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Erfahrung begründen und in ihrem Grunde verstehen wollen. Vischer's ästhetische Verdienste liegen da wo er den Thatsachen sich gegenüberstellt um fie zu kritisiren oder auszulegen, da vergißt er oft glücklicherweise seine Theorie und seine Vorausseßungen, da ist er an einzelnen trefflichen Erörterungen, gefunden und freien Urtheilen reich, und das habe ich stets anerkannt, ja ge= priesen; aber seine allgemeine Theorie ist falsch. Ich hatte gehofft mit meiner in Anmerkung 3 erwähnten Kritik ihn zu einer Revision seiner Ideen und seines Verfahrens zu veranlaffen; die Aesthetischen Forschungen Zeifing's hätten solchen Einfluß ebenfalls auf ihn ausüben sollen; er hat beides vornehm ignorirt, und wird dafür noch fortwährend von denen die nichts von Philosophie verstehen als scharfsinniger Philosoph belobt. So fiel mir in diesem Abschnitt das unerquickliche Geschäft zu doch einigemal seine Lehre zu beleuchten; viel lieber werd' ich in der Folge bei allem Widerspruch gegen die Grundlagen und Principien seiner Darstellung die von ihnen unabhängigen richtigen Bestimmungen über einzelne Fragen und Gegenstände anerkennend hervorheben.

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Das Schöne in Natur und Geist oder der Kunststoff.

Das Gefühl des Schönen sezt eine ihm entsprechende Gegenständlichkeit voraus, ein Reich der Natur und des Geistes, das in seiner Mannichfaltigkeit von der Einheit des göttlichen Seins durchdrungen und nach Gesezen geordnet ist, sodaß in Zeit und Raum die Entfaltung ewiger Wesenheit uns entgegentritt und wir uns in die Harmonie der Welt miteingestimmt empfinden. Die Natur ist dem Menschen eine reiche und unversiegliche Quelle ästhetischen Genusses, und dieser hebt gewöhnlich in ihr an; Tausende denen die Werke der Kunst dunkel und stumm sind, erfreuen sich eines Sonnenauf- und Untergangs im Gebirge oder am Geftade des Meeres, Tausenden nimmt der Platonische Hippias das Wort vom Munde weg, wenn er auf die Frage des Sokrates, ob er wisse was schön sei, ohne weiteres antwortet: Ja, ein schönes Mädchen.“ Und wie wunderbar ist ein Menschenauge! Von holden Wellenlinien umgrenzt, sanft gewölbt, in Farbenklarheit schimmernd wie ein Spiegel des Himmels und der Erde, concentrirt es zugleich das ganze Gemüth in seinem Blick, und Muth, Liebe, Begeisterung, sittlicher Adel, Gottesfrieden leuchten aus ihm hervor; wenn es je richtig gesagt, war daß im Schönen das Ideale und Reale in Eins gebildet sind, daß in ihm das Sinnliche ganz vom Geiste durchdrungen, das Geistige ganz im Sinnlichen offenbar wird, dann ist ein solches Auge schön zu nennen.

Und dennoch muß der modernen Wissenschaft die volle Anerkennung und die rechte Stellung des Naturschönen erst abgerungen werden. Nachdem Hegel die Natur nicht als das Werk des selbstbewußten Meisters, nicht als die Offenbarung des ewigen

Geistes und seiner bildenden Gedanken, sondern als eine Entäußerung und einen, Abfall der logischen Idee von ihr selbst bezeichnet hatte, freilich ohne das Wie und die Möglichkeit davon irgendwie zu erklären, so that er folgerichtig den Ausspruch: „In der Natur hat das Spiel der Formen nicht nur seine ungebundene zügellose Zufälligkeit, sondern jede Gestalt entbehrt des Begriffs ihrer selbst; die Natur ist der unaufgelöste Widerspruch, und das Leben in ihr der Unvernunft der Aeußerlichkeit hingegeben. Wenn die geistige Zufälligkeit, die Willkür bis zum Bösen fortgeht, so ist dies selbst noch ein unendlich Höheres als das gesezmäßige Wandeln der Gestirne oder die Unschuld der Pflanze; denn was sich so verirrt ist noch Geist." So macht denn auch Hegel in seiner Aesthetik über die Natur nur wenige Bemerkungen, die eigentlich blos dazu dienen sollen die Mängel der unmittelbaren Wirklichkeit aufzuweisen und die Nothwendigkeit der Kunst darzuthun, welche erst die äußere Erscheinung dem Begriff gemäß machen soll, sodaß statt der Dürftigkeit der Natur und der Prosa ein der Wahrheit würdiges Dasein gewonnen werde.

