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Die Kunst, das Kunstwerk und die Gliederung

der Künste.

Ach daß die inn're Schöpferkraft
Durch meinen Sinn erschölle,
Daß eine Bildung voller Saft
Aus meinen Fingern qüölle!

Durch diesen sehnsüchtigen Seufzer in Künstlers Morgenlied sagt es uns Goethe daß seine Thätigkeit nicht aufgehen darf in der Anschauung und Gestaltung des innern Idealbildes, sondern daß er dasselbe auch in die äußere Wirklichkeit überseßen, daß er es in der Materie verkörpern müsse. Denn die Schönheit ist Offenbarung des Geistes an den Geist mittels der Sinne, sie ist Versöhnung von Geist und Natur, und die Idee muß sich im Unterschiede von einer wesenlosen Abstraction dadurch bewähren daß sie mit Werdekraft in die Formen der Anschauung eingeht, mit Werdeluft aus dem Stoffe der Außenwelt sich einen Leib bildet. Kunst kommt von Können; aber Können ist der Wurzel nach kennen und wissen; der hervorbringenden That liegt das geistige Innehaben zu Grunde, und der Begriff deffelben ist wieder aus dem des Erzeugens entsprungen; in der Sprache spielen von Anfang an die Vorstellungen des Erkennens und Erzeugens ineinander, und beides ist ein Neubilden aus dem eigenen Wesen, die Erkenntniß kein blos leidendes Aufnehmen, sondern ein Erzeugen der Wahrheit, ein Hervorbringen des Begriffs im eigenen Innern unsers Gemüthes. Die Analogie des Erkenntniß- und Zeugungstriebes hat besonders Franz Baader gern betont. Was ich zu durchdringen und zu ergründen strebe, sagt er, dem trachte

ich innerlich oder Centrum zu werden und es dadurch in meine Macht zu bringen; alles Durchdringen ist in seiner Vollendung ein Umgreifen, und eben darum ein Bilden und Gestalten, folglich ein gestaltempfangendes Erhobenwerden des so Durchdrungenen in das Ein- und Durchdringende und von ihm. Der Erkenntnißtrieb geht überall auf Zeugung, Gebärung, Aussprache und Darstellen eines Wortes, Namens, Bildes, und es ist das Wesen des erkennenden Gemüthes daß es das in sich Gefundene, Empfundene auch offenbare und ausspreche, und können wir hinzusehen, erst dadurch wird es desselben mächtig, erst durch das Wort in welchem er befaßt und ausgesprochen wird, kommt der Gedanke zur Bestimmtheit und Klarheit. Erkennen ist Thun und die freie That ist vom Gedanken durchleuchtet. So ist Kunst ein Wirken des selbstbewußten Geistes, ein Können das aus dem geistigen Innehaben quillt.

Der Poet heißt und ist ein Macher, er muß es verstehen die Gestalten seiner Phantasie durch den Zauber des Wortes auch vor die Seele der Hörer zu rufen, er muß es verstehen der Stimmung seines Gemüths jenen wohllautenden klaren Ausdruck zu geben, der die Hörer durch den Wellenschlag seiner eigenen Gefühle zu der Harmonie seines eigenen Friedens, seiner eigenen Freiheit führt. Wenn Michel Angelo behauptet man male nicht mit den Händen, sondern mit dem Hirn, so weist er auf die innere Anschauung als das Nothwendigste und Erste hin; aber der Raphael ohne Arme, von welchem Lessing in der Emilia Galotti spricht, wäre sicherlich nicht nur nicht der größte, sondern gar kein Maler gewesen, ohne die ausführende Thätigkeit hätte sich auch das malerische Sehen bei ihm nicht entwickelt, er wäre auf Ton oder Wort als Ausdruck seines begeisterten Seelenlebens hingewiesen werden.

