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Die volkswirthschaftlichen Zustände des Königreichs Hannover

in Hinblick auf den Anschluss desselben an den Zollverein.

Von G. Hanssen.

Der September - Vertrag rief in Hannover eine starke Aufregung hervor. Aus den mannigfaltigsten Gründen und von den verschiedensten Standpunkten aus wurde gegen das, schwerlich auf einem anderen als dem eingeschlagenen Wege allmählig zu Stande zu bringende Werk der deutschen Zoll- und HandelsEinigung mit der grössten Leidenschaftlichkeit agitirt 1).

Politische Partikularisten sahen für die Zukunft die politische Selbstständigkeit Hannovers gefährdet, die in Wirklichkeit auch jetzt nicht existirt, und fürchteten Preussens Uebergewicht, welches doch, soweit fühlbar, von ganz anderen Umständen als der Zollvereinsverfassung abhängt, durch die Preussen selber verhältnissmässig am meisten beschränkt ist. Mit in die Wagschale geworfen

1) Der Verfasser trat dieser Agitation im Herbste 1851 mit einer Reihe von Artikeln in der Weser-Zeitung entgegen, welche den Vertrag nach seiner finanziellen und nationalökonomischen Bedeutung für Hannover beleuchteten. So weit diese Artikel die nationalökonomische Seite der Frage betreffen (worauf wir uns hier beschränken wollen), haben sie, da der Thatbestand seitdem nicht verändert worden und neue Data von Bedeutung bis jetzt nicht vorliegen, der Abfassung des folgenden Aufsatzes zum Grunde gelegt werden können. Es braucht kaum bemerkt zu werden, dass die Betrachtungen, welche hier zunächst nur in Bezug auf das Königreich Hannover angestellt werden, mit wenigen Modifikationen auch auf die übrigen Bestandtheile des bisherigen Steuervereins, das Herzogthum Oldenburg und das Fürstenthum Schaumburg-Lippe Anwendung leiden.

ward in Erinnerung älterer leidiger Vorgänge eingewurzeltes Misstrauen und noch nicht verjährter Hass gegen Preussen, als ob es sich auch jetzt nur um eine preussische Affaire zu einseitigen Gunsten Preussens handelte.

Die österreichische Partei im Lande glaubte bei den damaligen politischen Wirren aus Rücksicht auf Oesterreich die commercielle Verbindung mit Preussen verhindern zu müssen, obwohl Oesterreichs späterer, wenn überhaupt möglicher Anschluss durch den Vertrag nicht erschwert sondern erleichtert ward.

Vereinzelte politische Doctrinairs vindicirten die deutsche Zoll- und Handels- Einigung beharrlich dem Bundestage, dessen Ohnmacht in dieser Aufgabe doch so alt ist, als der Artikel 19 der Bundesakte selber.

Die Grundherrlichkeit und die Bureaukratie, durch die Verfassungs- und Verwaltungs-Aenderungen tief verletzt, sahen in der ständischen Verwerfung des Vertrages das geeignetste Mittel zum Sturze des Ministeriums.

Für Rentiers und Besoldete war schon der höhere Eingangszoll auf Wein und Colonialwaaren ein genügender Grund der Abneigung.

Aus nicht wenigen Städten und Gegenden wurden von Magistrat und Bürgerschaft, vom Handels- und Gewerbestande, auch von landwirthschaftlichen Vereinen an Regierung und Stände die dringendsten Petitionen gegen den Zollanschluss erlassen. Eine unerträgliche Schutzzollvertheuerung werde als „Tribut an die zollvereinsländischen Fabrikanten 66 zum Nachtheile der hannoverschen Consumenten eintreten. Und in entgegengesetzter Richtung: Hannover werde zum Ruine der eigenen Industrie mit den wohlfeileren zollvereinsländischen Fabrikaten überschwemmt werden. Sodann durch die hohen Eingangszölle werde der ausländische Handel Hannovers erschwert, in einigen Branchen gänzlich vernichtet werden u. s. w.

