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sagung, um ungetheilt und unbeirrt seinem Rachewerk leben zu können; die herzkränkende Möglichkeit, daß sie einem Andern angehören könne. 'Geh in ein Kloster!' sagt er und preßt darin seinen Schmerz über seine Trennung von ihr, sein Verzichten auf ihre Liebe und die Forderung, daß sie wie für ihn so für die Welt sterben solle, zusammen. Ein herzbrechendes Wort für ihn wie für sie, worin sich das Weh, aber auch die Eigensucht seiner Liebe ausdrückt. Je bewegter, je wärmer im Ton der Schauspieler diesen Auftritt spielt, um so eher wird er die Absicht des Dichters erreichen. Das Liebenswerthe in und an Hamlet muß hier auch für den kältesten Zuschauer zum Durchbruch kommen; nicht nur Opheliens Klage um den Verlust eines solchen Geliebten, um die Zerstörung eines so edlen Geistes, soll uns betrüben und rühren, auch Hamlet's Loos, der sein Theuerstes opfert, um der feierlich gelobten Pflicht sein Sein und Denken ausschließlich zu widmen, soll uns erschüttern. Von allen Hamletspielern, die ich gesehen, hat Keiner diese Scene wahrer, ergreifender, bedeutsamer gespielt, als Joseph Wagner: er hat im Jahre 1848 den Hamlet viermal, im Jahre 1849 dreimal in Berlin und dann viele Jahre hindurch im Burgtheater zu Wien dargestellt. Er legte seine ganze Kraft in diesen Auftritt, wir empfanden, wie sein Herz bei dem Abschied von Ophelien brach. Bildet im Anfang die Begegnung mit dem Geiste den Höhepunkt, zu dem der Darsteller hinstreben muß, so ist die Scene mit Ophelia im Verein mit dem Monolog im Verlauf der Handlung der zweite Höhepunkt der Darstellung.

Zu häufig wird sie vernachlässigt, weil der Künstler seine Energie für die Schauspielscene aufbewahren will, die ja an die Kunst seines Spiels, die Gelenkigkeit seiner Glieder, an die stumme Sprache seiner Mienen und Geberden bedeutende Anforderungen stellt. Die Anordnung ist im Großen und Ganzen überall dieselbe: Hamlet zu Ophelien's Füßen liegend, Horatio hinter ihrem Sessel stehend, ihnen gegenüber der König, die Königin, Polonius sitzend. Je weiter das Schauspiel vorrückt, desto heftiger wird Hamlet's Rede, desto unruhiger und gestörter sein Betragen. Seine Aufmerksamkeit ist zwischen den Schauspielern und dem König getheilt; mit fieberhafter Spannung verfolgt er die Zeichen der wachsenden Gewissensangst des Königs; er rückt ihm immer näher, als wolle er ihn zum Geständniß seines Verbrechens zwingen, ihm den Degen in den Leib stoßen. Da bricht der König auf, im selben Augenblicke ist Hamlet auf den Füßen, er begleitet schreiend und lachend den König bis an die Coulisse, er ist außer sich. Die Versuchung hier in allzu grellen Farben aufzutragen, liegt zu nahe, als daß nicht die Künstler ihr verfallen sollten. Aber die Betrachtung muß ihre Leidenschaft mäßigen, daß Hamlet keineswegs entschlossen ist, bis zum Aeußersten vorzuschreiten, daß ihm

Jahrbuch XVI.

