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Richard II. II, 1:

Gieb, Himmel, seinem Arzt nun in den Sinn,
Ihm augenblicklich in sein Grab zu helfen.

Zu Shakespeare's Zeit waren die meisten Aerzte Harnbeschauer. Trotz ihrer äußerst mangelhaften Kenntnisse über physiologische und pathologische Vorgänge wollten sie doch der Welt glauben machen, daß sie die Krankheit allein aus der Prüfung des von dem Kranken abgeschiedenen Urins erkennen könnten. Dies ging soweit, daß, in Deutschland wenigstens, die Aerzte Uringläser als Aushängeschild gebrauchten. Ja, ein Uringlas ist auf dem Grabsteine des 1450 in Frankfurt verstorbenen Stadtarztes Konrad von Sachsenhausen abgebildet. Daß diese Methode, Krankheiten erkennen zu wollen, eine sehr trügerische und ungewisse sei, wurde jedoch von den besseren Aerzten schon frühzeitig anerkannt und bald genug wurden Stimmen laut, die es als Charlatanerie verdammten, wenn der Arzt, ohne den Kranken gesehen zu haben, bloß aus dessen Urin wahrsagen wolle. Das Aerztecollegium zu London verbot seinen Mitgliedern die Harnbeschauerei. Daß übrigens das Publicum selbst schon frühzeitig dahinter gekommen sein müsse, wie trügerisch die Kunst der Urinärzte sei, ist außer Zweifel, denn alte Aerzte gaben in ihren Schriften mancherlei Regeln, wie man den Bestrebungen des Publicums, den Harnbeschauer zum besten zu haben, ausweichen könne. Schon von Notker, Abt von St. Gallen, der wegen seiner Kuren berühmt war († 1022), wird erzählt, daß ihn Herzog Heinrich mit dem Urin eines Kammermädchens, den er für den seinigen ausgab, habe täuschen wollen. Er zog sich aus der Schlinge, indem er sagte, der, welcher den Urin gelassen, werde die Welt vermehren. An den deutschen Fürstenhöfen setzten die Leibärzte bis in die neuere Zeit das Geschäft des Urinbeschauens fort, denn sie kamen jeden Morgen, das Wasser des gnädigen Herrn zu besehn. Ja, aus dem 'Simplicissimus' geht hervor, daß sie sich sogar nicht davor scheuten, die Excremente ihres Clienten zu kosten. Daß das Harnbeschauen zu Shakespeare's Zeit von den Aerzten noch sehr stark betrieben worden sein müsse, beweisen: Heinrich IV. Thl. II. Akt I, 2.

Die beiden Veroneser. II, 1.

Macbeth. V, 4.

Einen harnbeschauenden Arzt selbst führt uns der Dichter in den 'Lustigen Weibern von Windsor' in der Person des Doctor Cajus, eines geborenen Franzosen vor, hinter welchem man die Person des schon genannten Turquet de Mayerne vermuthen darf. Zwar sind die 'Lustigen Weiber von Windsor' schon 1602 zum ersten Male gedruckt worden und in dieser Ausgabe heißt es, daß das Stück schon verschiedene Male

aufgeführt worden sei, so daß seine Abfassung noch früher fällt. Dies kann jedoch nicht gegen die Person Turquet's de Mayerne sprechen, denn es hindert uns nichts anzunehmen, daß derselbe Arzt, welcher 1604 dauernd als königlicher Leibarzt nach England kam, schon früher von der Königin consultirt worden sei. Doctor Cajus in den lustigen Weibern' spricht wenigstens davon, daß er an den Hof gehe und daß Grafen, Lords und Edelleute seine Patienten seien, während Frau Page seinen Reichthum und seinen Einfluß bei Hofe rühmt. Als geborner Franzose spricht er ein sehr schlechtes Englisch und muß sich deßhalb vom Wirthe zum Hosenbande hänseln lassen. Seine Thätigkeit als Harnbeschauer erwähnt nicht allein der Wirth, sondern auch Pfarrer Evans. Die lustigen Weiber von Windsor. Akt II, 3. Akt III, 1.

