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weiter unten stehende Ausruf der Barronne: "Mais c'est un trésor, que ce garçon" nicht unerklärlich. Und wer denkt nicht an Frau von Warens und den jungen Rousseau, wenn die Baronne zu dem Jungen sagt: "Kommen Sie zu mir, und oft, ich will Ihre Freundin seyn, Ihnen rathen, Sie von Verführung wahren, die nun von allen Seiten auf Sie lauern wird."

Im Orpheus (iv, 13) findet sich der folgende Satz: "Es war nur ein Jean Jacques Rousseau."

In Fausts Leben (iii, 260) der folgende: "Ich wollte hier nur soviel sagen, dass Rousseau einiges Recht hat, wenn er von Voltaire sagt: "que Voltaire, en paroissant croire en Dieu, n'a réellement jamais cru qu'au diable."

In der ganz von Rousseauschem Geiste erfüllten Geschichte eines Teutschen finden wir den Genfer Philosophen mehr als ein Dutzendmal erwähnt.

Am Tage seiner Abreise sendet Hadem seinem Schüler den Émile, in welches Buch er folgende Worte geschrieben hatte:

"Der Jüngling, der keinen Führer hat, wähle diesen. Er wird ihn sicher durch das Labyrinth des Lebens leiten, ihn mit Stärke ausrüsten, den Kampf mit dem Schicksale und den Menschen zu bestehen. Diese Bücher sind unter der Eingebung der lautersten Tugend, der reinsten Wahrheit geschrieben; sie enthalten eine neue Offenbarung der Natur, die ihrem Lieblinge ihre heiligsten Geheimnisse zu einer Zeit entschleyerte, da die Menschen sie bis auf die Ahndung verloren zu haben schienen."

Klinger nimmt diese Gelegenheit wahr, seinem Lieblingsphilosophen einen wahren Lobeshymnus zu singen. Derselbe beginnt: "Es war das erste Buch unseres Jahrhunderts, das erste Buch der neueren Zeit," etc. (viii, 97 f.).

Auf Seite 102, Bd. I, zitiert Ernst den bekannten Anfang des Émile: 'Alles ist gut, wie es aus den Händen des Urhebers kommt, u. S. W. Ganz wie Klinger ist auch Ernst in dem Französischen noch nicht sehr stark, so entziffert er mit vieler Mühe die ersten Worte dieses Buches, und nur um den Émile zu lesen, ist ihm Renot, dessen Prinzipien ihm verhasst sind, als Erzieher willkommen. Er sagt zu Renot, das Buch betreffend (viii, 136): "Hier sehen Sie meinen Führer und Freund; in dieser Verlassenschaft Hadems ruhet sein Geist und meine Stärke."

An anderer Stelle (viii, 130) wird Rousseau "Priester der Natur" genannt.

Oft gedenkt Ernst des Philosophen in seinen Briefen an Hadem:

"Und denken Sie, wie ich in der Stille meines Herzens für den Führer dankte, dem Sie mich anvertrauten! . . . So übergiebt der schützende Genius den ihn anvertrauten eben verschiedenen Gerechten einem Engel. . . . Er hat mich geleitet, er hat den jungen ganz verlassenen Kämpfer ausgerüstet mit Stärke, er hat ihm wieder Mut eingeflösst auf der Bahn, auf welcher er einen Augenblick wankte" (viii, 150).

'Ich fliehe oft den Tumult dieser grossen Stadt [Paris], um mich dem Nachsinnen dessen zu überlassen, was täglich vor meinen Augen vorgeht; und oft flüchte ich mich auf die ruhige selige Insel, welche die Gebeine des Mannes in sich schliesst, dessen Leitung Sie mich anvertraut haben. Mit welchem Gefühle der Rührung und des Dankes ich zum erstenmale sein Grab begrüsste, denken Sie wohl. Diese Insel war der letzte Zufluchtsort des verfolgten Priesters der Natur und der Wahrheit. . . Hier, an seinem Grabe schwor ich, seiner Lehre treu zu bleiben, und alle widrigen, empörenden Erscheinungen um mich her mit dem Gedanken zu bekämpfen: 'Die Natur machte den Menschen gut; in dem Augenblick, da er sie verliess, hörte er auf, es zu seyn''' (viii, 158).

Ferner auch Hadem an Ernst (viii, 227):

"Gesegnet sey die Asche des Mannes, dem ich Sie in jener Bedrängniss übergeben konnte! Gesegnet sey der Augenblick, dass er mir, dem so sehr Bekümmerten, damahls erschien, und mir zulispelte: 'Übergieb mir den Liebling deines Herzens; ich will dir ihn erhalten, wie du mir ihn übergiebst.' . . . Er schloss ihnen ganz den Tempel der Natur, der Menschheit und der Wahrheit auf."

