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Wie im Hamlet, so bildet auch im Othello der Monolog ein vorherrschendes unentbehrliches Element und zwar aus ähnlichem Grunde. Wie der Held des einen Dramas kann auch der Schurke des anderen keinen Vertrauten haben bei der Vollführung des Planes, den er durch alle Stadien der dramatischen Handlung verfolgt, und der Dichter sieht sich daher veranlaßt, in beiden Fällen durch eine Reihe von Monologen die Zuschauer fortlaufend zu orientiren über die Motive der betreffenden Personen und über den jedesmaligen Stand der Angelegenheit, die gefördert werden soll. Damit ist freilich die Aehnlichkeit zwischen beiden abgeschlossen, denn im Uebrigen läßt sich kaum ein größerer Contrast denken als der zwischen Hamlet's und Jago's Selbstbekenntnissen besteht. Auf der einen Seite eine reflectirende grüblerische Gewissenhaftigkeit, die immer anhält und zögert auf dem Wege zu dem erstrebten Ziele und dieses Ziel am Ende doch nur durch einen außer der Berechnung liegenden Zufall erreicht; auf der andern Seite eine praktische energische Gewissenlosigkeit, die ihr Ziel unverrückt in's Auge faßt und sich durch keine menschliche Regung von ihrem teuflischen Wege zur Erreichung des Zieles abirren läßt. Damit hängt es denn zusammen, daß der offene Cynismus, mit welchem Jago das Publicum gleichsam zum passiven Mitwisser seines Vorhabens und Thuns macht, das Verständniß seiner Monologe und aus den Monologen heraus seines Charakters eben so sehr erleichtert, wie die verschleierten Selbsttäuschungen Hamlet's solches Verständniß erschweren. Eine Analyse der Jago'schen Monologe hat es denn auch mit der Bewältigung eines bequemeren Materials zu thun, wie sich das nun im Einzelnen ergeben wird.

Schon Jago's erster Monolog am Schlusse des ersten Aktes enthält das Programm der ganzen Tragödie, so weit sie Jago zu ihrem Urheber hat. Das,,doppelte Schelmenstück", das er vollführen will, Othello's und Cassio's Verderben und zwar das Verderben des Einen durch den Anderen, steht ihm hier schon vor Augen. Zunächst nur in allgemeinem Umrisse, denn die Details der Ausführung muß er noch der Zeit und den Umständen überlassen, die er schon seinen Zwecken dienstbar zu machen wissen wird. Seinen Beweggrund zu solchem Plane kennen wir bereits aus seinem Zwiegespräch mit Rodrigo: es ist die kränkende Zurücksetzung, welche er von Othello erlitt, als nicht er, sondern Cassio zu dessen Leutnant ernannt wurde. In dem Monologe ist aber dieser Beweggrund, der für den Gimpel Rodrigo plausibel genug sein mochte, als irrelevant übergangen, und fast eben so wenig stichhaltig scheint ein statt dessen angeführtes Motiv: der von Jago selbst angezweifelte Verdacht, als ob Othello zu Jago's Frau in sträflichem Verhältnisse gestanden habe. Jago's eigentlichen Beweggrund läßt

der Dichter in dem Monologe uns nur errathen: Jago haßt den Othello und den Cassio wie der Böse den Guten, der Gemeine den Edlen haßt und hassen muß, psychologisch aus innerer Nothwendigkeit.

Auch an das folgende Zwiegespräch Jago's und Rodrigo's schließt sich ein Monolog des Ersteren, wiederum als Ergänzung zu dem mit Rodrigo Verhandelten und als solche ein Seitenstück seines früheren Monologs. Ein neu hinzutretender Zug darin ist eine gewisse Selbstanreizung zur Verfolgung seines Planes, deren ein Mensch wie Jago doch kaum zu bedürfen schien. Der Verdacht, Othello sei ihm bei Emilie in's Gehege gekommen, vorher von ihm selber angezweifelt, wird hier als eine ihn quälende Vermuthung hingestellt, aber hier zur Rechtfertigung eines etwaigen Anschlages auf die Ehre der Desdemona von Seiten Jago's:

Nichts kann und soll mein Herz beruhigen,
Bis ich ihm wett geworden, Weib um Weib.

ruft er aus, und wenn er hinzufügt:

Den Cassio fürcht ich auch für mein Gespons,

so hat der Dichter damit vielleicht weniger ein secundäres Motiv zur Intrigue gegen Cassio dem Jago in den Sinn und Mund legen wollen, als vielmehr einen weiteren Beitrag zur Charakteristik des Letzteren liefern. Der Niederträchtige findet eben eine Art von Genugthuung darin, dass er die eigne Schlechtigkeit Andern zutraut.

