Зображення сторінки
PDF
ePub

auf unfere ganze Lebenszeit wirksamen,unveränderlichen Grundfatze anzutreiben, und unfere Tugend feft zu stellen, V. 290.

IV. Tugend und Lafter find in unferer gemischten Natur miteinander verbunden; Die Grenzen Stoßen aneinander, doch fällt der Unterschied von beyden deutlich in die Augen. Was die Vernunft dabey für eine Pflicht auf fich habe, . 331. bis

350.

V. Wie ungeftalt und verbaßßt das Lafter an fich felbft fey, wie wir uns aber von demselben nach und nach hintergeben und einnehmen lassen, V. 351.

VI. Daß dennoch unfere Leidenschaften und Unvollkommenheiten zu Erreichung der Endzwecke der Vorfebung, und zu dem allgemeinen Beften mit einftimmen, . 383. &c. Wie nützlich fie unter alle Stände der Menschen ausgetheilet find, . 390. Sie befördern das Wohl der Gefellschaft, v. 405. und jedes Menschen an und für fich felbft, V. 423. in jedem Stande, und jedem Alter diefes Lebens, . 443. &c.

Ꭲ ;

I.

ZWEYTER BRIEF.

Dich demnach einzufchaun mußt du dich nun erniedern,

S

Las ab der Gottheit Thun zu meffen, zu zergliedern.
Komm, und verfuche nur an dir erft deine Kraft;
Für Menschen ift der Menfch die rechte Wissenschaft.
In einen Mittelftand der Wefen eingefchaltet,
Ein Embryo, noch nicht in Deutlichkeit entfaltet,
Ein Werk von Meifterhand, groß, aber unvollbracht;
Gleich da, wo Thier und Geift den fchmalen Ifthmus macht,
Vom Schickfal ausgefchifft; hier von der Nacht umflossen,
Dort von dem nahen Licht; im Engen eingefchloffen,
An Ausficht unbegrenzt. Ein Fremdling und woher?
Zu fchwach und ungewiß zum Stolz der Stoiker,
Zu groß, zu überzeugt zum fceptischen Nichtwiffen,
Für beyde zweifelhaft, zu beyden hingerissen.

--

10

Er fieht den Scheideweg, er ftutzt; was foll er thun? is
Soll er mit Wirkfamkeit fich regen? soll er ruhn?
Soll er gleich einem Gott fich zu dem Himmel zehlen?
Soll er dem Thiere gleich den Stand der Thiere wehlen?
Soll er mehr auf den Leib, mehr auf die Seele fehn?.
Gebohren zu dem Tod foll er da fille ftehn?

20

Ihm fchmeichelt die Vernunft: er urtheilt, um zu irren. Zu ftolze Wiffenfchaft, gemacht fich zu verwirren! Allein unwiffend auch ift er wohl beffer dran

Bey ungeübtem Sinn, bey Vorurtheil und Wahn?
Bald denket er zu viel, bald denket er zu wenig;

25

Ein Knecht der Leidenfchaft, durch den Verftand ein König,

30

39

[ocr errors]

40

Von beyden in der That ein Chaos voller Nacht;
Verleitet durch fich felbit, durch fich zurück gebracht;
Halb aufzuftelin beftimmt, und halb beftimmt zu fällen:
Er, aller Dinge Fürft und auch der Raub von allen,
Rein, wie die Geifter felbft, mehr thierifch als das Thier,
An himmlifchem Begriff, an irdifcher Begier :
Der Wahrheit einziger entfcheidend großer Richter,
Dem Irrthum zugeführt durch trügerische Lichter,
Voli kühner Zuverlicht auf leicht verfehlter Spur:
Das Meisterstück, das Spiel, das Räthfel der Natur. ^^~
Der Neugier dargestellt, zum Widerspruch erlesen,
Vom Weifen unterfucht, bewundernswürdig Wefen!
Dir gleicht kein anders Thier; reiß dich von ihnen los,
Auf, zeige wer du bift, und fey durch Wiffen groß!
Gen hin und wäg die Luft, und geh und miß die Erde',
Gib dein Gesetz dem Meer, daß Flut und Ebbe werde;
Bald zeichne jedes Gleis nach wohlerdachtem Plan
Dem Wandelfterne vor, und geh und weis ihn an;
Bald dringe durch die Nacht der längst vergeßinen Zeiten, 45
Den Sieg der Rechenkunft auch dorthin auszubreiten;
Gebeut der Sonne felbft: Bald aber, wann vielleicht
Dieß alles deinem Geift an Größe noch nicht gleicht,
Erhebe deinen Flug und fteig auf kühner Lehre
Dem großen Plato nach bis zu der Feuerfphäre 2
Zu jenem erften Quell von dem was gut, was schön
Und was vollkommen ift. Wie, oder willft du gehn
Wohin dich an der Hand des Plato Schüler leiten ?
In jenes Labyrinth geweyhter Dunkelheiten,
Wo man den Sinn entfagt, und dieß Gott gleichen nennt?
Wie jener Schwärmer auch, der Mönch in Orient,
Der Sonne gleich zu feyn das Haupt im Wirbel wendet,
Und einen Kreis umläuft, den bald der Schwindel endet.
Geh hin und zeichne Gott der Welten Grundriß vor
Dann kehr in dich zurück, und fey dir felbft ein Thor, 60

56

Der ausgegangne Ruf von unferm großen Meister
In aller Wiffenschaft kam vor die obern Geister;
Sie ftutzten in der That; und oft in ihrem Chor,
Wie wir mit Affen thun, wies man den Newton vor.

