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Da mir aber diese leidende Miene keinesweges wohlthätig ist, suchte ich Carolinen an meine Stelle zu schieben, ich winkte ihr und sie verließ den jungen Baron, mit dem sie im Fenster stand und der eben ein Blatt Papier wieder einsteckte.

Auf meine Frage: womit sie dieser junge Herr unterhalten habe? verseßte sie: er hat mir Gedichte an seine Geliebte vorgelesen, Lieder, die er auf Reisen aus der größten Entfernung an sie gerichtet. Die Verse sind recht hübsch, sagte Caroline, laß dir sie nur auch zeigen.

Ich fand keine Ursache ihn zu unterhalten, denn er war eben zur Dame getreten und hatte sich ihr als ein weitläuftiger Verwandter vorgestellt. Sie kehrte, wie billig, dem Herrn Christus sogleich den Rücken, um den Herrn Vetter zu begrüßen, die Kunst schien auf eine Weile vergessen zu seyn, und es entspann sich ein lebhaftes Welt- und Familiengespräch.

Unser junger philosophischer Freund hatte sich indessen an den einen Begleiter der Dame angeschlossen, er hatte an ihm einen Künstler entdeckt und ging mit ihm ein Gemälde nach dem andern durch, in der Hoffnung etwas zu lernen, wie er nachher versicherte; allein er fand seine Wünsche nicht befrie digt, obgleich der Mann schöne Kenntnisse zu haben schien.

Seine Unterhaltung führte auf manches Tadelnswürdige im Einzelnen. Hier war die Zeichnung, hier die Perspectiv nicht richtig, hier fehlte die Haltung, hier konnte man den Auftrag der Farben, hier den Pinsel nicht loben. Eine Schulter saß nicht gut am Rumpf. Hier war eine Glorie zu weiß, hier das Feuer zu roth, hier stand eine Figur nicht auf dem rechten Plan und was für Bemerkungen noch alles den Genuß der Bilder störten.

Um meinen Freund zu befreien, der, wie ich merkte, nicht sehr erbaut war, rief ich den Hofmeister herbei und . fagte zu ihm: Sie haben die vorzüglichsten Bilder und ihren Werth bemerkt, hier ist ein Kenner der Sie auch mit den Fehlern bekannt machen kann, und es ist wohl interessant auch diese zu notiren. Kaum hatte ich meinen Freund los gewickelt als wir fast in einen schlimmern Zustand geriethen. Der andere Begleiter der Dame, ein Gelehrter, der bisher, ernst und einsam, in den Zimmern auf und ab gegangen war, und mit einer Lorgnette die Bilder betrachtet hatte, fing an mit uns zu sprechen und bedauerte daß in so wenig Bildern das Costüm beobachtet sey! Besonders sagte er seyen ihm die Anachronismen unerträglich! - Denn wie könne man ausstehen daß der heilige Joseph in einem gebundenen Buche lese, Adam mit einer Schaufel grabe, die Heiligen Hieronymus, Franz, Katharina mit dem Christkinde auf Einem Bilde stehen! Dergleichen Fehler kämen zu oft vor als daß man in einer Gemäldesammlung sich mit Behaglichkeit umsehen könnte.

Der Oheim hatte sich zwar, der Höflichkeit gemäß, sowohl mit der Dame als den übrigen, von Zeit zu Zeit, unterhalten; allein mit dem Charakteristiker schien er sich doch am besten zu vertragen. Dieser erinnerte sich dann auch der Dame schon in irgend einem Cabinet begegnet zu seyn. Man fing an auf und ab zu gehen, von fremden Dingen zu sprechen, die Man= nichfaltigkeit der übrigen Zimmer nur zu durchlaufen, so daß man zuleßt, mitten unter Kunstwerken, sich von der Kunst um hundert Meilen entfernt fühlte.

Die größte Aufmerksamkeit zog endlich gar unser alter Bedienter auf sich. Diesen könnte man wohl den Untercustode unserer Sammlung nennen. Er zeigt sie vor, wenn der Oheim verhindert ist, oder wenn man gewiß weiß daß die

Leute bloß aus Neugierde kommen. Dieser hat sich bei Gemälden gewisse Späße ausgedacht, die er jedesmal anbringt. Er weiß die Fremden durch hohe Preise der Bilder in Erstaunen zu sehen, er führt die Gäste zu den Verirbildern, zeigt einige merkwürdige Reliquien, und ergößt die Zuschauer besonders durch die Künste der Automaten.