Hier ist einer der Punkte welche den Beweis liefern daß mit Hegel's Lehre principiell gebrochen werden muß, wenn wir eine Aesthetik begründen wollen welche den Thatsachen der Natur und den Gefühlen unserer Seele gerecht wird. Einzelne Modificationen, wie sie Rosenkranz innerhalb des Systems geistvoll und alles zum Besten auslegend anbringt, erscheinen mir dazu doch ungenügend. Wenn Vischer die Lehren der Schule vergißt und mit seinem scharfen und klaren Blick in das Leben schaut, wenn er unbefangen die Naturdinge auf sein Gemüth wirken läßt, so weiß er ihnen im Einzelnen ihre Geheimnisse abzulauschen, so ist er von dem Baum in seiner Blüte, von dem frei dahinsprengenden Roß mit wallender Mähne, vom Bau des menschlichen Körpers entzückt wie ein bildender Künstler, und er weiß darzulegen was hier so beseligend uns anspricht. Wenn er aber dann weiter philosophirt, so erhebt er nicht diese Anschauungen zum Begriff, sondern er spinnt die Vorausseßungen der Schule weiter, und bleibt im Neße ihrer Abstractionen befangen. 1) So finden wir fortwährend auch bei ihm jenes halt und trostlose Umschlagen der Begriffe, die ohne von einem persönlichen Geist, von einem denkenden Subject getragen zu sein zu für selbst bestehenden, sich selbst bewegenden, ineinander übergehenden Wesen gemacht werden. So lesen wir auch bei Vischer daß das Naturschöne eine unmittelbare einseitige mangelhafte Existenz des Schönen sei, dessen wahre und ganze

Wirklichkeit erst in der Kunst entstehe; wir lesen von einer innern Haltlosigkeit des Naturschönen, das daher in eine vermittelte geficherte Form aufgelöst werden müsse. „Das Naturschöne darf man nur näher ansehen, um sich zu überzeugen daß es nicht wahrhaft schön ist", sagt Vischer; ihm ist es nur dazu da der Phantasie einen Anstoß zu geben, damit diese die wahre Schönheit schaffe, die rohe Form zur reinen mache; es ist nach Vischer nur eine Täuschung daß wir meinen ein Naturgegenstand sei so schön als das Bild was wir davon im Spiegel unserer Subjec= tivität entwerfen. - Jeder Gegenstand eristirt für uns im Spiegel unserer Subjectivität, aber der Eindruck den mir bei mehrmaligem Besuch der gegenwärtige Golf von Neapel machte, war immer viel energischer und das Gefühl zur Freude der Schönheit erregender, als die Vorstellung des abwesenden in der Erinnerung.

Gerade umgekehrt behauptet, Weiße daß die! Naturschönheit im dialektisch-speculativen Sinn höher stehe als die Kunstschönheit; er findet die Naturschönheit stets neu und den Genuß ihrer Anschauung continuirlich, während das Kunstwerk wegen seiner bestimmt begrenzten Individualität den Beschauer in kurzer Zeit ersättige. Die Naturschönheit nennt er Vorbild, Muster und Endziel der Kunst. Damit wäre die Kunst sehr überflüssig; damit ist verkannt daß die Natur für den Künstler eine Vorausseßung seines Wirkens bildet, daß er aber in ihren Formen seine Ideen zu gestalten und das in ihrer Fülle Zerstreute und Auseinandergelegte zur Einheit des Ideals zu sammeln und somit in der Einzelgeftalt das Ideal zu verwirklichen strebt.

