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ENTSTEHUNG DES EINHEITSSTAATS

IN GROSSBRITANNIEN.

Wie oft haben wir Deutsche im Kampf um unsere Selbständigkeit und Einheit das republikanische Vorbild in der Schweiz, und zumal in den Vereinigten Staaten Nordamerikas angerufen. Wie lange hat es gedauert und welche Opfer an Gut und Blut hat es gekostet, bis wir zu der Erkenntniss gelangt sind, dass die bundesstaatliche Einigung auf eine Gruppe von Monarchien nur vermittelst einer erblichen Vormacht zu übertragen ist, indem sich gewissermassen das föderative Prinzip dem unionistischen unterordnet. Es scheint fast, dass gleichzeitig mit den gewaltigen, Epoche machenden Resultaten der letzten Jahre insbesondere ein anderes, sicherlich, was die nationale Seite betrifft, noch näher liegendes Beispiel allzu sehr aus den Augen entschwunden war. Möglich, dass wie durch die tiefere Einsicht in das Maass der Anwendbarkeit des englischen Musters in constitutioneller Beziehung die noch vor einigen zwanzig Jahren herrschende ideale Vergötterung desselben unendlich abgekühlt, so auch die Aufmerksamkeit auf das Werden des britischen Einheitsstaats, das so überraschende Parallelen bietet, über die Gebühr zurückgedrängt worden ist.

Der Prozess der Einheitsbestrebungen des Inselreichs ist kaum minder langwierig als in Deutschland, sein endlicher Abschluss liegt noch gar nicht so weit hinter uns und wird von einer Seite, von Irland nämlich, fast unmittelbar wieder mit Auflösung bedroht, wie nach einander durch den repeal O'Connells und durch die Fenier, so vielleicht noch ernstlicher durch das sogenannte home rule movement neuesten Datums. Dagegen hatte sich um die Vormacht

England, die hier im Süden wurzelt, frühzeitig eine Anzahl kleiner Dependenzstaaten gesammelt, von denen einige, obwohl in allen wesentlichen Stücken der Centralgewalt und für gewisse Fälle auch der Gesetzgebung des herrschenden Staats unterthan, verfassungsrechtlich doch sogar bis auf diesen Tag die Spuren einer entschieden föderativen Verbindung nicht verloren haben. Denn während das Fürstenthum Wales seit Heinrich VIII. vollends auch in die parlamentarische Union mit England aufging, während gleichzeitig die letzten Reste eigener Stände in den ehemaligen Pfalzgrafschaften von Chester und Durham ihre particulare Bedeutung verloren, wird Westminster weder von den Normannen-Inseln beschickt, dem einzigen Ueberbleibsel des continentalen Herzogthums, welches mit den alten coutumes auch die eigene Vertretung bewahrt, noch von der Insel Man, die erst im vorigen Jahrhundert durch Vertrag mit ihrem letzten Unterkönige, dem Herzoge von Atholl, mit der Krone vereinigt worden ist, deren höchst eigenthümliche, bis auf die Vikinge hinaufreichende Verfassung aber bis heute ungeschwächt in der Volksversammlung auf dem Tinwald, im House of keys, fortbesteht. Viel lehrreicher jedoch als Alles dies ist das Zusammenwachsen der Hauptinsel selber, dem Jahrhunderte lang jener Antagonismus zwischen Nord und Süd, der in so merkwürdiger Weise auf Grund ethnographischer Unterschiede mehr oder weniger in der Geschichte aller grossen Culturstaaten begegnet, im Wege stand. Erst nach erbitterten Kriegen, die nicht nur internationalen, sondern eben so sehr nationalen Charakter tragen, trotz traditioneller Abneigung der Bevölkerung musste aus dem Sperren beider Theile doch schliesslich eine alle wesentlichen Zwecke erfüllende feste Einigung hervorgehen. Die Geschichte des Uebergangs von der Personal- zu der parlamentarischen Union Englands mit Schottland, das Gelingen dieses Unternehmens, welches einst als ein staatsmännischer Akt ohne Vorgang betrachtet wurde, die Gefahren, von denen es in der Folge noch bedroht werden sollte, Alles dieses bietet uns Deutschen in der Gegenwart eine solche Fülle verwandter Fragen und Lösungen, dass es beinahe auffällt, weshalb in den letzten Jahren die Geschichte jener

Hergänge bei uns kaum oder nur sehr vorübergehend berührt worden ist.

