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Lehnsherrn, der Fürst seinem Volke den Rücken. Die Klöster füllten sich wie niemals früher, eine Menge neuer Orden entstanden, die Sagungen und Uebungen wurden auf das höchste Maaß der Entbehrung und Kasteiung gesteigert. Bald genügte auch die klösterliche Stille noch nicht dem wachsenden Drange, aus Welt und Menschenleben zu entrinnen. Man suchte das Dunkel des Waldes, die Einsamkeit des Gebirges, die unwegsamste Einöde auf, um in völliger Abgeschiedenheit den Körper abzutödten, und den Sinn mit ungestörter Inbrunst auf unmittelbaren Verkehr mit Gott, mit seinen Engeln und Heiligen zu richten. Man versenkte sich mit krampfhafter Angst in das Bewußtsein der eigenen Sünde, man durchwachte eine Nacht nach der anderen in athemlosem Flehen nach Erleuchtung und Gnade, man trieb die glühende Phantasie in rastlosem Wechsel durch alle Bilder dämonischer Pein und göttlicher Beseligung hindurch, bis dann endlich ein Augenblick der Erschöpfung und der Entzückung eintrat, und erquickende, leuchtende Visionen dem ringenden Herzen die Gewißheit eines göttlichen Bundes gaben. Wer den Charakter und die Thaten jener Zeit vers stehen will, darf das Bild dieser weltverachtenden mystischen Begeisterung nicht einen Moment aus dem Auge verlieren, darf vor Allem nicht vergessen, daß sie die einzige Geistesregung des Jahrhunderts, daß sie die damals ganz gewöhnliche und höchst alltägliche war. Vor Allem in Frankreich, Spanien, Italien, in drei Ländern also der romanischen Zunge, war diese Gesinnung durch alle Stände verbreitet und beherrschte den ganzen Zustand. Jede Fröhlichkeit, jedes irdische Vergnügen erschien bedenklich, man hielt den Körper für den Ballast, der die Seele abhalte sich zum Himmel aufzuschwingen. Verachtend wandte man sich von Wissenschaft und Kunst hinweg; mit solchen Dingen, schrieb der berühmte englische Erzbischof Lanfrank, haben wir unsere Jugend vergeudet, jeßt aber sie von uns abgethan. Vaterland, Staat, Bürgerpflicht, das Alles

wurde der herrschenden Richtung reizlos und werthlos; denn es gehörte ja zu der irdischen, von Sünde durchfressenen Welt. Man hatte keine Ahnung mehr von jener schlichten menschlichen Gesinnung, die in Arbeit und Thätigkeit auch einen Gottesdienst findet, die auch mit heiterem Antliße und in der Ruhe des täglichen Zustandes sich von der steten Gegenwart Gottes getragen weiß. Ein solches Gefühl genügte den überreizten und erhißten Gemüthern nicht mehr. Man wollte das Göttliche mit leiblichen Augen erblicken, man wollte das Mysterium mit sinnlicher Sicherheit ergreifen. In diesem Zusammenhange erreichte dann auch das Pilger- und Wallfahrtenwesen eine Höhe wie niemals früher. Es gab sonst in jener Zeit sehr wenig Verkehr zwischen den Ländern; der Handel war geringfügig, kein Mensch dachte daran zum Vergnügen zu reisen, denn auch die kleinste Reise war von Beschwerden aller Art, von Unsicherheit und Gefahr umgeben. Aber viele Tausende zogen alljährlich zu den berühmten Klöstern, nach Clugny oder Monte Cassin, zu den Gräbern der Apostel, nach Rom oder S. Jago di Compostella, und vor Allem über die See hinüber nach Palästina, zu dem Boden, auf dem Christus selbst gewandelt, zu dem Felsen, der einst seine Grabstätte gebildet haben sollte. Vornehme und Geringe nahmen mit gleich begeistertem Eifer Theil. Binnen dreißig Jahren finden wir dort in Jerusalem zwei Grafen von Flandern, einen Grafen von Toulouse, einen Herzog der Normandie, eine ganze Anzahl deutscher Bischöfe; alle waren erfüllt von dem Gedanken, daß sie dort unmittelbar an der Schwelle des Himmels ständen, und entrüstet darüber, daß ungläubige Muhammedaner diese heiligen Stätten entweihten. Nachdem der religiöse Eifer in solchem Grade der Lebensodem für das ganze Dasein geworden, da loderte von selbst der Zorn gegen den Unglauben auf, da erschien von selbst der Kampf gegen die falsche Religion als die heiligste und preiswürdigste That. Wo bisher noch der

Krieg gegen den Islam fortgedauert hatte, gewann er jeßt ein doppelt frisches Leben, von nah und fern zogen freiwillige Kämpfer herbei, um unter dem Kreuzesbanner zu siegen oder im Tode das Paradies zu erwerben. Burgunder, Provenzalen, Normannen halfen den spanischen Königen das Chalifat von Cordova bedrängen und Toledo einnehmen; die Normannen von Neapel seßten sich auf Sicilien fest, und die Flotten von Pisa und Genua, mit päpstlichen Fahnen geschmückt, erstürmten den Hafeneingang von Palermo. So wurde der christliche Glaube allmälig das Merkzeichen auch eines großen Waffenbundes, eines Völkersystemes, welches in sich selbst von einem heiligen Feuer beseelt, allen Nichtchristen mit ungestümer Kampflust entgegentrat. Wenn der Islam vom siebenten bis zum neunten Jahrhundert die christlichen Völker mit seinem mächtigen Angriff getroffen hatte, so stand ihm jezt im elften die Vergeltung bevor, eine nicht minder gewaltige Offensive der Christenheit gegen die gesammte muhammedanische Welt.

