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von dem aus das ganze Gedicht nicht ferner als ein Idyll, sondern in seiner epischen Großheit sich uns zeigt. Wie ungeheuer steht eine immer vorwärts drängende Leidenschaft vor unsern Augen, wenn Othello das Blut des Cassio verlangt, den er des Ehebruchs für schuldig erachtet, und zu dem wunderbaren Gleichniß greift: So wie des Pontus Meer,

Deß eis'ger Strom und fortgewälzte Flut
Nie rückwärts ebben mag, nein, unaufhaltsam
In den Propontis rollt und Hellespont:
So soll mein blut'ger Sinn im wüth'gen Gang
Nie umschau'n, noch zu sanfter Liebe ebben,
Bis eine voll genügend weite Rache
Ihn ganz verschlang.

Der Künstler muß der Saiten des menschlichen Herzens kundig sein die er rühren will, aber er läßt sie dann forttönen, und die Worte des Dichters sind Zauberworte, welche Bilder in unserm Gemüth heraufbeschwören, denen liebe Erinnerungen oder lockende Hoffnungen sich gesellen, und aus den Schranken der Sinne und der Gegenwart ist der freie Blick ins Unendliche eröffnet. Darum ergößt uns ein colorirtes plastisches Werk lange nicht so sehr als eine farblose Statue oder als ein Gemälde das die Körperlichkeit durch Licht und Schatten nur andeutet. Indem der Bildhauer allein durch die Form wirkt, diese aber in ihrer Vollendung darstellt, genügt sie uns um das Bild des Lebens innerlich in uns hervorzubringen, und wir erfreuen uns an der geistigen Thätigkeit hinter dem farbigen Schein der gemalten Fläche die runden Gestalten zu erkennen; es ist unsere Phantasie welche dort die Farbe, hier die volle Körperlichkeit nicht vermißt, weil sie dort durch die Form, hier durch die Farbe im Wechsel von Hell und Dunkel zur Anschauung des vollen Lebens erregt wird. Die Phantasie ist beweglich, sie will bilden, schaffen, thätig sein, sie will nicht beim Gegebenen stehen bleiben. Streicht man die Sta tue an wie eine Wachsfigur, werden der Phantasie Formen und Farben zugleich geboten, so läßt ihr das Aeußere nichts zu thun übrig, sie geht zum Innern fort, sie erwartet jezt ein sich selbst bewegendes Leben, und sieht sich getäuscht, sie findet statt dessen die starre todte Masse und eine äußerliche Lüge des Lebens. Alles Schöne muß ja innerlich in unserm fühlenden Geiste erzeugt werden, und so gilt es dessen volle naturgemäße Thätigkeit zu erregen, worin ja seine Glückseligkeit besteht. Der Musiker stellt

nur den allgemeinen Lebensgrund in seiner Bewegung dar, aber indem wir die werdende Bewegung in unser Gemüth aufnehmen, entwerfen wir innerlich ein Bild der Welt, das aus ihr entspringt, und denken wir seine Gedanken. Der Dichter spricht den Begriff des Seins in Worten aus, unsere Phantasie erfaßt seine Rede und mittels derselben erstehen in uns seine Anschauungen und Gefühle. Der Bildner veranschaulicht die Idee wie sie im Raume Gestalt gewonnen hat, aber wir verseßen uns beim Anblick des Bildes in die Thätigkeit der bildenden Kraft und erfassen die Idee, die in ihr waltet, auch mit unserm Denken.

Die Wissenschaft befriedigt im Gedanken, die Kunst in der finnenfälligen Darstellung. Sie prägt die Idee im äußeren Stoff aus, und damit grenzt sie an das Handwerk, das ebenfalls die Materie bewältigt und formend dem Willen und Zwecke des Geistes unterwirft. Aber die Erzeugnisse des Handwerks suchen zunächst die irdischen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, oder sie dienen seinem idealen Streben doch nur zur Unterlage und zum Mittel; die Arbeit geschieht nicht um ihrer selbst, sondern um des Nugens und Lohnes willen, den sie bringt, während die künstlerische Thätigkeit zugleich Selbstgenuß ist, der schöpferische Geist in ihr sich befreit und befriedigt, um seine felige Stimmung dann auch auf andere überströmen zu lassen, und ihr Werk wird nicht nach seiner Verwendbarkeit oder Brauchbarkeit, sondern nach seinem inneren Werth und nach der Schönheit seiner Form geschäßt, es ist um seiner selbst willen da, und hat keinen andern Zweck als die Gemüther zur Harmonie seiner Vollendung zu er- · heben. Der Schönheitstrieb veredelt allerdings einerseits das Handwerkliche, wenn es nach dem Vorgange der Kunst den Begriff oder Zweck eines Dinges, z. B. eines Geräthes, durch seine Form veranschaulicht und das Nothwendige anmuthsvoll gestaltet oder schmückt, und andererseits bedarf der Künstler für die Bewältigung des Stoffs der handwerklichen Kenntniß und Fertigfeit. In ihrer ureigenen Würde aber erhebt sich die Kunst dazu den Geist sein eigenes wahres Wesen wiederfinden zu lassen, und in solchem Sinn nennt Schelling fie eine Stufe der Seligkeit, der Wiederkehr zu Gott, indem sie es ist durch welche sich das Ich dem Göttlichen ähnlich macht, göttliche Persönlichkeit hervorzubringen und so zu dieser selbst durchzudringen sucht. Da muß freilich auf ihrem Werke der Stempel freier Schöpferkraft ruhen, und es darf nicht gleich den Erzeugnissen der Fabrikindustrie die

