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insofern er sich als Organ des Staates, als Vertreter also eines Allgemeinen weiß; als solcher will und muß er dem Brabantio Rede stehen, weil seine Flucht zugleich den Staat entehren würde.

Damit ist das Wesen unsers Helden in seinen Hauptzügen gezeichnet, in der That also schon durch seine ersten Worte. Er weiß sich zwar von vornherein als Individuum und kennt nur ein individuelles Recht, das aus der besondern Kraft des Individuums fließt, aber er hat sich durch die lettere zum Träger einer Idee erhoben und steht dadurch als ein allgemeines Wesen vor uns. Nun aber ist Othello Soldat; wir greifen etwas vor, um diese erste Besonderung seines Standpunktes gleich hier anzuschließen.

Wo Othello sich von Desdemona verrathen glaubt, bricht er in jenen berühmten Ausruf aus (Act 3, Sc. 3. Tieck S. 70), mit dem er gleichsam von sich selber Abschied nimmt. Ich sehe mich genös thigt, denselben ganz hierher zu sehen:

O nun, auf immer

Fahr' wohl, des Herzens Ruh'! Fahr' wohl, mein Friede!
Fahr' wohl, du stolzes Heer *) und edler Krieg,

Der Ehrgeiz macht zur Tugend! O, fahr' wohl!

Fahr' wohl, mein wichernd Roß und schmetternd Erz,
Muthschwellende Trommel, munt'rer Pfeifenklang,
Du königlich Panier, und aller Glanz,

Pracht, Pomp und Rüstung des glorreichen Kriegs!
Und du, o Mordgeschoß, des rauher Schlund

Des ew'gen Jovis Donner wiederhallt,

Fahr' wohl! Othello's Tagwerk ist gethan!

Zunächst ist zu bemerken, daß Othello, was seine lezten Worte ausdrücklich hervorheben, mit diesem Ausruf auf seinen ganzen Lebensinhalt Verzicht geleistet hat. Was also jener Ausruf aussagt, dürfen wir in der That als den frühern Inhalt seines Lebens ansehen, damit aber als die Offenbarung seines eignen Wesens, denn der Lebensinhalt eines Menschen ist ja nichts Anderes als sein ausgesprochenes Wesen. Für die erste Zeile nun genüge es für jezt anzudeuten, daß in ihr offenbar nur Othello's Beziehung auf sich als Individuum ausgedrückt ist, nicht irgend eine Beziehung seines Wesens auf das allgemeine Wesen des Menschen überhaupt; seiner

*) Tieck übersetzt ungenau: Du wallender Helmbusch; im Engl. steht plumed troop, das bekanntlich Truppe, Schaar, Kriegsschaar bedeutet.