Wenn Jago seinen zweiten Monolog, auf seine Stirn deutend, schließt:

Hier denn, zwar noch verworren, hab' ich's nun:

Wie'n Schelmstück aussieht, zeigt sich erst beim Thun,

so darf er im dritten Monologe sich rühmen, daß sein Plan mittlerweile eine feste Gestalt gewonnen hat. Cassio ist wegen eines Disciplinarvergehens auf Jago's Anstiften seines Dienstes entlassen und soll nun nach Jago's tückischem Rathschlag Desdemona's Fürbitte bei Othello in Anspruch nehmen. Noch mehr als über den sichern Erfolg dieses Anschlages frohlockt Jago über den frommen Anschein, den er sich mit diesem Rathschlage gegeben, über diese Theologie der Hölle, wie er sie nennt und übt, über seine Virtuosität in der Heuchelei. Wir haben da wieder einen neuen Zug in der Charakteristik des Bösewichts, den der Dichter natürlich nur im Monologe anbringen konnte.

Jago's Intriguenspiel ist nunmehr im vollen Gange seiner Ausführung und seines Erfolges. Die Periode der bloßen Entwürfe und Berechnungen liegt hinter ihm und damit fällt für den Dichter jeder Anlaß weg, zur Charakteristik Jago's und seines Thuns und Treibens, sich

ferner der Form des Monologs zu bedienen. Die Tragödie wird nunmehr in die Seele Othello's verlegt und der durch Jago's täuschende Insinuation so traurig vereinsamte Mohr muß im Monologe seinem gepreßten Herzen Luft machen und zugleich die immer tiefer fressenden Wirkungen des in sein Gemüth geträufelten Giftes vor den Zuschauern darthun. Othello's erster Monolog beginnt denn charakteristisch genug mit dem Ausdruck seines völligen Vertrauens auf Jago's Redlichkeit, also auch seines unbedingten Glaubens an dessen verläumderische Aussagen in Betreff der Desdemona. Zur Verstärkung dieses Glaubens muß ihm denn das Bewußtsein der äußern Mängel seiner Persönlichksit dienen, welche Desdemona's Untreue motiviren könnten. Seine selbstquälerische Betrachtung verallgemeinert sich und gipfelt in dem pessimistischen Ausruf:

O, Fluch des Ehestands,

Daß unser diese zarten Wesen sind

Und ihr Gelüste nicht.

Aber der Anblick der auftretenden Desdemona in ihrer Reinheit und
Unschuld bannt für einen Moment alle diese Seelenpein, und mit den
Worten:

Wenn diese falsch ist, oh, dann macht der Himmel
Sich selbst zum Spott. Ich will's nicht glauben

schließt sein Monolog. Indeß hat Jago's Gift schon zu tief gewirkt und neue Verdachtsgründe kommen zu den alten, zum Verderben der vermeinten beiden Schuldigen. Cassio's Wegräumung übernimmt Jago und an Desdemona will Othello selbst das Rächeramt des verrathnen Gatten vollziehen. In welcher Auffassung und Gesinnung er daran geht, das sagt uns sein letzter Monolog im ehelichen Gemach am Bette der schlafenden Desdemona. Zunächst mahnt er sich selbst zu der schweren That durch die Vorhaltung der Ursache, die ihn dazu zwingt. Diese Ursache selbst, den Ehebruch seiner Gattin, wagt er freilich im Angesicht der keuschen Sterne nicht zu nennen. Daß er Desdemona später erwürgt, nicht etwa ersticht, das wird schon hier angedeutet mit Othello's Worten:

Doch nicht ihr Blut vergieß' ich,

Noch ritz' ich diese Haut, so weiß wie Schnee
Und glatt wie eines Denkmals Alabaster.

Das Mitleid, welches dieser Anblick der Schlafenden in ihm erregt, weicht aber der sittlichen Betrachtung, von der Othello's ganzes Rächeramt durchdrungen und geleitet wird:

Doch muß sie sterben, sonst betrügt sie Andre

und noch deutlicher, noch reiner tritt diese Empfindung hervor bei den Thränen, die er im Abschiedskusse vergiesst:

Dieser Schmerz

Ist wie der Himmel strafend wo er liebt.

Wir erkennen, wie der Dichter diesen Monolog benutzt hat, um uns Othello's That in dem denkbar mildesten Lichte erscheinen zu lassen. Daß wir dem Gatten ein noch innigeres Mitgefühl zollen als der Gattin, diese Absicht des Dichters ließ sich eben nur im Monologe, im rückhaltlosesten Seelenergusse Othello's erreichen, in keinem Dialoge, denn es ist ja keine Person im Drama, der Othello sein Innerstes so hätte offenbaren können und dürfen.

Die nun eintretende Katastrophe mit ihrem vielbewegten Durcheinander von Handlung bot eben so wenig wie der Schluß des Hamlet Raum und Anlaß zu den Selbstbetrachtungen, die den Monolog bedingen.

