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in Sicherheit zu bringen und sich und seinen Kampfgenossen Straflosigkeit auszubedingen. Der mehr kriegerische als staatsmännische Prälat büßt diese Kopflosigkeit mit seinem Kopfe.

Von diesem Streiter im Scharlachkleide hebt sich wesentlich Harry Chichely, Erzbischof von Canterbury in Heinrich V. ab, der, mehr Jurist als Geistlicher, so zu sagen Kronsyndicus, den jugendlichen Heldenkönig zum Kriege gegen Frankreich anreizt, indem er ihm mit advocatischer Dialektik seine Berechtigung auf die französische Krone nachweist. Dem staatsmännischen Prälaten kommt es hierbei weniger darauf an, dem Rechte Geltung zu verschaffen, als vielmehr, wie er in dem Zwiegespräche mit dem Bischof Ely Akt I. Sc. 1 unverhohlen ausspricht, durch die von ihm befürworteten Kriegshändel die Verwirklichung einer Parlamentsbill zu paralysiren, nach welcher die englische Kirche die bessere Hälfte ihrer Güter zu Gunsten der königlichen Hof haltung, des Staatsschatzes und der Armenhäuser einzubüßen im Begriffe steht. Der redegewandte Dialectiker besitzt Kühnheit genug, an den Vortheil der Kirche die Wohlfahrt des Staats zu wagen.

Während die bisher Genannten als echte Gentlemen sich darstellen, adlig von Geburt wie edel von Sitte und Gesinnung, führt uns der Dichter in den zwei ersten Theilen Heinrichs VI. einen Prälaten vor, adliger zwar geboren, als seine Collegen, denn er stammt aus königlichem Blute, jedoch sehr unfürstlichen Herzens, den Leonore, Humphrey's, Herzogs von Gloster Gemahlin, als einen „,ruchlosen Priester" bezeichnet, ich meine den Großoheim Heinrichs VI., Harry Beaufort, Cardinal von Winchester, den Sohn Johanns von Gaunt dritter Ehe. Ränkesüchtig, wollüstig, herrschsüchtig bis zum Aeußersten, schreckt Harry Beaufort vor keinem Mittel zurück, seine ehrgeizigen Pläne in's Werk zu setzen, ja er greift sogar zum Mord, indem er die Gesellen dingt, die den guten Oheim Gloster, den Protector des Reichs, erwürgen, damit er an Stelle des Gemordeten die höchste Staatswürde allein einnehmen könne. Die beste Eigenschaft

an ihm ist noch seine Rauflust:

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Oft sah ich's, wie der trotzge Cardinal

Wie ein Soldat mehr, als ein Mann der Kirche,
So keck und stolz, als wär' er Herr von Allem,
Geflucht wie ein Bandit und sich gebehrdet
Unähnlich dem Regenten eines Staats

und dies Gebahren steht ihm schlecht genug zu dem scharlachnen Priestergewande. In ihm spiegelt sich die ganze Rohheit und sittliche Verkommenheit der Rosenkriege. - Dafür geht aber auch der Dichter furchtbar mit ihm in's Gericht. Wie der Trotzige vermeint, die Früchte seiner Verbrechen zu pflücken, befällt ihn jählings schwere Krankheit,

So daß er keucht und starrt und schnappt nach Luft,
Gott lästernd und der Erde Kindern fluchend.

Bald spricht er, als ob Herzog Humphrey's Geist
Zur Seit ihm stünde, ruft den König bald

Und flüstert in sein Kissen, wie an ihn,

Der schwer belad'nen Seele Heimlichkeiten.

In seiner Fieberhitze bietet er Englands Schätze dem Tode, 'so er ihn leben läßt und ohne Pein,' und halb schon starr, in der letzten Todesnoth, vergißt er der Mordanschläge nicht, das Gespenst Humphrey's, das ihn verfolgt, mit Gift bedrohend. Wüst ist sein Sterben, wie es sein Leben war. Hiermit können wir die Reihe der Geistlichen aus der LancasterYork-Historie mit dem Bemerken schließen, daß die in Richard III. vorkommenden Prälaten lediglich zur Staffage herabgedrückt sind und für eine Charakteristik nichts weiter bieten, als daß sich in ihrem lautlosen Auftreten die Furcht vor der Schreckensherrschaft des letzten York's abspiegelt. — So bleiben uns nur noch die Streber des Tudor-Dramas in Heinrich VIII. übrig.

Hier tritt uns vor Allem die colossale Gestalt des Cardinals Wolsey entgegen, des Fleischersohns, des Parvenüs aus 'selbstgeschaffner Webe,' des König-Priesters, der es wagen durfte, seinen Staatsactionen die Signatur: Ego et rex meus voraufzusetzen. Diesen bedeutsamsten aller Shakespeare-Geistlichen als eine anmuthende Erscheinung mit gefälligem Aeußern und feinen Sitten sich vorzustellen, wehrt eine Aeußerung des edlen Bukingham:

Mich wundert,

Wie solch ein Klump mit seiner rohen Last

Der segensreichen Sonne Licht darf hemmen,
Der Erd' es vorenthaltend.