Man stösst in diesen Petitionen auf die düstersten Schilderungen einer unglückseligen Zukunft Hannovers, als ob die ganze Volkswirthschaft des Landes einer totalen Zerrüttung ausgesetzt würde! Solche Schilderungen liessen sich allerdings zum nicht geringen Theile auf die wirkliche oder vermeintliche Verletzung

der Interessen einzelner Orte oder specieller Geschäftszweige zurückführen und konnten allgemeine Gültigkeit schon deswegen nicht in Anspruch nehmen, weil ihnen andere Petitionen gegenüberstanden, welche im Interesse anderer Orte oder anderer Geschäftszweige für die Handels- und Zolleinigung sich aussprachen. Aber bei vielen achtungswerthen Männern aller Stände war doch die Stimmung gegen den Anschluss nicht in ihrer Sorge für die eigenen Interessen, sondern in ihrer Theilnahme an der für gefährdet erachteten Lage ihres Landes und Volkes zu suchen. Und läugnen lässt sich nicht, dass, als die Stände zur Berathung des September-Vertrages zusammentraten, die öffentliche Meinung im Königreiche überwiegend gegen die Genehmigung des Vertrages war, welche denn auch vielerwärts mit grossem Unwillen aufgenommen worden ist.

Die Hannoveraner sollen aus der Abgeschlossenheit ihres niedrigen Zollsystems in die Gemeinschaft eines höheren Zollsystems und eines grossen Binnenmarktes treten.

Man kennt und übersieht die bisherigen volkswirthschaftlichen Zustände, in denen man sich grösstentheils ganz leidlich befand. Was die Zukunft unter ganz anderen Umständen bringen wird, weiss man nicht. In solcher Ungewissheit lassen sich die meisten Menschen mehr von Furcht als von Hoffnung beherrschen. Die möglichen Nachtheile im Einzelnen sieht man schärfer, als die wahrscheinlichen Vortheile im Ganzen, und vorübergehende Störungen während der Uebergangsperiode erscheinen vor den Augen der Betheiligten als dauernde Calamitäten.

Das Gewirre laut gewordener Besorgnisse lässt sich im Vorwege kaum anders widerlegen, als durch Hinweisung auf die constante Erfahrung, dass all dieses Angst- und Nothgeschrei den successiven Anschlüssen der einzelnen Zollvereinsstaaten fast durchgängig vorausgegangen ist und dass nachher wenige Jahre hinreichten, um das Grundlose oder Uebertriebene der Befürchtungen darzuthun, die überwiegenden Vortheile zur Geltung gelangen zu lassen, die bleibenden Nachtheile auf ein möglichst geringes Maass zu beschränken.

Opponirt gegen den Anschluss, und zwar immer in angeblicher Wahrnehmung der allgemeineren Landes-Interessen, wurde

ebensowohl in Staaten, welche damals schon industriell mehr entwickelt waren, als Hannover es bis jetzt ist, als auch in solchen Staaten, welche man damals mit gleichem Rechte oder mit grösserem Rechte zu den Agrikulturländern rechnen konnte, als Hannover gegenwärtig noch dazu gerechnet werden darf; in Staaten, welche bis dahin höhere, und in Staaten, welche bis dahin niedrigere Zollsätze hatten, als diejenigen sind, in welche die Hannoveraner sich eingelebt und eingewirthschaftet haben.

Die, welche zu verlieren glaubten, gebehrdeten sich um desto ungestümer, je schweigsamer sich die verhielten, welche zu gewinnen hofften, bis am Ende die Abstimmung in den Ständeversammlungen nach besonnener Prüfung der Regierungsvorlagen ein ganz anderes Resultat ergab, als die öffentliche Meinung, wie sie sich bis zur Entscheidung geltend gemacht hatte, voraussetzen liess.