Gegen den Verdacht einer oberflächlichen Schwärmerei für Rousseau glaubt der Dichter den Helden des Romans folgendermassen in Schutz nehmen zu müssen :

"Man glaube darum nicht, Ernst habe seinen Lehrer so verstanden, wie ihn mancher verstanden hat, und noch versteht, als müsse man diese selige Heimath in dem wilden Zustande suchen, der darum dem Menschen nicht allein und vorzüglich eigen und natürlich seyn kann, weil er in demselben seine hohe Würde, die seinen Ursprung allein beweiset, nie entwickeln konnte. Nachdem er die übrigen Schriften seines Lehrers gelesen hatte, die alle nur ein Geist durchhaucht, uns zu einem zusammenhängenden Ganzen verbindet, wovon jeder Theil zu einer Stufe des Tempels der Wahrheit dient, sahe er klar ein, dass die oft wild und übertrieben scheinenden Gedanken des begeisterten Künstlers, der dieses erhabene Gebäude aufführte, nur deshalb dastehen, weil sie das entgegen stehende Gerüst des Wahnes, der Thorheit, Eitelkeit und Eigenmacht in seiner elenden Blösse zeigen sollen" (viii, 147).

Sehr characteristisch für die Absichten des Dichters ist es, dass er seine Lieblingsfiguren in dem Roman, Ernst und Hadem, als überzeugte Rousseauaner hinstellt, während die weniger sympathischen Charaktere geschworene Feinde des Genfers sind. So heisst es (viii, 115): "Ernst fühlte wohl, Hadem würde ihm Rousseau nicht gesandt haben seine Stelle zu vertreten, wenn er der Liebling dieses Mannes wäre."

Mit dem "Manne" ist der französische Abenteurer und spätere Hauslehrer gemeint, der sich denn auch den Voraussetzungen Hadems entsprechend über Rousseau und dessen Bücher folgendermassen äussert (viii, 136 f.): "Wissen Sie wohl, dass diese Bücher das gefährlichste Gift gegen die Religion enthalten... Das einzige, was mir zu wünschen übrig bleibt, ist, dass Sie sein Schicksal nicht treffen möge,-allen Menschen lächerlich, von allen gehasst und verfolgt zu seyn."

Desgleichen weiter unten (viii, 138): "Sein gewählter Führer hat, so viel ich weiss, noch keinem Menschen genutzt."

"Erst jetzt vertraute Renot dem Präsidenten, warum er nicht auf Ernsten so habe wirken können, wie er gewünscht hatte. Rousseaus Schriften, die nun in Frankreich den Aufruhr entzündet hatten, waren Schuld daran" (viii, 250).

Die folgende Auslassung erfolgt von Seiten des Präsidenten an seinen Neffen, Ernst (viii, 307): "Ihre Rede würde sich übrigens in einem gewissen Klub in Paris recht gut ausnehmen, und sie ist Ihres Lehrers, des mehr berüchtigten, als berühmten Rousseaus werth. Doch was Frankreich ihm verdankt, wollen wir ihm nicht verdanken."

Aber den Sieg Rousseaus in den Herzen der beiden Freunde und dem unseres Dichters deutet der Schluss des Romans an (viii, 382).

Hadem-Und Rousseau!

"Rousseau!" antwortete Ernst-und aus den labyrinthischen Felsengängen der Höhle hallte es zurück, als antwortete die Ewigkeit.

Selbstverständlich taucht Rousseau in den Betrachtungen und Gedanken, dem letzten Werke Klingers, wiederholt auf.

19. Voltaire, Montesquieu, Rousseau, Mably, Diderot, die Oeconomisten und Encyclopaedisten, sollen durch ihre Schriften die französische Revo

lution geschaffen haben; so sprechen die Ausgewanderten, und wer nicht denken kann oder mag, ihnen nach.

89. Ich sag in ganzem Ernste, dass kein Volk Europas bessere Erziehungs- und Unterrichtsbücher hat, als das deutsche. Sie haben Rousseaus Winke vortrefflich benutzt, und geht es so fort, so muss das deutsche Volk nicht allein das unterrichtetste, sondern auch das wohlerzogenste auf dem Erdboden werden.

861. Wenn ich einen Mann von Geist und Gefühl, der sonst in einer leidlichen Lage ist, über die Wirklichkeit murren und düster aufwärts blicken sehe, möcht' ich ihm immer zurufen: Hat er nicht für dich gesorgt, da er Geister wie Plato, Epikur, Bacon, Hobbes, Voltaire, Rousseau, Buffon, Bailly, Homer, Shakespeare, Milton und Klopstock erschuf?

Unbedingte Anerkennung zollt der Dichter in den oben angeführten Sätzen seinem Philosophen. Die nachfolgenden Stellen jedoch beweisen, dass der gereifte Mann an seinem Idol auch Kritik zu üben gelernt hatte.