mechanische Hervorbringung der Maschinenthätigkeit sein, noch als ein Product abstracter Verstandescombinationen erscheinen, deren Ueberlegung und Berechnung in der Auffindung des äußerlich oder für anderes Zweckmäßigen ihre Stelle hat und damit die Handwerksgeschicklichkeit begleitet, während die Kunst Phantasieschöpfung ist.

Hierdurch vergleicht sich ihr Werk in seiner absichtslosen Nothwendigkeit und Selbstgenugsamkeit einem organischen Gebilde der Natur; aber es unterscheidet sich von diesem dadurch daß es ein Erzeugniß der Freiheit ist und die Schönheit zum Zwecke hat, während das Leben als solches um seiner selbst und um der Idee des Guten willen da ist. Nur wenn wir an den göttlichen Schöpfergeist des Alls denken, kann uns die Natur als ein Kunstwerk erscheinen; die einzelnen Formen aber und Gestaltungen gehen aus der unbewußt bildenden Lebenskraft hervor, der ihre Bestimmung und ihr Ziel durch einen höheren Geist gegeben ist. Nur nach der Analogie mit menschlichen Werken spricht man von der Kunst mit welcher die Spinne ihr Nez webt, die Bienen ihre Zellen bauen; aber es geschieht mit der Nothwendigkeit des Instincts gleich der Muschelgestaltung der Weichthiere als eine Fortsegung ihrer leibbildenden Thätigkeit, es geschieht ohne Ueberlegung und ohne das Bewußtsein, welchem die Schöpfungen der Kunst entspringen. Das Naturschöne erquickt uns weil die Erhabenheit oder die Anmuth sich ungesucht uns darbieten oder weil die Aeußerungen des unbewußten Lebens wie im Gesang der Vögel an Melodie und Harmonie, diese Erzeugnisse des Geistes, anklingen; wenn eine selbstbewußte Persönlichkeit dabei stehen bleiben wollte, würde sie uns albern erscheinen. Hierher gehört die feine Bemerkung Kant's:,,Was wird von Dichtern höher gepriesen als der bezaubernd schöne Schlag der Nachtigall in einsamen Gebüschen an einem stillen Sommerabende bei dem sanften Licht des Mondes? Indessen hat man Beispiele daß wo kein solcher Sänger angetroffen wird irgend ein lustiger Wirth seine zum Genusse der Landluft bei ihm eingekehrten Gäste dadurch zu ihrer größten Zufriedenheit hintergangen hat, daß er einen muthwilligen Burschen, welcher diesen Schlag mit Schilf oder Rohr im Munde ganz der Natur ähnlich nachzuahmen wußte, in einem Gebüsche verbarg. Sobald man aber inne wird daß es Betrug sei, so wird niemand es lange aushalten diesem vorher für so

reizend gehaltenen Gesange zuzuhören; und so ist es mit jedem andern Singvogel beschaffen.'

Schon hiernach müßte man die Zustimmung dem alten Wort versagen, welches die Kunst eine Nachahmung der Natur nennt. Blose Nachahmung wäre überflüssig, sie stritte gegen das Gesez der Originalität, das in der gegenständlichen Welt herrscht und den selbstbewußten Wesen als eine Lebensaufgabe gestellt ist. Die Kunst beginnt nicht mit dem Versuche Naturerscheinungen täuschend wiederzugeben, sondern ihr Entstehungsgrund ist der Trieb und Drang des Geistes seine Gedanken und Empfindungen in einem bleibenden Werk wie zum Denkmal auszuprägen; sie ruht ursprünglich in der Wiege der Religion, und ihre ersten großen Thaten sind Gestalten welche die Gottesidee und dann den sittlichen Heldensinn eines Volkes veranschaulichen. Und wo lägen denn in der Natur die Vorbilder und Muster, welche die Architektur bei der Erbauung hellenischer Tempel und gothischer Dome, welche die Musik in einer Symphonie nachahmen sollte, da doch schwerlich jemand in Ernst an Tropfsteinhöhlen und Vogelgesang denken möchte? Es gilt mir darum daß das Kunstschöne wie das Naturschöne jedes seine gebührende Stelle und Ehre erhalte; weder wird durch die Kunst uns die Natur entbehrlich, noch ist die Kunst eine unnöthige Wiederholung der Natur.

