiss, wer unter den Darlehnenden der erste und der letzte ist. Aber eine zweite Lotterie wird diesmal nicht stattfinden, weil man den Ausgang eines neuen Feldzugs im Auge hat." Uebrigens waren unter der Hand doch genug Scheine zu haben; denn, wie Bothmer am 21. April der alten Kurfürstin Sophie rieth, die sich ebenfalls betheiligen wollte, aber nicht Geld genug

eingeschickt hatte, war es noch immer Zeit, die Summe bis auf 100 Pfund zu erhöhen, um eine Actie zu kaufen. Auch liessen sich die alten Scheine gegen die der neuen Ziehung austauschen.*)

Ein anderer Gegenstand, welcher das Parlament mehrfach beschäftigt hatte, war die Postverwaltung. Die Gemeinen zeigten sich nicht wenig aufgebracht über die grosse Freiheit, welche sich die Regierung mit dem Briefgeheimniss nahm. Die Tories vom October-Club forderten geradezu, dass alle Postbeamten hinfort eidlich beschwören sollten, sich nun und nimmer an Briefen zu vergreifen. Als Mr. St. John lebhafte Vorstellungen erhob, dass das Ministerium in grosse Verlegenheit kommen würde, wenn es sich die Hände dergestalt binden liesse, wurde der Vorschlag gemacht, dass, um die fragliche Befugniss zu ertheilen, in jedem einzelnen Fall ein schriftliches Mandat von einem der beiden Staatssecretäre vorliegen müsse. Aber auch dies schien den das Staatsruder führenden Herren noch nicht zu genügen, und Bothmer zweifelte daher sehr, ob sie sich überhaupt ihre Willkür durch ein Statut würden beschränken lassen was denn auch noch über hundert Jahre später, im Sommer 1844, als Sir James Graham die Briefe Giuseppe Mazzini's hatte öffnen lassen, als zu einem solchen Act den Staatsanwalt berechtigend in Anspruch genommen worden

ist.

Unter Königin Anna handelte es sich ausserdem um eine Erhöhung des Briefportos, das, wie überhaupt die Revenuen der Post, durch das Statut von 1711 dem Kronfiscus entzogen und fortan den öffentlichen Fonds einverleibt wurde.

Ehe jedoch der Herr von Bothmer, der nur in besondererer Mission nach London gegangen war und sich am 3. Juli bei der Königin Anna verabschiedete, die Rückreise nach dem Haag antrat, wo er für die nächste Zeit viel nöthiger am Platze war, hatte er noch einige besondere Geschäfte seines Herrn abzuwickeln. An Stelle des bis dahin in London functionirenden Agenten, Wilhelm Beyrie, der wegen seines Alters in Pension ging, wurde Herr

*) Kemble a. a. O.

Kreyenberg vorgestellt. Ausserdem aber hatte sich der Gesandte unter Mitwirkung dieser Beamten die im Jahre 1706 deponirte geheime Urkunde, durch welche im Voraus ein Regentschaftsrath im Fall des plötzlichen Ablebens der Königin designirt worden, zurückgeben lassen, um dafür eine andere unter denselben Sicherheiten niederzulegen, in welcher die Zahl der Lords-Oberrichter noch vermehrt wurde. Interessant ist die hierüber in einer geheimen Depesche vom 30. Januar begegnende Notiz: „Lord Somer's hat mir gesagt, dass, da die geheime Acte der Frau Kurfürstin, welche sich hier in triplo befindet und in welcher Ihre Kurfürstl. Durchlaucht einige Persönlichkeiten dieses Königreichs nach dem Tode der Königin als Regierung ernannt, vor der Union Englands mit Schottland aufgesetzt ist, die Schotten mit einem gewissen Anschein von Recht dagegen Einwendung erheben könnten, und dass es ihm daher rathsam erscheine, eine neue Nominationsacte auszufertigen." Bothmer stellte seine Bedenken entgegen, denen Somers und Halifax beizupflichten schienen. Indess am 6. März bescheinigte er, dass er die bisher von Beyrie in Verwahrung gehaltene Acte nebst einer Verschreibung von 375,000 Thalern an sich genommen habe. Nach Lord Somers Rath hat dann in der Folge die Ersetzung durch ein anderes Instrument stattgefunden und ist dies fortan bei Kreyenberg hinterlegt worden.

Erst nachdem alle diese Geschäfte erledigt waren, schiffte sich Bothmer auf einer königlichen Yacht wieder nach Holland ein, nicht gerade mit sehr erfreulichen Aussichten in die Zukunft der grossen Angelegenheit, der er mit aufopfernder Treue diente. Noch in seiner letzten Depesche vom 7. Juli 1711 hatte er ausdrücklich hervorgehoben, dass er mit Lord. Halifax in vollem Einverständniss verbleibe und das Vertrauen habe, auch der kurfürstliche Hof werde diesen englischen Staatsmann mit Freuden als Friedenscommissar neben ihm wirken sehen. Vier Jahre und einige Monate, Wechselfälle, die mehr als einmal jede Hoffnung auf das Zustandekommen der Succession zu vernichten schienen, lagen dazwischen, bis er im Gefolge seines Herrn, König Georgs I., abermals nach England kam, als der einzige unter

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Die Aussichten des Hauses Hannover auf den engl. Thron im J. 1711.

den deutschen Ministern, welcher mit den dortigen Verhältnissen vertraut war und daher an der ersten Einrichtung der Dynastie, besonders auch der Vergebung der Aemter, welche den Whigs zufielen, hervorragenden Antheil nahm.*)

*) Cf. J. H. von Ilten' von Bodemann.

CONFESSIONELLE BEDENKEN BEI DER THRONBESTEIGUNG DES HAUSES HANNOVER IN ENGLAND.

Mit der zweiten, sogenannten glorreichen Revolution trat Wilhelm III., der Oranier, in die Bresche, um den Nationen Britanniens, von denen die eine bischöflich, die andere presbyterianisch regiert sein wollte, wie in den bürgerlichen so auch in den kirchlichen Institutionen ihr Selbstbestimmungsrecht und beide zugleich vor der Rückkehr des verfassungsfeindlichen Papismus zu sichern. Er selber, bereits ein Epigone der harten confessionellen Gegensätze seiner calvinischen Heimath, ein Zeitgenosse von Leibniz, betrieb ernstlich, obwohl Religionsgenosse der Schotten, einen Modus vivendi zwischen den verschiedenen Kirchen und Secten, eine Union oder, wie man damals sagte, eine Comprehension insonderheit der nordbritischen mit der südbritischen Kirchenform, welche letztere meist nur mit tiefem Widerstreben in diesem Holländer ihr weltliches Haupt duldete. Wohl hat er durch die parlamentarische Union den Einheitsstaat zwischen England und Schottland angebahnt. Um die streitenden Kirchen aber ein noch so lockeres Band zu schlingen, vermochte er nimmermehr. Dagegen gediehen latitudinarische Principien, an welchen beide im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts arg verflachen sollten.

Merkwürdig nun aber, wie Wilhelm, welcher kinderlos war und dessen Erbin, Anna Stuart, bereits am 10. August 1700 ihren einzigen Sohn verlor, sich in Kurzem mit dem Gedanken an einen lutherischen Thronfolger vertraut zu machen hatte. Vorübergehend freilich, während der hannöverische Hof sich zu den eigenen Aussichten noch mehr

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