290. Jean Jacques Rousseau stellt in seinem Contrat Social eine allgemeine, bisher verschleierte Wahrheit auf, die souveraineté des Volkes, ohne dabei zu denken, aus welchen Geschöpfen dieser Souverain zusammengesetzt ist. Die Erfahrung hat uns den Werth dieser Wahrheit auf das Allgemeine kennen gelehrt.

305. Hätte Jean Jacques Roussean die Werke, die ihn mit Recht so berühmt gemacht, in früheren Jahren geschrieben, er würde wahrscheinlich weniger Thorheiten begangen, und die Eigenliebe schwacher, schaaler Geister dadurch wenig gekitzelt haben; denn nur solche ergötzten sich an den Schwachheiten berühmter Männer. Die Bewunderung Rousseaus, mehr in sich zu finden, als er in sich suchte und vermuthete-auf einmal so mächtig über andern Genies seiner Zeit hervorzuragen-eine Theilnahme ganz neuer Art zu erwecken-machte ihn vor seinen Augen übergross, überwichtig. Er konnte sich in ein Geschick nicht finden, an das er sich in Beziehung auf die Welt, und durch sie auf sich selbst, noch nicht zu gewöhnen gelernt hatte. Er ward zu plötzlich ein Glückskind in der Geisterwelt, und schnell aufgeschossene Glückskinder, von welcher Welt sie seyen, finden sich selten in ihre Lage; sie sind meistens noch schneller überrascht, als sie andere überraschen.

409. Der Mensch fängt nur dann an unglücklich-oder des Unglücks fähig zu werden, wenn ihm die moralische Welt aufgeht. Welch' ein Text! Rousseau hat ihn durchgeführt und er war das Thema seines ganzen denkenden Lebens. Ich wundere mich nicht, dass er hier zu weit ging-er sah nur sich selbst-den Mann nämlich, der so wie er über den moralischen und politischen Menschen dachte-in dem physischen Naturmenschen. . . . So fand sich natürlich der edle Rousseau in dem Falle jener philosophischen Dichter; aber der Hauptsatz, von dem ich ausging, bleibt unerschütterlich wahr-für mich nämlich.

721. Ich werde mit den Philosophen von Rousseaus Geistesart alle moralischen Übel und alle Laster, womit sich die Menschen besudeln, der Gesellschaft allein zuschreiben, wenn ich keine Tugend-oder den Schein nicht mehr sehen werde.

562. Die Dichter, die soviel vom Plato reden, müssten ihn lesen, um sich für immer von dem Kitzel zu heilen, als philosophische Forscher vor uns gedruckt aufzutreten. Rousseau nannte ihn ein schönes Genie; er las in ihm die schönen Träume, in denen er selber manches schrieb.

589. Rousseau ist kein Philosoph.

Also auch schon Klinger ahnte, dass Rousseau, trotz aller ihm entgegengebrachten Verehrung von der Nachwelt ein Träumer und Schwärmer genannt werden und in der Geschichte der Philosophie ein nur bescheidenes Plätzchen erhalten würde.

III. ROUSSEAUSCHE ANSCHAUUNGEN BEI KLINGER

A. SELBSTLIEBE UND EIGENLIEBE

Der Kern der ganzen Rousseauschen Philosophie liegt in dem von ihm festgelegten Gegensatz zwischen Selbstliebe (amour de soi) und Eigenliebe (amour propre). Alle anderen Prinzipien seines Denkens lassen sich von diesen beiden Begriffen ableiten oder ihnen unterordnen.

Rousseau definiert dieselben in seinem Émile wie folgt:1

La source de nos passions, l'origine et le principe de toutes les autres, la seule qui naît avec l'homme et ne le quitte jamais tant qu'il vit, est l'amour de soi: passion primitive, innée, antérieure à toute autre, et dont toutes les autres ne sont, en un sens, que des modifications.

L'amour de soi-même est toujours bon, et toujours conforme à l'ordre. Chacun étant chargé spécialement de sa propre conservation, le premier et le plus important de ses soins est et doit être d'y veiller sans cesse.

Il faut donc que nous nous aimions pour nous conserver; il faut que nous nous aimions plus que toute chose; et, par une suite immédiate du même sentiment, nous aimons ce qui nous conserve.

L'amour de soi, qui ne regarde qu'à nous, est content quand nos vrais besoins sont satisfaits: mais l'amour propre, qui se compare, n'est jamais content et ne sauroit l'être, parce que ce sentiment, en nous préférant aux autres, exige aussi

que les autres nous préfèrent à eux; ce qui est impossible. Voilà comment les passions douces

et affectueuses naissent de l'amour de soi, et comment les passions haineuses et irascibles naissent de l'amour propre. Ainsi, ce qui rend

1 Emile, iv, 7 ff.

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