In den Dramen, die uns bisher beschäftigten, hatte der Dichter immer nur für wenige Personen von dem Monologe Gebrauch zu machen, aus Gründen, die sich aus der Analyse uns ergaben. Zu einer umfangreicheren und vielseitigeren Anwendung gelangt der Monolog erst in der Tragödie, zu welcher wir nun übergehen, im König Lear. Wie wir sahen, ist der Monolog die natürliche Redeweise derer, die ihre Gedanken, Empfindungen, Hoffnungen und Pläne Andern nicht mittheilen dürfen oder nicht können, je nachdem ihr arges Bewußtsein oder ihre Isolirung sie so oder so gestellt hat. In Lear finden wir beide Kategorien von Charakteren, die erste einfach, die zweite mehrfach vertreten. Der Repräsentant der ersten Klasse ist Gloster's Bastardsohn Edmund, dessen wahre Gesinnung freilich in der ersten Scene, wo der Vater ihn als seinen wohlgerathenen Liebling seinem Freunde Kent vorstellt und empfiehlt, sich nicht verrathen darf, desto unverhüllter aber in den folgenden Scenen sich kund thut. Wie Jago in seinem ersten Monologe, so spricht auch Edmund in dem seinigen, zunächst in allgemeinen Andeutungen, seine bösen Absichten aus. Das Gefühl eines erlittenen Unrechts ist bei Beiden dasselbe: Othello's Parteilichkeit für Cassio gegen Jago entspricht der Parteilichkeit der Völkersatzung für Edgar, den Echtbürtigen gegen Edmund, den Bastard. Diese angebliche Unbill zu rächen, sein vermeintliches Anrecht wieder zu erobern, dazu muß denn Edgar wie Cassio weggeräumt werden mit dem Mittel teuflischer Hinterlist, das beiderseits eben so energisch gewissenlos wie raffinirt berechnend ergriffen wird.

Wie Jago seinen Anspruch auf seine militärische Tüchtigkeit und erprobte Dienstleistung gründet, so Edmund auf die körperlichen und geistigen Gaben, welche die gütige Natur, seine Göttin, bei seiner Bastarderzeugung ihm schon vor den in der Ehe erzeugten Söhnen verlieh.

Wie im ersten Monologe Edmund seinen verderblichen Plan darlegt, so im zweiten der verbannte Kent seine edle Absicht, in der Verkleidung einer schlichten Diensttracht seinem Herrn, der ihn verstieß, doch treu zur Seite zu bleiben. In solcher vereinsamter Stellung, ohne einen Vertrauten, kann Kent diese brave Gesinnung und loyale Anhänglichkeit, die den Zuschauern für das Verständniß des Folgenden schon hier klar werden mußte, nur im Monologe äußern, einfach und kurz ohne weitere motivirende Reflexionen, die weder zu Kent's Charakter noch zu der gegebenen Situation sich schicken würden.

Desto inhaltreicher ist Kent's folgender Monolog, da wo er in den Fußblock gespannt, sehnsüchtig dem Aufgange der Sonne entgegenharrt, um bei ihrem Lichte den Brief Cordelia's lesen zu können. Daß Cordelia seiner eingedenk ist und daß ihr Brief in seine Hände gelangen konnte, das erscheint ihm wie ein Wunder, dergleichen man nur im Elende erlebt. Endlich spricht er die Hoffnungen aus, die er für eine endliche Lösung aller gegenwärtigen Wirren auf Cordelia setzt. Wir haben hier also wieder einen orientirenden Monolog, vorbereitend auf kommende Ereignisse und eben in dieser monologischen Form dem Zuschauer mitgetheilt, da keine dialogische Form für Kent, als Cordelia's einzigen Vertreter, in seiner Vereinsamung möglich war.

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Wie der bei Todesstrafe verbannte Kent sich nur in dem Incognito seiner Verkleidung im Lande, in der Nähe seines Herrn, halten und aufhalten kann, so bleibt auch dem geächteten Edgar kein andres Rettungsmittel als die Verkleidung; und zwar gedenkt er die Tracht und Haltung der vagabondirenden Tollhausbettler anzunehmen, deren abschreckend widerliche, dem englischen Publicum zu Shakespeare's Zeit wohlbekannte Erscheinung sein Monolog uns schildert, noch ehe wir ihn als solchen angeblich Besessenen auftreten sehen.

Zu den beiden bisher betrachteten dramatischen Figuren, welche die Noth der Zeit aus ihrer Stellung herausgetrieben und auf sich, d. h. für unsere Auffassung auf den Gebrauch des Monologs angewiesen hat, kommt endlich noch eine dritte, der Held der Tragödie, Lear selbst. Denn die Gesellschaft des Narren, in welcher er auf der Haide auftritt, ist für keine Gesellschaft zu rechnen, da Lear selbst keine Notiz davon nimmt: Lear ist und fühlt sich vielmehr allein, dem Sturme und Drange der entfesselten Elemente preisgegeben, den er mit dem Sturme und Drange seines Innern zu überbieten wagt. So lange Lear den vergeblichen Kampf

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