70

Zwar des Cometen Flug kannft du an Regeln binden; 65 Kannst du dein Denken auch und deffen Schwung ergründen? Ihn, wie er hier entbrennt, dort blaß hinunter steigt, Ihn, wo er naht und flieht, haft du der Welt gezeigt: Des eignen Laufes Art, dein Auf-dein Niedergehen, O Newton, möchtest du dieß eben fo verstehen! Wir, die wir überall von fo viel Einficht find, Warum find wir denn nur uns zu erkennen blind? Was Wunder? die Vernunft, wann viele Fähigkeiten Den hochgesinnten Geist von Kunft zu Kunst begleiten, Geht da gemächlich fort: fo leicht gelingt ihr nicht Den Menfchen einzuschaun, ein Werk von schwerer Pflicht; Und läßt fie etwa fich in diese Tiefen nieder, So trennt die Leidenfchaft, was jene webet, wieder.

So weiche demnach nie von der Befcheidenheit, Entfag der Mummerey gelehrter Eitelkeit:

75

Leg ab den falfchen Bart, die Fransen und die Falten,
Stets anders aber nie gemacht uns warm zu halten;
Die Griffe, wo dein Hirn die letzten Kräfte wagt,
Die Neugier kützeln will, und fich nur finnreich plagt.
Streich diefe Summen aus, und schneide weg die Sproffen, $5
Wo, wann die Künfte nun in wilden Auswuchs fchoffen,
Das Lafter um fich greift: dann fiehe, was noch bleibt
Ein kleiner Rest! doch der zu vieler Frucht bekleibt,
Die Wahrheit heller macht, Gefchmack und Sitten läutert,
Die Väter übertrifft, der Enkel Glück erweitert.

II. Zwey Führer leiten uns auf dieser Lebensbahn.
Die Eigenliebe treibt, und die Vernunft hält an.
Man nenne die nicht gut, und jene dort nicht böse.
Laß jeder ihren Werth; auch die hat ihre Blöße.

Indeffen bleibe gleich uns allen angestammt
Betreiben ihren Zweck, und jede thut ihr Amt,
In allem, was wir nur beginnen und vollführen,
Der Antrieb theils zu feyn, und theils uns zu regieren.
Folg ihnen, aber auch in ihnen der Natur;
Sie bleiben rein im Quell, der Ausfluß ändert nur;
In alles gute wird der wahre fich ergießen,
In Uebel kann er nur entartet überfließen.

95

100

106

Selbftliebe! großer Trieb, mit regender Gewalt
Belebeft du den Lauf; da bey dem Werke kalt
Dein Nachbar, die Vernunft, ftets nach Vergleichung schaltet,
Eins zu dem andern hält und über alles waltet.
Wir fehen, beyde find dem Menfchen weTentlich;
Zernicht auch eine nur, und du zernichteft dich:
Nimm jene weg, dir ift die Wirkfamkeit entriffen;
Nimm diefe, wirft du wohl ein Ziel der Thaten wiffen 116
Bey aller Wirksamkeit? Dort, nur der Pflanze gleich,
Die feft an ihrem Grund im ftillen Blumenreich

Die Nahrung an fich zieht, fich fortpflanzt, endlich modert;
Hier, gleich dem Meteor, das in dem Dunkeln lodert,
Durch kein Gesetz geführt, auf keinen Zweck gekehrt, 115
Nur zum Zerstören kark, zuletzt durch fich zerstört.
Dem Antriebsgrunde find mehr Kräfte zugetheilet,
Er foll geschäftig feyn; er spornet uns, er eilet:
Da der Vergleichungsgrund mehr ruhig, mehr gesetzt,
Den wilden Lauf bezäumt; er warnet, prüfet, fchätzt. 120
Mehr kräftig, nach dem Maaß der nähern Gegenstände
Wirkt jener diefer mehr in Durchficht auf das Ende,
Das in der Ferne fchwebt. Ein gegenwärtig Gut
Unmittelbar gefühlt fetzt jenen in die Glut:
Da die Vernunft indeß mehr auf die Zukunft zielet,
Und weiter Folgen Reih als gegenwärtig fühlet.
Mit ungeftümmem Schwall dringt die Verfuchung an,
Wo der Vernunftschluß kaum fich einzeln weifen kann:

125

« НазадПродовжити »