Man braucht nur aus einer Anzahl deutscher Staaten die betreffenden Zeitungsartikel, die Eingaben gewerblicher und anderer Corporationen, die ständischen Oppositionsreden u. s. w. aus den dreissiger Jahren nachzulesen und zusammenzustellen, um fast wörtlich den Inhalt der hannoverschen Contrapetitionen wiederzufinden; aber die öffentliche Meinung hat sich durch die Erfahrung selber bald bekehren lassen und viele Landwirthe, Fabrikanten, Kaufleute, Ständemitglieder, Journalisten u. s. w. lassen sich nur ungern an ihre damaligen Aeusserungen erinnern 1).

Schon 1833 gaben hessendarmstädtische Männer in einer Besprechung mit angesehenen Ständemitgliedern aus Württemberg und Baden über die Räthlichkeit des Anschlusses dieser Staaten die Erklärung ab, dass die fünf Jahre früher erfolgte Zolleinigung Hessen-Darmstadts mit Preussen für ihr Heimathland bereits als materiell günstig sich erwiesen habe. Und doch konnte HessenDarmstadt erst später durch den Anschluss von Baiern, Württem

1) Interessante Mittheilungen über diesen Gang der Dinge findet man in dem vortrefflichen, meist aus der Feder des Professor Wurm geflossenen Commissionsberichte der hamburgischen Gesellschaft zur Beförderung der Künste und nützlichen Gewerbe, veröffentlicht unter dem Titel: „Die Aufgabe der Hansestädte gegenüber dem deutschen Zollvereine, sowie in Bezug auf eine gemeinsame deutsche Handelspolitik. Hamburg 1847."

berg, Baden, Nassau, Frankfurt völlig freie Bewegung in seinen nächsten Umgebungen gewinnen.

In den württembergischen Kammern erhob sich anfangs eine sehr scharfe und heftige Opposition. Ein hervorragendes Mitglied der zweiten Kammer (ein späterer Minister) erklärte sich gegen den Anschluss, weil Württemberg in politischer Hinsicht offenbar nichts gewinne, die commerciellen Vortheile noch ungewiss, mehrere sehr erhebliche Nachtheile aber gewiss seien. Ein anderes gleichfalls bedeutendes Mitglied fand die Idee, Deutschlands Verkehrseinheit zu verwirklichen, zwar lobenswerth; aber einer solchen Idee dürften denn doch die materiellen und politischen Interessen Württembergs nicht zum Opfer gebracht werden; der Activhandel Württembergs sei auf Frankreich und die Schweiz angewiesen und könne durch den Anschluss nicht befördert werden. Die Industrie der Rheinlande sei längst erstarkt und die erwachende noch in der Kindheit befindliche Industrie Württembergs solle nun durch unerschwingliche Verbrauchsstenern niedergedrückt und dazu der mächtigen Concurrenz der Rheinlande schutzlos preisgegeben werden ').

Man vergleiche mit dieser Prophezeiung folgende Stelle in Memmingers Beschreibung von Württemberg (3te Auflage, p. 483, erschienen 1841):

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Wir (Württemberger) hören immer mehr auf, Produkte und Rohstoffe, so weit sie der Verarbeitung und Veredelung im eigenen Lande fähig sind, auszuführen und führen mehr Rohstoffe und Naturerzeugnisse ein, theils um sie zu verarbeiten, theils um sie zu consumiren. Wenn zugleich wahrzunehmen ist, dass die Einfuhr an Gewerbserzeugnissen im Abnehmen, die Ausfuhr

1) Der erwähnte Hamburger Commissionsbericht referirt ausführlicher über jene Kammerverhandlungen und kann dabei die Frage nicht unterdrücken, mit welchen Betrachtungen die Männer der Opposition nach 12 Jahren der Erfahrung auf ihre Urtheile über das damals noch nicht Erprobte wohl zurückblicken möchten. Der Bericht macht zugleich auf die merkwürdige Erscheinung aufmerksam, dass dieselbe Kammer und in der Kammer grösstentheils dieselben Redner, welche damals gegen die hohen Sätze des preussischen Tarifs sich erklärten, in jüngster Zeit dem Zollvereine seine Lässigkeit in Steigerung der Schutzzölle eifernd vorgeworfen.

Zeitschr. für Staatsw. 1-53. 3s Heft.

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