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das Schauspiel nur dazu dienen soll, Gewißheit über die Schuld des Königs zu erlangen; darum ist auch sein erstes Wort, als er wieder zur Besinnung gekommen: 'O lieber Horatio, ich wette Tausende auf das Wort des Geistes.' Nur auf Augenblicke ist er außer sich. Wie die Situation hier zur Uebertreibung des Zornes und der Raserei, so verleitet die Scene mit der Mutter den Darsteller oft zu einer Uebertreibung nach der entgegengesetzten Richtung in das Weichliche und Sentimentale hinein. 'Nur reden will ich Dolche, keine brauchen!' sagt Hamlet, als er sich zu der Unterredung mit der Mutter aufmacht. Alles was nun im Gemache der Königin geschieht, die Ermordung des Polonius, die Erscheinung des Geistes, die Reue Gertrud's, Alles was gesprochen wird, hat einen so düsteren tragischen Charakter, daß von weichlicher Rührung keine Spur sich zeigen darf. Etwa, daß Hamlet seiner Mutter beim Abschiede die Hand küßt, sie zärtlich umarmt oder vor ihr niederkniet! Wohl regt sich nach der Ermahnung des Geistes, nachdem sich Hamlet's Wahnsinn ausgetobt, in seiner Seele ein milderes Gefühl, seine Worte werden sanfter, durch alle Bitterkeiten und Scheltreden bricht die Liebe des Sohnes zur Mutter durch, aber das Ganze bleibt im strengen Stil. Herzenszerknirschung tritt ein, kein weibischer Thränenfluß. Denn unmittelbar vor dem Abschied schlägt Hamlet's Stimmung wieder um; er räth der Mutter in ironischer Bosheit 'den ganzen Handel an den Tag zu bringen,' erst als sie darauf erwiedert: 'Sei du gewiß, wenn Worte Athem sind und Athem Leben ist, hab' ich kein Leben, das auszuathmen, was du mir gesagt,' trennt er sich mit einem zweimaligen: 'Nun gute Nacht, Mutter!' von ihr. Wie beim Abschied von Ophelien, ist er tragisch, nicht sentimental. Zu den schönsten Momenten in Sonnenthal's Darstellung des Hamlet gehört diese Scene; seine Zunge heilt die Wunden nicht, die sie schlägt, allein sie träufelt einen Tropfen Balsam hinein. Seine Geberde, seine Haltung bleiben immer würdig, heroisch; man sieht es ihm an, wie sein Rächeramt mit seiner Liebe zur Mutter in ihm kämpft, er vergiebt ihr nicht, aber er scheidet versöhnlicher, als er gekommen, von ihr. Dies scheint mir der richtige, der vom Dichter gewollte Schluß.

Von diesem Schluß des dritten Aufzugs an bietet die Rolle des Hamlet keinem bedeutenderen und geübteren Schauspieler ernste Schwierigkeiten mehr. In dem kurzen Gespräche des Prinzen mit dem König, im Anfang des vierten Aktes, herrscht die bissige, herausfordernde Ironie vor, worin sich Hamlet seinem Oheim gegenüber gefällt; der Monolog, bei dem Vorüberziehen der Truppen des Fortinbras, wie wichtig er auch für die Erkenntniß von Hamlet's Charakter, seiner Feigheit und Trägheit ist, unterscheidet sich für den Vortrag kaum von dem Monologe, in dem sich Hamlet nach der Declamation des Schauspielers vom rauhen Pyrrhus zur

That spornt. Der Ausruf: 'O welch' ein Schurk' und niedrer Sklav bin ich!' wiederholt sich hier in der Frage: 'Wie steh' denn ich, den seines Vaters Mord, der Mutter Schande, Antriebe der Vernunft und des Geblüts, den nichts erweckt?' und in dem Schlußsatz: 'O von Stund' an trachtet nach Blut Gedanken oder seid verachtet!' Eine bedeutende Wirkung, wie etwa durch den Schlußmonolog des zweiten Aktes, ist nicht damit zu erzielen; so tief ist der Zuschauer schon in die Willensschwäche Hamlet's eingedrungen, um von seinen großen Worten nichts mehr zu erwarten. Im fünften Aufzuge stehen in Hinsicht auf den theatralischen Effect der Zusammenstoß zwischen Hamlet und Laertes an Opheliens Grabe und die Fechtscene obenan. Zu dem letzten Auftritt ist zuerst und zuletzt die ansprechende Persönlichkeit erforderlich, wie ich sie oben schilderte; Gewandtheit, Kraft, Fechterkunst müssen sich mit fürstlicher Jugend und Haltung verbinden, wo eine dieser Eigenschaften vermißt wird, tritt keine volle Wirkung ein. Den Wechsel der Rapiere würde ich, nach der Angabe des Dichters, in der Hitze des Gefechts sich vollziehen lassen, so, daß Hamlet, als er sich getroffen fühlt, dem Laertes die Waffe entreißt und ihm dafür die seine anbietet. Denn daß Laertes freiwillig das vergiftete Rapier aus der Hand lassen wird, ist nicht denkbar. Die Worte Hamlet's 'Hier, mörderischer, blutschänderischer, verruchter Däne! Trink' diesen Trank aus!' führte Kemble wirklich aus: 'nachdem er den König erstochen hat', berichtet Tieck, 'setzt er ihm den vergifteten Kelch an den Mund und zwingt ihn noch sterbend, davon zu trinken, welches ich', fährt Tieck fort, 'für richtig halte.' Die Richtigkeit gebe ich gern zu, aber den Eindruck der Handlung, wie ich sie wenigstens von Rossi dargestellt sah, der den Trank dem zusammengebrochenen König in den offenen Mund gießt, war nichts weniger als schön. Vielleicht genügt es, wenn Hamlet den Becher gegen den auf den Tod getroffenen König schüttelt, der ihm unter den Händen stirbt.