Mit frischem Sinne sahen die alten Völker das Göttliche in der Natur. Weil das Meer, die Sonne, weil Fluß und Baum die Griechen ästhetisch ansprachen und das Schöne stets Einheit von Geist und Natur ist, so personificirten sie jene Gegenstände zu eigenthümlichen göttlichen Mächten, und beseelten die Dinge durch welche die Seele sich auf eine wahlverwandte Weise angesprochen fühlt. Im Genuß der Naturschönheit wird unsere Naturbetrachtung Gottesdienst; wir personificiren nicht mehr die besondere Erscheinung, aber wir wissen daß sie nur schön ist, weil sie uns einen Gedanken enthüllt und darstellt, und je weniger sie dieses Gedankens, dieses Gesezes ihres Lebens selber bewußt ist, desto deutlicher lehrt sie uns daß derselbe durch einen denkenden Schöpfergeist ursprünglich in sie hineingelegt ist. Die Dinge sind schön, weil sie im göttlichen Wort und Selbstbewußtsein gründen, weil

Carriere, Aesthetik. I.

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dies ihr Licht und Leben ist und aus ihnen hervorstrahlt. Im Gefühl des Schönen ergreifen wir auf unmittelbare Weise den tiefen Sinn und das Gefeß der Natur; ihre Formen verkünden es unserem Auge noch ehe der Verstand es findet und auf eine Formel bringt. Der Sternenhimmel, still und bewegt in seiner Majestät, erweckt durch seinen ästhetischen Eindruck die Idee einer vernunftvollen Nothwendigkeit, einer Harmonie der Sphären, deren mathematischen Ausdruck erst Kepler und Newton finden, ja wir wissen daß der erstgenannte dieser Forscher gerade davon ausging und ganz eigentlich danach trachtete für die im ästhetischen Gefühl erfaßte Harmonie der Welt den wissenschaftlichen Beweis auf astronomischem Gebiete zu entdecken und zu führen. 2)

In verwandtem Sinne sagt Schelling in seiner Rede über das Verhältniß der bildenden Künste zur Natur:,,Kann doch alle Einheit nur geistiger Art und Abkunft sein, und wohin trachtet alle Erforschung der Natur, wenn nicht dahin selbst Wissenschaft in ihr zu finden? Denn das worin kein Verstand wäre, könnte auch nicht Vorwurf des Verstandes sein, das Erkenntnißlose selbst nicht erkannt werden. Die rohe Materie trachtet gleichsam blind nach regelmäßiger Gestalt und nimmt unwissend rein stereometrische Formen an, die doch wol dem Reiche der Begriffe angehören und etwas Geistiges sind im Materiellen. Den Gestirnen ist die er habenste Zahl und Meßkunst lebendig eingeboren, die sie ohne einen Begriff derselben in ihren Bewegungen ausüben. Deutlicher, obwol ihnen selbst unfaßlich, erscheint die lebendige Erkenntniß in den Thieren, welche wir darum, wandeln ste gleich besinnungslos dahin, unzählige Wirkungen vollbringen sehen die viel herrlicha sind als sie selbst: den Vogel der von Musik berauscht in seelenvollen Tönen sich selbst übertrifft, das kleine kunstbegabte Geschöpf das ohne Uebung und Unterricht leichte Werke der Architektur vollbringt, alle aber geleitet von einem übermächtigen Geist, der schon in einzelnen Bligen von Erkenntniß leuchtet, aber doch nirgends als die volle Sonne wie im Menschen hervorbricht."

Ebenso Thiersch in seiner Aesthetik: „Die Schönheit als die Offenbarung des substantiellen Seins, der Wesenheit, waltet überall auf und nieder in der Schöpfung. Sie enthüllt ihr Siegel in dem einfachsten Gewächse wie in dem üppigsten Kelche der Blumen; im schimmernden Käfer, dem Sohne des Staubes, wie in der erhabenen Gestalt des Menschen; sie ist ebenso dem in ruhiger Entfaltung aufsproffenden Gesträuche auf jedem Schritte seiner

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