Ich will im Folgenden versuchen, sie in den Hauptmomenten kurz zusammenzufassen, und namentlich den von Schottland als dem Träger der partikularistischen Opposition erhobenen Widerstand zu schildern, wobei ich mich in der Hauptsache an das tüchtigste dort neuerdings über den Gegenstand erschienene Werk *) halte, aber doch auch hier und da auf die keineswegs sehr ausgiebigen Akten selber zurückgreife.

I.

Zunächst sei daran erinnert, wie durch die Jahrhunderte hinauf, soweit das forschende Auge dringt, eine dauernde Einigung der ganzen Insel zwar mehrfach angestrebt, aber stets gescheitert war, als ob über den sich von einander ablösenden Völkern und Stämmen noch eine hemmende, spaltende Kraft im Boden selber haftete. In jenen nordischen Strichen sah sich die Römermacht fast zu allererst genöthigt, ihre Grenzwälle Schritt für Schritt zurückzuverlegen. Der Einheitsstaat der Angelsachsen hat zur Zeit seiner kurzen Blüthe um die Mitte des zehnten Jahrhunderts den Fuss der grampischen Berge schwerlich erreicht. Die Normannen haben sich mit einer weit südlicheren Grenzlinie und höchstens mit partieller Verbreitung ihres feudalen Systems über dieselbe hinaus begnügen müssen. Die keltische Bevölkerung dagegen, die sich in Caledonien zäh behauptete, hatte sehr bedeutenden Antheil an der Abwehr der verschiedenen unitarischen Anläufe, wie sie denn selbst von den Schwärmen der skandinavischen Seezüge nur an den Rändern oder auf der Inselwelt in Nord und West berührt worden ist. Auf ihr aber beruhte eine sagenhafte Geschichte des,,alten Königreichs", eine mythische Regentenlinie, die sich über Jahrtausende zurückerstreckte, deren fürchterlich blickende Zeugen noch heute in langen Reihen von den Wänden der düsteren Gemächer Holyroods herabschauen. Aus ihr hinwiederum entsprossen unleugbar jene histori

*) John Hill Burton, History of Scotland from the revolution to the extinction of the last Jacobite insurrection (1689-1748). 2 Vols. London 1853. Pauli, Aufsätze. N. F. 2

schen Könige der Schotten, die über ihre keltischen Stammgenossen wie über die anglisch-niederdeutsche Bevölkerung Northumbriens herrschten und seit dem zwölften Jahrhundert, von normännischen Lehnsleuten und römischen Klerikern umgeben, sich dem germanisch-romanischen Kirchenwesen anbequemten. Hier zeigte sich eine seltene Hartnäckigkeit im Gegensatz der Racen und selbst in dem neuen Product aus ihrer Kreuzung: sie hat den kleineren Theil, hier den Norden, nicht wenig befähigt, sich dem Aufgehen in den mächtigen Süden erfolgreich zu widersetzen.