Der Künstler ist weniger berufen handelnd in das Leben einzugreifen als bildend auf dasselbe einzuwirken. Den Andern, die es nicht verstehen bei der Betrachtung der einzelnen Dinge sich zu der Idee emporzuschwingen welche denselben als schöpferisches Muster vorschwebt, soll er das ewige Urbild selber zeigen, indem er diesem eine entsprechende, es ganz darstellende Verkörperung schafft. Auch Goethe mochte als höchsten Preis der Bilder Michel Angelo's bekennen, daß ihm selbst die Natur nicht recht schmecken wolle, wenn er von jenen komme, weil er für sich die Natur nicht mit Michel Angelo's Augen anzuschauen vermöge; der Maler

hatte die göttliche Schöpfermacht als das Lebensprincip seiner Gestalten in ihnen sichtbar gemacht. Dann soll der Künstler die Einheit im Zerstreuten, die dem Sinne der Andern entgeht, als die Seele des Lebens durch in sich geschlossene Werke veranschaulichen. Das ist sein priesterliches Amt daß er Schönes bilde um der Schönheit willen. Die Schönheit, die in der Natur oder Geschichte ein unerstrebtes Glück, deren Genuß eine Gunst des Augenblicks ist, sie soll als ein Unvergängliches, als der einwohnende, die Entfaltung lenkende Zweck aller Entwickelung, als die erreichte Versöhnung und Vollendung des Seins mitten im Strome der Zeit dem Volke vor Augen treten. Der Künstler ist darum weniger geeignet zu praktischer Wirksamkeit, als das Leben darzustellen und es dadurch fortzugestalten daß er ihm den Spiegel der Selbsterkenntniß und das Ziel seines Ringens uud Suchens vorhält. Wie der junge Ariost seinem ihn scheltenden Vater ruhig zusah und zuhörte, weil er für seine Komödie gerade die Gestalt eines polternden Alten brauchte, so vergaß Goethe in Malsesina der polizeilichen Plackerei, und die ihn umschwärmenden Italiener wurden ihm zu Repräsentanten der Aristophanischen Vögel, welche er reproduciren wollte. Wie Shakspere die Bühne nicht verließ um in ein Ministerium zu treten, aber noch heute die englischen Parlamentsredner Staatsweisheit und Geschichte von ihm lernen, so hat auch Schiller selber kein Schwert gezogen, aber seine Gefänge haben den deutschen Befreiungskriegen den Ton ihrer Begeisterung eingehaucht.

Nennen wir die Kunst eine sinnenfällige Darstellung von Ideen, so können wir sie hierin von der Natur, dem Handwerke und der Wissenschaft unterscheiden und dadurch zugleich ihr Wesen näher bestimmen. Auch die Wissenschaft will der Idee einen Ausdruck geben wie dieselbe in der Wirklichkeit erscheint und der Begriff der Dinge ist, aber sie wendet sich an den denkenden Geist, an Verstand und Vernunft, während die Kunst von der Phantasie geboren zur Anschauung spricht. Das Gefühl erfaßt die Idee im Genuß des Schönen mit einer unmittelbaren Innigfeit, in der es ein Ganzes in seiner Tiefe und Fülle auf einmal ergreift, das dann die forschende Erkenntniß in seine Theile zerlegt und in seinem Zusammenhang mit den übrigen Lebensgebieten betrachtet. Gefühl und Anschauung lassen sich nicht durch Reflerion und Begriff ersehen, und so wird ihnen auch in dem Kunstwerk mehr gegeben als sich in auslegende Worte fassen läßt.

