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allein der englische Reformator glorificirt werden soll, sondern sogar das für Englands Reformirung entscheidende Factum, die Ehetrennung des Tudors von Katharina von Arragonien den Hauptgegenstand bildet, auch nicht der geringsten Spur von Englands Abfall von Rom, von der Aufrichtung der britischen Hochkirche begegnen. Dogma und Confession müssen sonach aus dem Spiele bleiben, wenn wir die in den ShakespeareDramen agirenden Geistlichen classificiren wollen, vielmehr sind wir hierbei lediglich auf das äußerliche Unterscheidungsmerkmal des Standes hingewiesen, den dieselben in der staatlichen oder gesellschaftlichen Gemeinschaft einnehmen. Die Scheidung in den niedern und hohen Klerus beider Confessionen, der katholischen wie der protestantischen, ergiebt sich demgemäß von selbst.

Daß aber für diese allerdings auf das Irdische hinauslaufende Scheidung der Vertreter des Ueberirdischen ein innerlicher Bestimmungsgrund vorhanden sein müsse, läßt sich bei Shakespeare von vornherein annehmen. In der That ist es auch immer wieder jener inductive Zug des Engländers zum Realistischen, was hier durchschlägt. Der Dichter sieht in dem Verwalter der himmlischen Güter nichts weiter, als den staubgeborenen Erdensohn mit allen der Creatur anhängenden Mängeln und Leidenschaften, den sündhaften Menschen, dessen Schwächen selbst das Ansehen des priesterlichen Kleides, selbst das Unnahbare des Heiligen, das er zu hüten berufen ist, weder zuzudecken noch zu neutralisiren vermag. Shakespeare pointirt dies zu wiederholten Malen, indem er geltend macht: Cucullus non facit monachum. 1)

Für die Gestaltung der dramatischen Charaktere reicht jedoch selbstredend das rein Menschliche nicht aus. Wie beim Gemälde der Künstler neben der Zeichnung noch besonders das Colorit ins Auge zu fassen hat, um seinem Kunstwerke die volle Wirkung zu sichern, so muß der Dramatiker seinen Figuren den entsprechenden Farbenton der Zeit, in welcher sich dieselben bewegen, zu geben wissen. Dies macht den darzustellenden Charakter erst charakteristisch. Auch hierin folgt der britische Dichter bei Darstellung seiner Kleriker dem Empirismus seines Volks, das mit seiner Gedanken- und Empfindungswelt mit Vorliebe auf diesem Erdenballe verweilt und das Ideale dem Reich der Träume, den wesenlosen Gebilden der Luft überläßt.

Für die gehörige Würdigung der beiden geistlichen Classen im Allgemeinen, namentlich des Shakespeareschen Farbentons bei Charakterisirung derselben, giebt uns Macaulay in seiner lichtvollen Schilderung des englischen Clerus vor und nach der Restauration (also zur Lebenszeit Shake

1) Heinrich VIII, III, 1. Maaß für Maaß V, 1. cf. Elze, William Shakespeare, Seite 533.

speare's bis etwa 70 bis 80 Jahre nach seinem Tode), Geschichte Englands II, Capitel 3, den Schlüssel.