Jeder große Krieg bedarf aber eines Feldherrn, der ihn ausführt, und eines Herrschers, der ihn leitet. Einst, in den Lagen Karl's und Otto's der Großen, hatte die Christenheit ein solches Haupt in dem Kaiserthume gehabt: damit aber war es jest vorbei für immer, da die kaiserliche Hoheit selbst in Deutschland und Italien von dem Adel nur mit Ungeduld ertragen, in dem übrigen Europa aber gar nicht mehr anerkannt wurde. Indessen diese Lücke zu füllen und dem lateinischen Abendlande einen neuen Imperator zu geben, dafür war eben jener kirchliche Sinn, der zum Kriege gegen den Islam drängte, bereits in voller Thätigkeit. Ihm erschien überhaupt die weltliche Monarchie als unfähig, die Menschen zum Heile zu führen; ihre Inhaber waren irdischen und fündhaften Stoffes wie die sonstige Welt; für ihn gab es auf Erden nur Ein Institut, in welchem der Geist Gottes sich unaufhörlich bekundete und bethätigte, und dies Justitut war die Kirche mit ihren Behör

den, mit ihrem Haupte, dem Papste. Sie also und sie allein war für jenen Sinn zur Beherrschung der Erde berufen; nachdem das Kaiserthum zur Vertretung der Christenheit unfähig geworden, war der Papst bereit, neben der kirchlichen auch die kaiserliche Gewalt zu ergreifen, und dann als oberster Kriegsherr Europa's den Feldzug gegen das muhammedanische Aften zu eröffnen. Es war nun Papst Gregor VII., welcher diesen Standpunkt zum ersten Male mit umfassenden Nachdruck in dem Völkerleben Europas zur Geltung brachte.

Ohne Zweifel war Gregor einer der hervorragendsten Menschen aller Zeiten. Niemals sonst hat sich, so weit unsere Kenntniß reicht, ein religiöser Enthusiasmus mit einem so weiten Weltüberblick, eine geistliche Schwärmerei mit einem so ausgesprochenen Herrschertalent zusammen gefunden. Hildebrand, wie er ursprünglich hieß, war der Sohn eines armen Zimmermanns in einer kleinen toscanischen Stadt. Er hatte seine erste Bildung in Rom erhalten, dann aber aus Widerwillen gegen die wüste Sittenlosigkeit des dortigen Zustandes die Einsamkeit des Klosters aufgesucht. Dort hatte er gebetet, gewacht, sich kasteit, wie hundert Andere, hatte ekstatische Entzückung und thränenreiche Zerknirschung erlebt, und die Meinung getheilt, daß nur in dieser Abwendung von der Welt der Weg zum Himmel zu finden sei. Bald aber gab ein unvermuthetes Ereigniß seinem Leben eine andere Richtung. Die Kirche lag damals in gleich arger Auflösung wie das Staatswesen; Kaiser Heinrich III., hier wie dort auf Zucht und Ordnung bedacht, griff auch in Rom durch, seßte drei mit einander hadernde Päpste ab, entfernte sie aus Rom und ernannte selbst ihren Nachfolger. Der junge Mönch, der einen der Abgeseßten persönlich hochschäßte, begleitete ihn nach Deutschland in die Verbannung, gleich sehr entrüstet über die Fäulniß der Kirche und über die Heilversuche der profanen kaiserlichen Gewalt. Aus seiner Klosterandacht hatte er das Bewußtsein mit

genommen, daß alle Herrlichkeit dieser Welt tief unter der erhabenen Glorie der Kirche läge. Daß ein Laie, wäre es auch der Kaiser selbst, geschähe es gleich in der frommsten Absicht, die Kirche bevormundete, erfüllte ihn mit heiliger Entrüstung, und dieser Zorn riß mit einem Male seine eminent praktische Natur aus der unthätigen Beschaulichkeit des Klosterlebens hervor. Nicht die Welt zu fliehen, sondern sie zu heilen durch feste Unterwerfung unter die gereinigte Kirche, wurde seitdem die Aufgabe seines Daseins. Im Jahre 1048 kam die Nachricht von dem Tode des neuen Papstes nach Deutschland, und der Kaiser bezeichnete auf der Stelle den Bischof von Toul als das künftige Haupt der Kirche. Dieser Leo IX. in schlichter und anspruchsloser Frömmigkeit zuerst erschrocken über die Schwere des Berufs, wandte sich an Hildebrand mit der Bitte, ihn als sein Rathgeber nach Rom zu begleiten. Die Antwort war ein entschiedenes Nein; er könne keinem Papste dienen, der durch königlichen Befehl sein Amt erhalten habe. Seine Persönlichkeit erschien damals schon so gebietend, daß der Papst vor dem Mönche gleichsam zusammensank. Leo versprach, mit bloßen Füßen nach Rom zu wandern und dort die canonische Wahl nachzuholen, und Hildebrand, hiedurch versöhnt, wurde von Stund an die Seele der päpstlichen Regierung, bis er im Jahre 1073 den Thron des Vaticanes selbst bestieg.

Kaum hatte er die Zügel des kirchlichen Regiments ergriffen, so entwickelte dieser Handwerkerssohn ein allseitiges Herrschergenie, wie es ähnlich seitdem nur in den beiden groBen Emporkömmlingen der neueren Zeit, in Cromwell und Bonaparte, erschienen ist. Er verstand Alles, konnte Alles, wollte Alles. Er wurde Reformator der Kirche, Staatsmann und Eroberer, Demagoge und Diplomat, Alles mit gleicher Kraft und gleicher Meisterschaft. Judem seine Ueberzeugung unerschütterlich auf einem festen Gottesbewußtsein ruhte, wußte er doch, daß Gott seine Beschlüsse durch menschliche Hände

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