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In Berlin wurde Hamlet zum ersten Male am 17. December 1777 gespielt, am hundertsten Jahrestage dieses Ereignisses fand auf der Bühne des Schauspielhauses (17. December 1877) die zweihundertachtundsiebenzigste Aufführung des Trauerspieles statt. Die hervorragenden Schauspieler, die hier nach einander zu wiederholten Malen den Prinzen dargestellt haben, sind folgende: Brockmann (12 mal), Schröder (8 mal), Czechtitzky (vom Jahre 1782 bis zum Jahre 1795 27 mal), Fleck (3 mal), Beschort (von 1796-1803 16 mal), Bethmann (10 mal), P. A. Wolff (von 1816-1827 19 mal), Krüger (von 1822-1835 22 mal), Rott (3 mal), Ludwig Löwe (1838 2 mal), Eduard Devrient (4 mal), Emil Devrient (2 mal), Carl Devrient (2 mal), Hendrichs (seit 1846-1855 4 mal), Joseph Wagner (1848 und 1849 7 mal), Dessoir (von 1847-1867 57 mal),

Dawison (1855 und 1865 3 mal), Berndal (von 1857-1874 25 mal), Friedrich Haase (1869 1 mal), Ludwig (1877 17 mal, 1878 3 mal, 1879 5 mal). Von den Künstlern, die ich selber seit 1845 auf dieser Bühne gesehen, blieben Hendrichs, Berndal, Haase, jeder auf seiner Seite, gleichweit von der wahrhaftigen Verkörperung des Dänenprinzen entfernt. Die großen Vorzüge Hendrichs', seine stattliche und gewinnende Erscheinung, der Adel seines Ganges und seiner Bewegungen, der melodische Wohlklang seines Organs kamen gegen seine Schwächen: die geringe Schärfe seiner Auseinandersetzung, das Unvermögen, der Rolle geistig Herr zu werden, nicht auf; er gab es denn auch, mit dem feinen künstlerischen Instinct, der ihn auszeichnete, bald auf, sie im Wettkampf mit Dessoir zu spielen. Berndal, der sie länger und hartnäckiger bewahrt, brachte nur das rhetorische Element in ihr zur Geltung, bis zu Hamlet's Wesen drang er nicht vor. Der Natur seines Talents nach zerpflückte Friedrich Haase die Rolle in lauter Stücke und Stückchen und verwandelte den heroischen Prinzen in einen blöden Hans den Träumer in verschwimmenden Formen und Farben: der in seiner Art so große und so eigenthümliche Künstler hat es jedoch auch mit einer einmaligen Verirrung gut sein lassen. Maximilian Ludwig spielt seit dem 14. Februar 1877 mit allgemeinem Beifall den Prinzen; führt er uns nicht den ganzen Hamlet vor, so bringt er doch viel des Erfreulichen und Bedeutenden, was die Vergleichung mit seinen genialischen Vorgängern Emil Devrient, Dessoir, Dawison recht wohl aushält. Im Allgemeinen nähert sich die Gestalt, die er hinstellt, der Devrient'schen; im glücklichen Spiel verkörpert er uns den jungen Fürsten, den sinnenden Träumer. Die Tiefe Hamlet's, die Dessoir nach der melancholischen, Dawison nach der satirischen und wahnverwirrten Seite hin gleichsam ausschöpften, wird freilich nur eben gestreift, aber das Bild ist rührend, an manchen Stellen ergreifend. Der Künstler hat den Ton, die Haltung, die schnellen Uebergänge der Stimmung und der Rede, die Hamlet eigenthümlich sind, um unsere Theilnahme zu gewinnen und festzuhalten. Vor Sonnenthal, der ihm als Künstler überlegen ist, hat er den Reiz der Jugend, vor Ludwig Barnay, der weniger Shakespeare's Hamlet als seine virtuosen Phantasien über oder zu Hamlet spielt, die grössere Gewissenhaftigkeit gegen den Dichter und die Schlichtheit und Verständlichkeit der Auffassung voraus.