Die Natur ist, das Werdende, das ewig wirkt und lebt"; ihre Werke erstehen und vergehen im raftlosen Wechsel der Atome, in ununterbrochener Umbildung und Neugestaltung, und daß auch diese von einem Geseß geleitet, in ihrem Entwickelungsprocesse selbst organisch ist, daß im allgemeinen Flusse des Seins doch die Schönheit auf immer neue Weise aus den bewegten Wellen hervorsteigt, wie der farbenhelle Regenbogen durch das Licht der Sonne aus immer andern Wasserperlen sich aufbaut, das nannte ich früher schon einen eigenthümlichen Vorzug der Natur, welchen die Kunst nicht hat; hier vermag sie die Natur weder nachzuahmen noch zu erreichen. Die Kehrseite der Sache hat Schelling in seiner berühmten Rede über das Verhältniß der bildenden Kunst zur Natur also ausgesprochen:,,Wenn die Kunst den schnellen Lauf menschlicher Jahre anhält, wenn sie die Kraft entwickelter Männlichkeit mit dem sanften Reiz früher Jugend verbindet, oder eine Mutter erwachsener Söhne und Töchter in dem vollen Bestand kräftiger Schönheit zeigt, was thut sie anders als daß sie aufhebt was unwesentlich ist, die Zeit? Hat nach der Bemerkung

Garriere, Aesthetik. I.

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eines trefflichen Kenners ein jedes Gewächs der Natur nur einen Augenblick der vollendeten Schönheit, so dürfen wir sagen daß es auch nur einen Augenblick des vollen Daseins habe. In diesem Augenblick ist es was es in der ganzen Ewigkeit ist; außer diesem kommt ihm nur ein Werden und ein Vergehen zu. Die Kunst, indem sie das Wesen in jenem Augenblick darstellt, hebt es aus der Zeit heraus, sie läßt es in seinem reinen Sein, in der Ewigkeit seines Wesens erscheinen.“

Wir können also sagen: der Künstler stellt die Dinge im Lichte der Ewigkeit dar, wie sie vor dem Auge Gottes stehen, oder er erfaßt den Höhenpunkt ihres Daseins, welchem ihre Entwickelung zustrebt, von welchem aus ihre Auflösung anhebt, in welchem also ihr Wesen concentrirt erscheint; er sammelt in einem Brennpunkt die verschiedenen Strahlen, welche in der Natur nach und nach leuchten, und verdichtet die zerstreuten Züge der werdenden Schönheit zu einem vollen harmonischen Glanzbild ihres Seins. So offenbart er uns die innere gestaltende Seele und das Ideal, dem sie in der Entfaltung ihrer Kräfte nachringt; er regt uns an durch den Ausdruck ihrer Thätigkeit und befriedigt uns durch die Darstellung von deren Erfüllung. All dies ist aber nur möglich, wenn der Blick des Künstlers von dem Wechsel der äußern Erscheinungen zu dem bleibenden Kern hindurchdringt, der dieselben bedingt, und nur wenn sein Auge sich zur Anschauung jenes den Dingen eingeborenen, ihrer Entwickelung vorschwebenden Ideals erhoben hat, kann er den Moment der Blüte erkennen, in welchem dasselbe aus ihnen hervorbricht, kann er beurtheilen welches die einzelnen Züge sind durch die es im Flusse des Werdens sic ankündigt, und kann er diese sinnvoll verbinden.

Es ist eine irrige Vorstellung Platon's wenn er die bildenden Künfte geringschäßig bespricht, weil sie nur die äußeren Erscheinungen nachahmten, diese Schattenbilder der Idee, sodaß wir dann eine Nachbildung von Nachbildungen erhalten, aber sein Tadel trifft den Naturalismus, und er erhebt sich sofort zur richtigen Einsicht, wenn er die wahre Kunst die Fähigkeit nennt ein von unsichtbarer Ordnung beseeltes Ganze zu schaffen, das überall Zerstreute schauend in Eine organische Gestalt zusammenzufassen und die Ideen des Wahren und Guten in einer entsprechenden Er scheinung auf wohlgefällige Weise darzustellen: es ist der geistige Zeugungstrieb der Liebe, der von der Schönheit geleitet die Kunst hervorbringt; ihr Werk hat in dem Maße Werth als ihre schaf

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