Im Gegensatz zu jenen keltischen Phantasiegebilden floss nun aber wirklich geschichtliches Licht längst aus den von Germanen besiedelten schottischen Niederlanden, wo nur die Sprache dialektisch, wo Leben und Sitte, privates und öffentliches Recht nur sehr geringfügig abwichen von dem angelsächsischen Grundstock der Bevölkerung in England. In jenen Niederlanden aber ist erst eine distincte schottische Nationalität gediehen seit dem vierzehnten Jahrhunderte, als sie in langem Befreiungskampfe das Joch abwälzte, welches der grosse Eduard I. mit seinen Reisigen und seinen Juristen ihr eine Weile wirklich auferlegt zu haben schien. Nur im glühenden Hass gegen den mächtigen Nachbarn, im engsten Anschluss an den Erbfeind der Engländer, den Franzosen, hat sie sich beinah noch ein halbes Jahrtausend unabhängig zu erhalten vermocht. Sehr bezeichnend, wie durch die unverbrüchliche Alliance mit Frankreich, die bei festerer Einigung der beiden streitenden Theile dem Landesverrath gleich gekommen wäre, die germanische Bevölkerung jenseits des Tweed sich der im Süden durchweg entfremdete, indem sie statt der normännischen, die sie abgewehrt, französische Institutionen sammt ihren Bezeichnungen adoptirte. Der schottische Jurist mied hinfort das gemeine Recht als ein feindliches und erwarb sich in Paris oder Bourges die Kenntniss des Corpus juris und der Pandekten. Der oberste Gerichtshof des Reichs nahm seitdem die Formen des Pariser Parlaments an; nicht Barristers und Attorneys, sondern Advocaten und Procuratoren prakticirten an demselben. Die Stände tagten gemeinsam, aber in Curien, wie in Frankreich noch zu allerletzt 1789, und nicht

in zwei Häusern wie zu Westminster. Den Stadträthen sassen nicht Mayor und Aldermen, sondern Provost und Bailies vor. Während in England alle Privatjustiz vor der Krone gänzlich gewichen war, behauptete sich die Patrimonialgerichtsbarkeit der schottischen Feudalherren in grosser Ueppigkeit und erinnerte vielfach an die Zustände des Festlands. Wie ähnlich ihren stolzen französischen Amtsbrüdern traten doch auch in Schottland zur katholischen Zeit die hohen geistlichen Würdenträger auf, wie gemahnt der Stil ihrer Bauten in Kirche und Schloss an das Prototyp zwischen Seine und Loire. Ja, sogar der erste Sturm der reformatorischen Erhebung, in welchem Edelleute und Kleriker das treibende Moment waren, trägt viel vom Charakter der Hugenottenkriege an sich. Allein gerade in diesem Zeitalter gab sich der fremde Einfluss doch als ein sehr oberflächlicher kund, der zwar die Aristokratie und ihre Staatsordnungen ergriffen hatte, aber keineswegs bis zum Herzen des Volks durchgedrungen war. Dasselbe wurde viel weniger verwälscht, als sich erwarten liess. Die furchtbare Zerstörung, welche an dem römisch-kirchlichen Institut vollzogen wurde, die demokratisch-presbyterianische Pflanzung, welche John Knox, indem er die Eulen mitsammt den Nestern ausheben hiess, an die Stelle setzte, sie erzielten hier nicht nur eine viel vollständigere religiöse Umwälzung als in England, sondern sie waren eben so sehr gegen die französische, katholisch bleibende Einwirkung gerichtet. Freilich die Formen des Staatswesens blieben nichtsdestoweniger dieselben, obschon es mitunter so aussah, als sei Alles zur Republik reif wie in Flandern und Holland. Dem Charakter nach wenigstens despotischer als die englischen, haben jene Formen in der Folge einigermassen dazu beigetragen, die Dynastie der Stuarts, die niemals durch die Generationen hin dem Sturm und Drang des eigenen Geschicks entwuchs, zu einem verzweifelten Attentat der Willkür nach dem anderen anzuspornen; dieselbe Dynastie, der endlich kraft ihres Erbrechts die reiche, machtvolle Krone Englands zufiel, die, als Jacob I. frohlockend in das Land Gosen hinüberzog, hinfort nur über ein einziges, politisch und kirchlich ungetrenntes Grossbritannien herrschen

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