Ob die Aeußerung seines Widersachers, des Pfarrers Evans: Cajus verstehe nicht mehr von Hippokrates und Galen auf seine schon erwähnte Verurtheilung durch das Aerztecollegium der Pariser Universität hinweisen soll, oder nur der persönlichen Gereiztheit entspricht, müssen wir dahin gestellt sein lassen. So viel aber ist sicher, daß Turquet de Mayerne, der in England später Sir Theodore Mayerne hieß, nicht in Gunst bei unserm Dichter gestanden haben kann, wenn Dr. Cajus dessen Person vorstellen soll, woran wir nicht zweifeln möchten. Er muß eine lächerliche Rolle spielen und zuletzt statt der lieblichen Anna Page, die er heirathen will, einen verkleideten Jungen zur Kirche führen.

Einen zweiten hochgestellten Arzt führt Shakespeare an in 'Heinrich dem Achten' in der Person des königlichen Leibarztes Dr. Butts (eigentlich Dr. William Butte). Da seine Thätigkeit als Arzt aber nicht hervortritt, müssen wir uns damit begnügen, ihn angeführt zu haben.

Wir wenden uns zu einem anderen königlichen Leibarzte, den Shakespeare uns vorführt, den Doctor Cornelius in 'Cymbeline'. Wir lernen in ihm einen Arzt kennen, der ganz durchdrungen von der Verantwortlichkeit, die sein Beruf ihm auflegt, unempfindlich ist gegen die Gunst, welche er sich bei einer Königin erwerben könnte, wenn er ihre bösen Pläne wirksam unterstützte.

Er fragt sie, wozu sie die giftigen Mittel, welche sie verlangt hat, brauchen wolle und als sie erwiedert, sie wolle die Wirkung derselben an Thieren versuchen, warnt er sie vor einer so unweiblichen Beschäftigung. Auch giebt er ihr nur einen unschädlichen Schlaftrunk.

Cymbeline. I, 6.

Das hohe Lied eines geschickten Arztes finden wir in 'Ende gut, Alles gut'. 'Gerhard von Narbonne', so heißt es, 'war ein Arzt, dessen Talent fast so groß war, als seine Rechtschaffenheit. Wäre es ihr ganz gleich gekommen, es hätte die Natur unsterblich gemacht und der Tod

aus Mangel an Arbeit hätte sich dem Spiel ergeben'.

'Er war geschickt genug, um immer zu leben, wenn Wissenschaft gegen Sterblichkeit in die Schranken treten könnte.'

Durch Talent, die Ergebnisse des Fleißes, der Forschungen, dient er seinem Kinde noch nach seinem Tode, denn sie heilt den König von Frankreich, den seine Aerzte aufgegeben hatten, mit einem von ihrem Vater hinterlassenen Recepte und wird durch den Dank des Königs Gräfin von Rousillon. Das Uebel, an welchem der Monarch leidet, wird eine Fistel genannt. Im Boccaccio, aus welchem Shakespeare schöpfte, heißt es eine Fistel in der Brust, welche aus einer übel geheilten Geschwulst entstanden sei. Eine Fistel aber nennt man einen eiternden Hohlgang, welcher innere Theile auf unnatürliche Weise mit der äußeren Haut in Verbindung setzt.