Nach der Darstellung des Historikers hatten vor der Reformation Geistliche die Mehrheit im Hause der Lords gebildet, hatten sich in Reichthum und Glanz mit den größten der weltlichen Barone gemessen, zuweilen sie überstrahlt und in der Regel die höchsten bürgerlichen Aemter innegehabt. Der Lord Kanzler war immer ein Bischof, der Lord Großsiegelbewahrer und der Staatsarchivar gewöhnlich, der Lord Schatzmeister zu öfterem. Kirchendiener verhandelten die wichtigsten diplomatischen Geschäfte und besorgten den größten Theil der Verwaltung. Unter ihnen befanden sich Söhne der erlauchtesten Familien und nahe Vettern des Throns. Nach der gewaltigen Umwälzung beraubte die Aufhebung der Klöster die Kirche mit einem Schlage des größeren Theils ihres Reichthums, ihres Uebergewichts im Oberhause. Der Scharlachhut des Cardinals, das Silberkreuz des Legaten verschwanden. Der geistliche Beruf fing an, für eine Eigenschaft zu gelten, die zu hohen bürgerlichen Aemtern ungeeignet machte. Der Staat Parkers und Grindals erschien denen bettelhaft, die sich der königlichen Pracht Wolsey's erinnerten, seiner Paläste Whitehall und Hampton-Court, der drei glänzenden Tafeln, die täglich in seiner Halle gedeckt wurden, der vierundvierzig glänzenden Chorröcke seiner Capelle, seiner Läufer in reichen Livreen und seiner Leibgarde mit vergoldeten Streitäxten. - So verlor das priesterliche Amt seine Anziehungskraft für die höheren Classen; der Clerus ward als eine im Ganzen genommen plebejische Classe betrachtet; der Hauscaplan war zum Hausbedienten herabgesunken. Für schmale Kost, eine kleine Dachstube und für ein Taschengeld von zehn Pfund jährlich engagirte man einen jungen Theologen, der sich neben den Functionen seines geistlichen Berufs für das Kegel- und Beilkespiel seines Patrons bereit zu halten, sich zum Stichblatt für die Späße der Gentlemen herzugeben, ja sogar die Arbeiten eines Gärtners oder Stallknechts zu verrichten hatte. Bald befestigte der ehrwürdige Mann die Aprikosen am Spaliere, bald striegelte er die Kutschpferde; er controlirte die Rechnungen des Hufschmieds, er ging zehn englische Meilen mit einer Botschaft, einem Packet. Wenn es ihm erlaubt war, mit der Familie zu Mittag zu essen, So erwartete man, daß er sich auf die einfachsten Speisen beschränken werde. Er mochte sich mit dem gepökelten Rindfleische und mit den Mohrrüben vollstopfen, aber sobald die Torten und Rahmkuchen erschienen, verließ er seinen Sitz und stand bei Seite, bis er aufgefordert ward, für das Mahl, von dessen besserem Theile er ausgeschlossen war, das Gratias zu sagen. Die Köchin, das Hausmädchen und wenn es hoch kam, die Kammerfrau der Lady galten allgemein für die passendsten Lebensge

Jahrbuch XVI.

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fährtinnen des Pfarrers, der sich nach einer Verordnung der Königin Elisabeth vom Jahre 1559 nicht unterfangen durfte, ein zum Dienstpersonale gehöriges Frauenzimmer ohne ausdrückliche Zustimmung der Herrschaft zu heirathen.”

Allerdings fehlte es nach der Darstellung des Geschichtsschreibers im siebenzehnten Jahrhundert nicht an Geistlichen der englischen Kirche, die sich durch ihre Begabung, Beredsamkeit, wissenschaftliche Bedeutung einen nicht geringen Einfluß auch auf die weltlichen Dinge zu verschaffen wußten. Diese hervorragenden Männer wie Pearson, Harry, More, Burnet, Tennison lehrten jedoch an den Universitäten oder predigten in der Hauptstadt des Landes und bekleideten ausnahmslos die hohe Würde eines Bischofs oder Erzbischofs. —