Dem entsprechend stellt sich aber auch sein inwendiger Mensch dar. Der hervorstechendste Zug dieses Emporkömmlings ist neben dem ungemessensten Ehrgeiz Rachsucht. Aus Rache gegen den von ihm gehaßten Herzog Bukingham schmiedet er gegen diesen Edelsten der Edeln eine Klage auf Hochverrath, besticht falsche Zeugen und erwirkt auf diese Weise das Todesurtheil seines Feindes. Mit gleicher Gewissenlosigkeit verfolgt er die Königin Katharina, weil sie ihm übermäßige Schatzung und Volksbedrückung vorgeworfen, seinen Hochmuth wie sein unklerikales Leben getadelt, sie, die fromme, streng züchtige, ascetische Königin und da er sein 'scharf gewetztes Schwert' gegen die hohe Frau nicht frei und offen zücken darf, so 'schleudert' er's aus dem Hinterhalte, zum Bösen eben so rasch, als fein, es zu vollziehn. Heimtückisch weiß er dem sinnlichen Könige Gewissensbedenken über die Zurechtbeständigkeit seiner Ehe mit seines Bruders Wittwe einzuimpfen, gleichzeitig

aber auch seine Sinnlichkeit aufzustacheln und dadurch im Weißglühen zu erhalten, daß er ihm üppige Feste arrangirt, der kupplerische Pfaff! — Erbarmungslos räumt er Alles aus dem Wege, was sich seinem despotischen Willen entgegenstellt

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Sein bäurischer Stolz läßt keinen Pair ungekränkt, und nur, wenn er dem Könige unter die Augen tritt, zeigt er sich geschmeidig, schmeichlerisch. Habgierig und gewissenlos im Aufhäufen von Reichthümern verschleudert er die Beute, seiner Prunksucht zu fröhnen, oder durch Bestechung der römischen Curie sich den Weg für die höchste Würde der Christenheit zu bahnen. 1) Von einem patriotischen Zuge keine Spur.

1) Schärfer als bei Shakespeare III., 2 wird das Streberthum Wolseys pointirt in Samuel Rowley's: When you see me, you know me, (Ausgabe von Elze, Dessau 1874) in folgendem Monologe Scene I:

Jetzt Wolsey Vorsicht! Waffne deinen Witz
Mit wohlgeschärfter, fein geschmeid'ger Klinge,
Mit der du ihre Finten schlau parirst,
Auf daß du vor dem königlichen Paare
Und aller Welt mit Ehren magst bestehn.
So mühte kaum sich Cäsar ab bei Leitung
Der Staatsgeschäfte Roms, wie's Wolsey thut
Im Dienst der Fürsten. Gleichwie Hannibal
Mit Feuers Macht der Alpen Firnen wegschmolz,
Sich Eingang zu verschaffen in das Welschland,
So muß ich, mir den Weg nach Rom zu bahnen,
Für meinen Ruhm entzünden die Gemüther,
Preis gebend selbst die Würde meiner Stellung.
Zu diesem Zweck hab' ich den Plan geschmiedet:
Das Bündniß zwischen uns und Frankreich,
Das Ehverlöbniß mit dem alten Ludwig

Und Heinrichs Schwester, der Prinzeß Maria,

Die Freundschaft mit dem Kaiser. Denn dies Alles
Füg' ich zum Fangnetz für die röm'sche Pabstwahl.
Was machte Alexandern groß, als daß er

Ohn Gnade die Besiegten niederwarf?

Was hindert Wolsey denn, nach seinem Vorbild
Sich Könige und Herrn dienstbar zu machen?
Den Herrscher Englands hab' ich so umstrickt,
Daß ich, indem ich nur zu rathen scheine,
Sie Alle lenke ganz nach meiner Willkür,
Den Hof, den hohen Staatsrath und den König.

Mag er befehlen, wenn ich nur regiere!

Steigt mein Gestirn, muß seines flugs erbleichen,
Wer ew'gen Nachruhms werth, wird bald sich zeigen.

Alles an ihm ist Selbstsucht, die ihn schließlich zu doppeltem Spiel und zum Treubruch wider seinen König und Wohlthäter verleitet. Und dieser maßlose Egoismus ist es, der ihn zu Falle bringt. In dem Eisen, das er seinem Herrn gelegt, fängt sich der Hinterlistige selbst. Nachdem seine Falschheit offenkundig geworden, schickt sich die 'scharlachne Sünde' zur Umkehr an, jedoch auch hierbei zeigt sich seine Reue nur erheuchelt. Wenn er ausruft:

Hätt' ich nur Gott gedient mit halb dem Eifer,
Den ich dem König weiht', er gäbe nicht

Im Alter nackt mich meinen Feinden preis,

wenn er ferner dem Staatssecretair Cromwell die Lehre an den Kopf wirft:

Dein Ziel sei immer Ziel auch Deines Landes,
Wie Deines Gottes und der Wahrheit

so klingt das aus dem Munde dieses verlogenen, verrätherischen Strebers fast wie Ironie, und daß

,,Sein Sinn fortan zum Himmel streben soll"

kann man dem bankerutten Gesellen um so weniger glauben, als diese bußfertigen Stoßseufzer offenbar nur darauf berechnet sind, zur Milderung seiner 'Acht' dem Könige hinterbracht zu werden. Mindestens hat bei diesem Cabinetstück der Falschheit die sicherlich nicht aus dem Innern hervorgehende Buße auch nicht den mindesten sittlichen Werth.