Gewiß war das Leiden, welches ein junges Mädchen in zwei Tagen (Boccaccio's Giletta braucht wenigstens acht Tage) zur Heilung brachte, von der Art, daß es heutzutage jeder Dorfbarbier mit Leichtigkeit beseitigen könnte. Dennoch ist die von den beiden Dichtern erzählte Begebenheit keineswegs derart, daß man sie ein unwahrscheinliches Erzeugniß ihrer Phantasie nennen dürfte. Beide Dichter lebten in Zeiten, wo von Chirurgie bei den Aerzten kaum die Rede sein konnte, und daß ähnliche Fälle möglich waren, beweist mehr als ein Beispiel in der Geschichte. Kaiser Heinrich II. reist nach Monte Cassino in Italien, um sich von Steinbeschwerden befreien zu lassen; Kaiser Konrad, welcher auf seinem Kreuzzuge verwundet worden war, hatte in seinem ganzen Heere keinen Wundarzt, der ihm helfen konnte, und mußte sich an den Hof zu Konstantinopel begeben, um Heilung zu suchen; Robert von England, der ebenfalls als Kreuzfahrer eine Armwunde davon getragen, mußte aus Mangel an einem geschickten Wundarzte nach Salerno gehn; König Matthias Corvinus von Ungarn, der in einem Gefechte mit den Moldauern eine Wunde bekommen hatte, die nicht geheilt werden konnte, mußte weit und breit bekannt machen lassen, daß er den, der ihn heilen würde, mit Reichthümern und Ehren überhäufen wolle. Trotzdem fand sich vier Jahre lang Niemand, bis endlich Hans von Dockenburg (1468), ein Wundarzt aus dem Elsaß, wagte, zu dem Könige zu reisen und eine Kur vorzunehmen, die auch glücklich gelang. Um dies beurtheilen zu können, müssen wir bedenken, daß die alten Aerzte in unbegreiflicher Verblendung die Chirurgie ganz von der Medicin getrennt hatten. Was heute eine Ehre für jeden Arzt ist, ein guter Chirurg zu sein, galt früher für einen Schimpf. Mußten doch die jungen Aerzte vor der Facultät von Paris einen Eid ablegen, sich der Chirurgie enthalten zu wollen, ehe sie die facultas legendi erhielten. In Deutschland

waren Bader und Barbiere, die einzigen Vertreter der Chirurgie, nicht einmal zünftig, und kein Handwerker nahm einen Lehrling auf, der von einem Bader, Barbier, Abdecker u. s. f. abstammte. Daher kam es, daß die Aerzte allen äusseren Krankheiten, zufolge ihrer totalen Unwissenheit, hilflos entgegen standen. Sie versuchten, dieselben durch innere Mittel zu heilen, und wenn dies nicht gelang, erklärten sie das Uebel für unheilbar, wie die Aerzte in 'Ende gut, Alles gut'. Giebt doch Joh. Gaddesden (15. Jahrhundert) in seiner 'Rosa Anglica' sogar den Rath, Läuse in den Augenbrauen durch Purgirmittel zu vertreiben, weil sie aus innerer Unreinheit stammten. Aehnliche Ansichten hört man ja heute noch im Volke, bei eiternden Wunden, deren Absonderung auf innere Unreinheit bezogen wird. So erscheint uns die Geschichte des Königs in 'Ende gut, Alles gut' im rechten Lichte, und auf die Behandlung seiner Krankheit durch Purgirmittel beziehen sich ohne Zweifel seine Worte:

Die Andern schwächten mich

Durch mancherlei Behandlung.

Auch zu ihm ist der Ruf Gerhards von Narbonne gedrungen, denn er sagt: Lebt' er noch, hätt' ich's doch mit ihm versucht.'

Er hat seine Aerzte verabschiedet, 'unter deren Behandlung er die Zeit mit Hoffnung verschwendet und in ihrem Verlauf nur das gewonnen hatte, daß er mit der Zeit auch die Hoffnung verlor.' Weil die Aerzte dem Könige nicht helfen können, sind sie schnell mit dem Urtheile fertig, daß ihm überhaupt nicht zu helfen sei.

Er und seine Aerzte

Sind Eines Sinnes: Er, Keiner könn' ihm helfen,
Sie, keine Hilfe gäb's.