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Dies kulturhistorische Bild, das Macaulay entwirft, giebt uns den besten Aufschluß darüber, wie Shakespeare dazu gekommen ist, unter der niedern protestantischen Geistlichkeit seiner Zeit selbst die Modelle zu Lustigmachern (Clowns) aufzusuchen und einen Pfarrer Evans in den lustigen Weibern, einen Olivarius Textdreher in 'Wie's Euch gefällt', einen Nathanael in Liebes Leid und Lust' auf die Bretter zu bringen. Es ist ihm sicher nicht in den Sinn gekommen, einer individuellen Mißachtung des niederen Clerus protestantischer Confession bei Darstellung jener komischen Figuren Ausdruck, und aus Spottsucht dieselben dem Gelächter seines Parterres preiszugeben als realistischer Engländer hält er sich eben nur an die Schätzung seiner Zeit, und wenn man die Quellen, aus welchen Macaulay für seine Darstellung geschöpft hat, mit den erwähnten Gestaltungen Shakespeare's vergleicht, so wird man finden, wie glimpflich unser Dichter mit seinen Pfarrern und Caplanen umgegangen ist. er dem niederen Clerus katholischer Confession, als z. B. dem Pater Lorenzo in 'Romeo und Julie', dem Bruder Franziskus in 'Viel Lärm um Nichts' eine andere Färbung, eine durchaus würdige, dem Seelsorgeramte entsprechende, Haltung verliehen hat, kann uns in der That nicht Wunder nehmen, schon wenn wir die vorreformatorische Zeit, in welche die den betreffenden Dramen zu Grunde gelegten Thatsachen fallen, in Verbindung mit dem Verhältniß in Betracht ziehen, in welches diese Geistlichen zu dem Verlauf der Handlung gebracht sind. Doch abgesehen hiervon hatten die katholischen Priester zu Elisabeth's Zeiten in England eine ganz andere Position. Die junge Reformation war noch nicht insoweit erstarkt, um den ganzen Zauber der Romantik, mit dem die mittelalterliche katholische Kirche bekleidet war, zu brechen, den sie noch immer umgebenden Nimbus zu zerstören. Die Machtstellung des päpstlichen Stuhls, der Gehorsam, den die katholischen Mächte wie Spanien, Frankreich dem Vatican zollten, deckte noch immer das Ansehen der

Römlinge selbst in dem freigewordenen Inseleilande, ja es nöthigte sogar das Martyrium, in welches die auf britischem Boden unter Elisabeth nicht geduldete römische Kirche hineingedrängt war, den Bekennern der herrschenden Lehre Achtung und Mitgefühl ab. Drum war bei Shakespeare's Mönchen nicht Raum für die Komik.

Wenden wir uns nun zu einer näheren Erörterung der einzelnen Charaktere, so tritt von den niederen Klerikern vor Allen Pater Lorenzo in 'Romeo und Julie' in den Vordergrund. Während seine Amtsbrüder in den andern Shakespeare-Dramen sich nur innerhalb der Grenzen der Episode bewegen und dem entsprechend als intermezzistische Beiläufer nur leicht hin skizzirt sind, nimmt Pater Lorenzo die Haupthandlung in der Liebestragödie in die Hand und übt auf das Geschick der Liebenden durch That und Wort den entschiedensten Einfluß aus. Er verbindet das Paar ohne Zuziehung der Familienhäupter; er dirigirt nicht bloß den verbannten Romeo, sondern auch die verzweifelnde Julia, als sie zur Heirath mit dem Grafen Paris gezwungen werden soll, indem er ihr den rettenden Trank verabreicht; auf seine Intervention ist die intendirte Wiedervereinigung der getrennten jungen Ehegatten gestellt. Er tritt sogar als das einzige thatkräftige Element in der Tragödie auf, indem sich in seiner Handlungsweise eine vernünftige Berechnung überall kund giebt, während in dem sonstigen pragmatischen Verlaufe des Drama's der blinde Zufall sein trauriges Spiel treibt. Dieser Position zur Handlung gemäß ist auch die Figur des Mönchs gestaltet, ausgeführt und bis in die kleinsten Details gezeichnet. Mag nun der Dichter bei Bearbeitung der Sage von 'Romeo und Julie' aus den englischen Quellen des Arthur Brooke oder des William Paynter oder aus Boisteau's Uebersetzung geschöpft haben oder mag er den italienischen Originalerzählungen des Bandello, Masuccio oder Luigi da Porto gefolgt sein für die Charakteristik des Mönchs kann dies füglicher Weise insofern außer Betracht bleiben, als dieselbe in allen diesen dem Drama möglicher Weise zum Grunde gelegten Novellen und Gedichten als die gleiche sich darstellt. Ueberall tritt Pater Lorenzo da Reggio, vom Mönchsorden der Minoriten, Magister der Theologie, als ein Weltweiser auf, vertraut mit den Wunderkräften der Natur, ein gelehrter Chemiker, eingeweiht in die Geheimnisse der magischen Kunst, ebenso bewundert als Alchymist wie geliebt bei Alt und Jung, Vornehm und Gering wegen seiner Herzensgüte, weshalb auch sein Beichtstuhl der gesuchteste in Verona ist. Von dieser Charaktergebung weicht Shakespeare nicht ab. Der Monolog, mit dem der Dichter den Mönch einführt: 'Der Morgen lächelt froh der Nacht ins Angesicht' läßt uns in ihm den denkenden Naturkundigen erkennen, und die Trostgründe, mit welchen er den flüchtigen Romeo über den gegen diesen gefällten Bann