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An seine Stelle tritt alsbald Stephen Gardiner, Bischof von Winchester, ein Ränkeschmied aus Wolsey's Schule, ebenso rücksichtslos, verleumderisch, ehrsüchtig wie der Meister. Seine Intriguen sind hauptsächlich gegen des Königs Schooßkind Thomas Cranmer gerichtet, den Verfechter der königlichen Wünsche und Neigungen in dem Ehescheidungsprocesse, einen gelehrten, versöhnlichen, milden, von einem bescheidenen. Landpfarrer schließlich zum Erzbischof von Canterbury avancirten Prälaten, den er vor dem Staatsrathe der Häresie beschuldigt, ohne allerdings darzulegen, im Betreff welcher Glaubensartikel sein Nebenbuhler in des

Im Uebrigen ist Rowley's Charakterzeichnung weniger prägnant, als die Shakespeare'sche, z. B. tritt die pfäffische Hoffahrt des Cardinals bei Weitem nicht so offenkundig in When you see me etc. hervor. Willy Summers, des Königs Narr darf darin sogar den Cardinal vor dem ganzen Hofe ungestraft verhöhnen. Der Wolsey Rowley's ist wesentlich Intriguant, der nur das eine Ziel verfolgt:

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Mit der Tiara Dreischmuck zu umkränzen.

Außerdem reicht bei Rowley die Herrschaft Wolsey's bis in die Zeit der Katharina Parr, der letzten Gemahlin Heinrichs VIII. hinein, während Shakespeare den Cardinal schon gleich nach der Vermählung des Königs mit Anna Bowleyn von seiner Höhe herabstürzen läßt.

Königs Gunst seine ketzerischen Anschauungen bethätigt haben soll. Aus der Geschichte wissen wir, daß Cranmer es war, der die Reformation der englischen Kirche bis zu dem Punkte entwickelt hat, auf dem sie noch heute steht, d. h. zu den sechs Artikeln, die Denjenigen peinlich verfolgten, der sich für die Brotverwandlung, das Cölibat und einige andere Lehrsätze der römischen Kirche erklärte. Doch von allem diesen

ist im Tudor-Drama auch mit keiner Sylbe die Rede. Wie überhaupt die englische Reformation der Entwickelung von Innen heraus entbehrt und sich als ein bloßer Staatsstreich darstellt, so ist die Häresie auch hier nur vom staatlichen Interesse aus behandelt, das Dogma unberührt gelassen. Cranmer wird demgemäß auch nicht losgesprochen, weil er seine Uebereinstimmung mit den Glaubensartikeln der Kirche nachweist, sondern auf Grund eines königlichen Machtspruchs, der die Versöhnung unter den Strebern, den Creaturen des Despoten, herbeiführt. Gardiner, obwohl Krypto-Katholik, heimlicher Gegner der Kirchenreform1) besitzt gerade genug von der Geschmeidigkeit des Parvenu's, um sich trotz seines Fiasco im Staatsrathe zu halten, aus dem er erst später, als sich seine Ränke gegen die lutherisch gesinnte Katharina Parr, des Königs sechste Gemahlin, richteten, ausgestoßen wurde und zwar zu einer Zeit, die außerhalb unseres Tudor-Drama's liegt, während bekanntlich Cranmer seine Betheiligung am Reformationswerke der englischen Kirche unter der nachmaligen Regierung der katholischen Maria mit dem Feuertode bezahlte.

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Ziehen wir hiernach das Facit der vorstehenden Schilderung, so läßt sich leicht herausrechnen, wie wenig zu Gunsten namentlich der höhern Geistlichkeit die Shakespeare'sche Charaktergebung im großen Ganzen sich gestaltet, zumal wenn man die Bedeutsamkeit ins Auge faßt, mit welcher die drei ausgeführtesten und deshalb am schwersten ins Gewicht fallenden Figuren, die der Cardinäle Pandulpho, Harry Beaufort und Wolsey dargestellt sind. Wer jedoch aus diesem Umstande gegen den Dichter eine Anklage wegen unkirchlicher Gesinnung herzuleiten und zu begründen sich berufen fühlen sollte, dem möchte ich das Bekenntniß eines frommen Mannes aus der englischen Geistlichkeit des 17. Jahrhunderts, des Dr. John Sharp, entgegenhalten, der es liebte, darauf hinzuweisen, daß Aristophanes der Lieblingsschriftsteller des heiligen Chrysostomus gewesen sei:

„Die Bibel und William Shakespeare haben mich zum Erzbischof von York gemacht."

1) Heinrich VIII. Akt V. Sc. I.

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