Ich will diese Bemerkungen mit der Schilderung der Darstellung beschließen, die zwei ausgezeichnete italienische Schauspieler von Hamlet gaben. Ernesto Rossi, der sich dem Berliner Publicum schon als Othello ebenso vortheilhaft wie eigenartig bekannt gemacht, spielte am 23. April 1874 auf der Bühne des Victoria-Theaters in Berlin zum ersten Male den Hamlet. Amleto Principe di Danimarca, sagte der Zettel, in 6 Akten und 10 Bildern.

Adolf Stahr, der im Herbste 1866 in Florenz diese Hamlet-Bearbeitung darstellen sah, bemerkt darüber: 'Daß Shakespeare's Dichtung für uns in dieser Sprache und Darstellung immer etwas Fremdartiges, Ungehöriges behalten werde. Ein Eindruck, der auch der meinige ist. Als Uebersetzer der Dichtung nennt Stahr Rusconi. So weit man es nach einer Bühnenaufführung beurtheilen kann, ist die Uebersetzung geschickt, aber die italienische Sprache selbst erweist sich als ungeeignet, den markigen, zuweilen dunklen Ausdruck Shakespeare's in gleicher Tiefe, Bedeutsamkeit und Kürze wiederzugeben. Die italienische Einrichtung ist folgende: im ersten Akte folgen die Scenen einander wie im Original, nur die Scene zwischen Hamlet und dem Geist hat eine Aenderung erfahren. Hamlet folgt nicht dem Geiste zu jener schreckensvollen Klippe, die über dem Meer hängt, sondern heißt seine Gefährten sich entfernen und bleibt allein mit dem Geiste auf der Schloßterrasse. Der bedeutungsvolle Moment, wie Hamlet dem voranschreitenden Geiste nachgeht, fällt somit für den italienischen Schauspieler fort. Aus dem folgenden Auftritt Hamlet's mit Horatio und Marcellus ist Alles gestrichen, was auf seine Verstörtheit, auf die Absicht, den Narren zu spielen, hindeutet; mit dem Ruf der beiden Krieger: 'wir schwören!' schließt der Akt. Die so bezeichnenden Verse: 'Die Zeit ist aus den Fugen; Schmach und Gram, Daß ich zur Welt, sie einzurichten, kam

werden von Rossi nicht gesprochen. Der zweite Akt beginnt mit der Scene zwischen dem König, der Königin und Polonius und setzt sich dann wie im Original fort. In die Schauspielerscene, die hinsichtlich der Recitation von Priamus' und Hekuba's Ende sehr gekürzt ist, hat der Bearbeiter die Bemerkungen und Anordnungen Hamlet's, wie die Schauspieler sich zu benehmen und zu spielen hätten, aus dem dritten Akt des Originals verflochten. Nach dem Abgang der Schauspieler hält Hamlet nicht den Monolog: 'O welch' ein Schurk' und nied'rer Sklav' bin ich!' sondern gänzlich unmotivirt den Monolog: 'Sein oder Nichtsein.' Daran schließt sich die Scene mit Ophelia aus dem dritten Akt; mit dem Ausrufe Hamlet's: 'Geh in ein Kloster!' fällt der Vorhang. Der dritte Akt enthält nach einander: das Schauspiel, die Scene mit der Flöte, das Gebet des Königs, das Gespräch Hamlet's mit seiner Mutter, auch dieses mit einer herzkränkenden Umänderung. Nicht mit dem Beginn der Aussöhnung zwischen Mutter und Sohn, nicht mit dem tragisch ergreifenden 'Gute Nacht, Mutter!' schließt die Scene, sondern mit der boshaften, ungeheuerlichen Aufforderung Hamlet's: die Mutter möge gleich zum Könige eilen und ihn, ihren einzigen Sohn, verrathen. Zu Anfang des vierten Akts bricht Hamlet nach England auf; in dem Königspalast spielen sich wie im Original nacheinander der Aufstand des Laertes, sein Bündniß

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