Dießmal hatte er die Dienerschaft der Dame herumge= führt, mit noch einigen Personen dieses Schlags und sie auf seine Art besser unterhalten als unsere Weise uns bei den übrigen Gästen gelingen wollte. Er ließ zuleht einen künstlichen Trommelschläger, den mein Oheim schon lange in eine Nebenkammer verbannt hatte, vor seinem Publico ein Stückchen aufspielen, die vornehme Gesellschaft versammelte sich auch umher, das Abgeschmackte seßte jedermann in einen behaglichen Zustand und so ward es Nacht, ehe man den dritten Theil der Sammlung gesehen hatte. Die Reisenden konnten sich nicht einen Tag länger aufhalten, eilten sämmtlich ins Wirthshaus zurück und wir blieben Abends allein.

Nun ging es an ein Erzählen, an eine Recapitulation boshafter Bemerkungen, und wenn unsere Gäste nicht immer liebevoll mit den Gemälden verfuhren, so will ich nicht läugnen daß wir dafür mit den Beschauern ziemlich lieblos umgingen.

Caroline besonders ward sehr geplagt, daß sie die Aufmerksamkeit des jungen Herrn nicht von seiner entfernten Geliebten ab und auf sich zu ziehen gewußt. Ich behauptete: es könne einem Mädchen nichts schrecklicher seyn als ein Gedicht auf eine andere vorlesen zu hören! Sie aber versicherte das Gegentheil und behauptete: daß es ihr schön, ja erbaulich vorgekommen sey. Sie habe auch einen abwesenden Liebhaber, und wünsche nichts mehr als daß sich derselbe,

in Gegenwart anderer Mädchen, auch so musterhaft wie der junge Fremde betrage.

Bei einer kalten Collation, bei der wir Ihre Gesundheit zu trinken nicht vergaßen, ward der junge Freund nun aufgefordert seine Uebersicht über Künstler und Liebhaber vorzulegen, und er that es mit einigem Zögern. Wie das nun eigentlich klingt kann ich heute unmöglich überliefern. Meine Finger sind müde geworden und mein Geist ist abgespannt. Auch muß ich sehen ob ich nicht etwa dieses Geschäft von mir abschütteln kann. Die Erzählung der Eigenheiten unseres Besuches mochte hingehen, allein mich tiefer einzulassen finde ich bedenklich und für heute erlauben Sie daß ich ganz stille aus Ihrer Gegenwart wegschlüpfe.

Achter Brief.

Julie.

Und noch einmal Juliens Hand! Heute ist's mein freier Wille, ja gewissermaßen ein Geist des Widerspruchs, der mich antreibt Ihnen zu schreiben. Nachdem ich mich gestern so sehr gesperrt hatte die leßte Arbeit zu übernehmen und Ihnen von dem was noch übrig ist Rechenschaft zu geben, so ward fest= gefeßt daß heute Abend eine folenne akademische Sißung ge= halten werden sollte, in welcher man die Sache durchsprechen wollte, um sie schließlich an Sie gelangen zu lassen. Nun find die Herren an ihre Arbeit gegangen, und ich fühle Muth und Beruf das allein zu übernehmen, wozu ste mir ihren Beistand großmüthig zusagten, und ich hoffe sie diesen Abend angenehm zu überraschen. Denn wie manches unternehmen die Männer was sie nicht ausführen würden, wenn die Frauen

nicht zur rechten Zeit mit eingriffen, und das leicht Begonnene, schwer zu Vollbringende großmüthig beförderten.

Es trat ein sonderbarer Umstand ein, als wir die Liebhaber die uns gestern besuchten auch mit in unsere Eintheilung einrangiren wollten. Sie paßten nirgends hin, wir fanden eben gar kein Fach für sie.

Als wir darüber unsern Philosophen tadelten, verseßte er: meine Eintheilung kann andere Fehler haben; aber das gereicht ihr zur Ehre daß, außer dem Charakteristiker, niemand Ihrer übrigen dießmaligen Gäste in die Rubriken past. Meine Rubriken bezeichnen nur Einseitigkeiten, welche als Mängel anzusehen sind, wenn die Natur den Künstler dergestalt beschränkte, als Fehler, wenn er mit Vorsaß in dieser Beschränkung verharrt. Das Falsche, Schiefe, fremd Eingemischte aber findet hier keinen Plak. Meine sechs Classen bezeichnen die Eigenschaften, welche alle zusammen verbunden, den wahren Künstler, so wie den wahren Liebhaber, ausmachen würden, die aber, wie ich aus meiner wenigen Erfahrung weiß und aus den mir mitgetheilten Papieren sehe, nur leider zu oft einzeln erscheinen.

Nun zur Sache!

Erste Abtheilung.
Nachahmer.

Man kann dieses Talent als die Base der bildenden Kunst ansehen. Ob sie davon ausgegangen, mag noch eine Frage bleiben. Fängt ein Künstler damit an, so kann er sich bis zu dem Höchsten erheben, bleibt er dabei kleben, so darf man ihn einen Copisten nennen und mit diesem ́Wort

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