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spruch des Fürsten zu beruhigen versucht, wurzeln lediglich in der Philosophie, der Trübsal süßer Milch'. Die Lehren, Warnungen, Strafpredigten, mit denen er den Liebenden das Uebermäßige ihrer Leidenschaft zu Gemüthe führt, gipfeln ausnahmslos in einer Reihe moralistischer Sätze, wie sie ebensogut von den Weltweisen Griechenlands hätten aufgestellt werden können, weshalb Gervinus in dem Mönche den Chor der Alten verkörpert sieht. Dem bibelfesten Engländer wäre es hierbei gewiß ein Leichtes gewesen, dem Manne von Gottes Wort specifisch christliche Ermahnungen in den Mund zu legen der Dichter vermeidet es jedoch, wie es scheint geflissentlich, den würdigen Geistlichen von seiner Theologie Gebrauch machen zu lassen, wie überhaupt der heilige Beruf des Shakespeare'schen Franziskaners nur bei der Verrichtung der Trauung zum Vorschein kommt, die noch dazu hinter die Coulissen verlegt wird. Daß der gutherzige, nur das Beste, den Frieden der Stadt und die Versöhnung der feindlichen Geschlechter beabsichtigende Mönch in der Schlußscene des Drama's sich ängstlich und furchtsam zeigt, kann ihm unsere Sympathie nicht entziehen, wenn wir die Verantwortung in Betracht ziehen, die er durch sein Eingreifen in das Geschick der Liebenden auf sich geladen hat, sowie sein hohes Alter, welches er selbst in seiner Schutzrede des fünften Aktes ausdrücklich zu betonen nicht unterläßt.

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Mit derselben Liebenswürdigkeit ist der Pater Franziscus in 'Viel Lärm um Nichts' ausgestattet, der alte Hauscaplan und Hausfreund der Gouverneurs-Familie zu Messina, der scharfsichtige Psycholog, der in der von dem Bastard Juan angerichteten Verwirrung allein den Kopf oben behält und mit seinem Rathe, die verläumdete Hero für todt zu sagen und auf diese Weise 'Verläumdung zu wandeln in Mitleid gegen sie' den Nagel auf den Kopf trifft. Obgleich Pater Franziscus für die Handlung des Lustspiels nur von secundärer Bedeutung ist, so hat er doch vor seinem Amtsbruder Lorenzo das voraus, daß sein Eingreifen von dem besten Erfolge gekrönt ist, während Lorenzo's Berechnung an der Macht der Verhältnisse scheitert. Weniger gelehrt als lebensklug und durch Erfahrung geschult, zeigt er sich als der competenteste Berather, als der praktischste Seelenarzt, der nicht allein das Uebel sofort erkennt, sondern auch das rechte Mittel dagegen weiß und anwendet.

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Als bloße Trauungsgeistliche fungiren: der Priester in 'Was ihr wollt' und der Mönch Peter in 'Maaß für Maaß', von denen der Erstere nur den zwischen der Gräfin Olivia und Sebastian geschlossenen Ehebund constatirt, der Letztere von dem Herzog beordert wird, den Statthalter Angelo mit der von diesem betrogenen Marianne zu vermählen. Während der Erstere sich nicht über die Sphäre des heutigen Standesbeamten hinaus bewegt, läßt der Dichter den Anderen, einen redlichen,

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