Wegen der weiteren Ausführung dieses Themas, die Weigerung des Königs, Helena's Anpreisung ihrer Recepte, müssen wir auf das Stück selbst verweisen. Nur den Ausdruck the congregated college, welchen der König gebraucht und den die Uebersetzer mit 'vereinte Facultät' wiedergeben, wollen wir einer näheren Besprechung unterziehn. The congregated college war die Bezeichnung des Aerztecollegiums in London, welches unter Heinrich VIII. 1523 durch Dr. Kaye aus Norwich ins Leben gerufen worden war. Es erhielt das Privilegium, die angehenden Aerzte zu examiniren und den medicinischen Doctorgrad zu verleihen. Außerdem wachte es über der Standesehre seiner Mitglieder, suchte unwürdiges Benehmen derselben zu verhindern und vertheidigte ihre Privilegien selbst gegen die Eingriffe der Staatsbeamten. Dieser Einrichtung ist es zu danken, daß die englischen Aerzte zu einer Zeit, wo die Vertreter der Heilkunde in Deutschland noch auf einer sehr niedrigen Stufe der Achtung standen, eine sehr hohe sociale Stellung einnahmen. Noch

in einer Schwarzburger Marktordnung von 1751 heißt es: 'Seiltänzern, Gauklern, Taschenspielern, Glücksrädern, Komödianten, Aerzten, Bruchschneidern ist das Ausstehn, Spielen und die Uebung ihrer Profession, wenn sie nicht specielle Erlaubniß erforderlichen Ortes dazu ausgewirkt haben, schlechterdings verboten'. Aus dieser Zusammenstellung kann man ohne Commentar erkennen, welches Ansehen ein Arzt in Deutschland noch im achtzehnten Jahrhunderte genoß. Dergleichen Verhältnisse waren in England durch das congregated college unmöglich schon zu Shakespeare's Zeit. Die Aerzte fuhren in Kutschen, damals ein Luxus, den sich nur die Reichen und Großen erlauben konnten; sie kleideten sich in Sammet und trugen sammetne, nach einem gezierten Schnitte geformte Mützen. Vor Allem aber suchten sie sich auf der Höhe der Geistesaristokratie zu halten, und wenn auch ihr Wissen in dem was sie am meisten bedurften, nur ein verworrenes Gemisch von wenig ächten Körnern unter einer Masse Spreu war: in alten und neuen Sprachen, in der Literatur und allgemeinen Bildung nahmen sie eine so hervorragende Stelle ein, daß ein Zeitgenosse Shakespeare's, der Marquis von Dorchester, sich nicht für zu vornehm hielt, noch im Alter von 43 Jahren Medicin zu studiren und sich in das Aerztecollegium aufnehmen zu lassen, eine Ehre, die er, wie er versicherte, nur seinem hohen Adel als Peer von England nachstellte, denn seine Collegen seien die gelehrteste Gesellschaft der Welt. (Dr. Bucknill, The Medical Knowledge of Shakespeare.)

Freilich entdeckt uns ein Arzt des 17. Jahrhunderts, Dr. Gideon Harvey, auch die Kehrseite dieses glänzenden Bildes in seinem Werke über die Intriguen, Verschwörungen und Betrügereien der Aerzte gegen ihre Patienten. Er nennt das Collegium der Aerzte eine Quacksalbersynagoge, welche aus einem ärztlichen Papste oder Patriarchen und einer Zahl medicinischer Cardinäle bestehe, die durch ihr Alter habsüchtig und durch Vergeßlichkeit unwissend geworden seien. Diese suchten die übrigen Aerzte zu beherrschen und sobald sie consultirt wurden, steiften sie sich den Jüngeren gegenüber auf ihre angebliche lange Erfahrung, die jene mit demselben Glauben anerkennen sollten, wie die Türken den Koran. Gegen Diejenigen, welche sich ihnen nicht unterwerfen wollten, schleuderten sie ihre Bullen und Anatheme, in denen sie dieselben für Charlatane, Quacksalber, Chymisten, Barbiere, Ignoranten u. s. f. erklärten. Sollte es aber gar geschehen, daß einem von ihnen Verdammten ein Patient an einer unheilbaren Krankheit sterbe, dann donnerten sie, daß derselbe getödtet, vergiftet, mit falschen Mitteln behandelt worden sei.

In dieser Schilderung erkennen wir das congregated college Shake

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