Von der Musik wird es schwerlich jemand leugnen, und sicherlich wäre der Maler oder Bildhauer ein Thor, wenn er jahrelangen Fleiß an ein Werk wendete und dies sich doch mit einigen Worten völlig ausdrücken ließe; vielmehr liegt in der Idee die ihm vorschwebt etwas Unsagbares, das er nur durch Formen für die Anschauung aussprechen kann. Es gilt dies auch vom Dichter, der ein Unendliches in dem Gesange niederlegt, und je begabter und einsichtiger der Leser ist, desto vollständiger erschließt sich ihm das Gedicht. Das Kunstwerk wendet sich zunächst nicht an den Verstand, sondern an die Phantasie, und verlangt die Productivität derselben im Beschauer, und gerade darin daß diese angeregt und zur Vollendung des Schönen geleitet werde, besteht der ästhetische Genuß. Darum hat Voltaire nicht Unrecht zu sagen: Le secret d'être ennuyeux c'est de tout dire. Und Schiller schreibt über Wilhelm Meister:,,Das Resultat eines solchen Buches muß immer die eigene freie, nur nicht willkürliche Production des Lesers sein; es muß eine Art von Belohnung bleiben, die nur dem Würdigen zutheil wird, indem sie dem Unwürdigen sich entzieht", und Goethe's Spruch: „daß sich der Leser sehr productiv verhalten muß, wenn er an irgend einer Production theilnehmen will", ist ein Anklang an unsere grundlegende Erörterung daß stets das Schöne erst in unserm Gemüth erzeugt werde. Uebereinstimmend bemerkt auch Kant in seiner Weise:,,Geist in ästhetischer Beziehung heißt das belebende Princip im Gemüthe. Dasjenige aber wodurch dieses Princip die. Seele belebt, der Stoff den es dazu anwendet, ist das was die Gemüthskräfte zweckmäßig in Schwung verseßt, das ist in ein solches Spiel welches sich von selbst erhält und selbst die Kräfte dazu stärkt. Nun behaupte ich dieses Princip sei nichts anders als das Ver mögen der Darstellung ästhetischer Ideen; unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft die viel zu denken veranlaßt ohne daß ihr doch irgend ein bestimmter Begriff adäquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und verständlich macht. — Wenn der große König sich in einem seiner Gedichte so ausdrückt: «Laßt uns aus dem Leben ohne Murren weichen und ohne etwas zu bedauern, indem wir die Welt noch alsdann mit Wohlthaten überhäuft zurücklassen; so verbreitet die Sonne, nachdem sie ihren Tageslauf vollendet hat, noch ein mildes Licht am Himmel, und die leßten Strahlen die sie in die Luft schickt, sind ihre legten Seufzer für

das Wohl der Welt», so belebt er seine Vernunftidee von weltbürgerlicher Gesinnung noch am Ende des Lebens durch ein Attribut, welches die Einbildungskraft (in der Erinnerung an alle Annehmlichkeiten eines vollbrachten schönen Sommertages, die uns ein heiterer Abend ins Gemüth ruft) jener Vorstellung beigesellt und welches eine Menge von Empfindungen und Nebenvorstellungen rege macht, für die sich kein Ausdruck findet." Das fünftlerische Genie weiß eine Form zu treffen durch welche der unerschöpfliche Reichthum einer Gemüthsstimmung oder einer Idee auch in der aufnehmenden Seele durch das angeschaute Bild erweckt wird; nur wer solches vermag ist in Wahrheit ein Künstler, und es ist das Kennzeichen echter Kunst an einem Werke daß es nicht blos bestimmte Begriffe mittheilt, sondern das Allgemeine und Unendliche im Einzelnen offenbart und unsere Phantasie entzündet oder beflügelt. Oder wie Schiller sagt:

Ein Unendliches ahnt, ein Höchstes erschafft die Vernunft sich,
In der schönen Gestalt lebt es dem Herzen, dem Blick.

Es ist gewöhnlich zu wenig beachtet worden daß das Schöne sich im fühlenden Geiste erzeugt, und das Kunstwerk selber das Mittel ist wodurch sich der elektrische Funke aus der Künstlerseele in unsere Seele zündend verpflanzt. Erregend auf die Phantasie zu wirken daß sie sich über die gemeine Wirklichkeit erhebe und das Ideal in sich erzeuge, ist daher eine Leistung der echten Kunst, und in der eigenen Thätigkeit besteht die Würze unsers Kunstgenusses. Das Werk soll nicht blos unserer Einbildungskraft freien Spielraum lassen, sondern ihren Gang und Schwung in seinem Sinne fortbestimmen; das innere Bild überwächst das äußere, das zu seiner Erzeugung den Anstoß gab, aber es bewahrt die harmonischen Züge desselben. Oft ist es ein einzelner Zug, durch welchen der Künstler unserer Phantasie diese Beflügelung verleiht. Goethe zeigt uns in Hermann und Dorothea eine flüchtende Landgemeinde; aber wie der ehrwürdige Richter in dem Getümmel die Ordnung schafft und die Gemüther beruhigt, sagt der Geistliche zu ihm:

Ja Ihr erscheint mir heut' als einer der ältesten Führer,
Die durch Wüsten und Irren vertriebene Völker geleitet;
Denk' ich doch eben ich rede mit Josua oder mit Moses.

Sofort steht die erhabene Gestalt dieser Männer, steht die weltgeschichtliche Bedeutung ihrer Thaten vor unserm Gemüth, und wir sind mit einmal auf einen erhabenen Standpunkt gestellt,

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