Seelenruhe, der Seelenruhe, die er als dieser bestimmte Mensch sich errungen hat, seinem Frieden sagt er Lebewohl, nicht etwa wie Hamlet bei der zweiten Heirath seiner Mutter dem Glauben an die Wahrheit, an Sittlichkeit u. f. w., oder wie Hölderlin's Hyperion beim Verlust des Freundes die Welt der Schönheit sich entkleiden, Werther die äußere Natur sich veröden sieht. Othello schildert sich vielmehr als den Menschen, der sich selbst in seiner Isolirung zum Ausgangs- und Zielpunkte seiner Bestrebungen gemacht hat, als den Menschen also, der sich als Individuum, als besondern Menschen weiß. Damit ist eine neue Stüße für den oben aufgestellten allgemeinen Begriff seines Wesens gewonnen. Was nun aber die Besonderung dieses seines Standpunktes betrifft, so schildert er sich selbst als Soldat. Er ist Soldat und nur Soldat, er liebt den Krieg als solchen und kennt außer dem Kriege in der äußern Welt Nichts, was für ihn innere Bedeutung hätte; denn nur von diesem nimmt er Abschied. Der Krieg erst läßt ihm zum Genusse seiner selbst gelangen, im Krieg erst findet er Befriedigung. Aber der Krieg giebt ihm dieselbe, weil er in ihm in mannigfaltigen Formen die Kraft sich of fenbaren sieht, die Kraft also ist sein eigentliches Wesen, diese ist für ihn das Göttliche, und er selbst fühlt sich ein Jupiter, dessen ,,Donner der Schlund seiner Mordgeschofse wiederhallt,” wenn er die mannigfaltigen Kräfte in Bewegung seßt und lenkt. Aber indem er zugleich von dem Pomp des Krieges gefesselt wird, indem er sein Banner königlich nennt, stempelt er sich zu einem Krieger, der sich als Fürsten weiß. Othello hätte, wenn auch aus anderm Grunde, wie Cäsar im Staate, so er im Heere nicht der Zweite sein können; es war sein Ehrgeiz, der-Erste zu werden; denn er besigt Ehrgeiz, den Ehrgeiz, von dem er selber sagt, daß ihn der Krieg zur Tugend inache. Dieser Ehrgeiz nämlich ist frei von jeder selbstsüchtigen Regung, weil er der Ehrgeiz eines Menschen ist, der schon im Kriege selbst, den er als solchen liebt, seine volle Befriedigung findet und folglich für sich selbst keine besonderen Zwecke mehr verfolgen kann, die außerhalb des Krieges, über ihn hinaus liegend zu denken wären. Dieser Ehrgeiz ist nichts weiter, als das Bestreben nach den Bedingungen, die nothwendig sind, damit das Subject seine Kraft allseitig und in ihrem ganzen Umfange bethätigen könne, weil die Befriedigung des Subjects eben an diese Bethätigung geknüpft ist. Dies Streben ist es, das Othello Tugend nennt, und in der That

liegt diesem Ehrgeiz die Hingabe der Person an ihren Gegenstand zum Grunde, eine Selbstentäußerung derselben, ein Sich-Entkleiden alles Rein-Individuellen, mithin eine Erhebung des Subjects zu einem Allgemeinen. Aber dieses Allgemeine, zu dem wir hier Othello sich erheben sehen, ruht doch noch ganz auf dem Subject als Individuum, das auch in dieser Erweiterung zu einem Allgemeinen noch die ursprüngliche Isolirung an sich hat. Othello hat sich zur Kraft im Allgemeinen erweitert, aber der Kräfte gibt es viele.

Von hier aus ist es leicht, Othello's ganze Weltanschauung klar hinzustellen. Er faßt sich selbst als Kraft, den Staat als das Gesez, dessen Wesen ist, das Spiel der mannigfaltigen Kräfte zu regeln, das Leben also als das Product aller Einzelnen als selbstständiger Kräfte, die in ihrem Wirken und Gegenwirken durch den Staat geregelt werden. Diese Anschauung des Lebens nun, die sich schon aus allem Früheren als Resultat ergibt, bestätigt er auch noch ausdrücklich durch ein der äußern Natur entlehntes Bild, in das er sie kleidet:,,Wenn ich Dich ein Mal (engl. when) nicht liebe," sagt er,,,dann kehrt das Chaos wieder*).“ Das Chaos nämlich

*) Die obige Stelle hat sehr verschiedene Auslegungen erfahren. So erklärt A. Schmidt (Sacherklärende Anmerkungen zu Shakspeare's Dramen S. 403): „Eher könnte die Welt untergehen, als meine Liebe," was durchaus ungenau ist, da Othello vielmehr von dem Ende seiner Liebe ausgeht und an dieses das Chaos knüpft; denn es heißt im Englischen: when I love thee not, Chaos is come again. Für Rötscher ist das Chaos die Naturgewalt der Leidenschaft im Gegensatz zum Gleichgewicht dek Seele: aber das Chaos ist nicht selbst eine Kraft, weder eine wohlthätige, noch vernichtende, es ist ein Zustand wie der Kosmos, das Gleichgewicht der Kräfte, und unterscheidet sich von diesem nur dadurch, daß die Kräfte dort verwischt, hier geregelt find. Die Naturgewalt der Leidenschaft kann daher wohl als Urheberin des Chaos, nicht aber als dieses selbst gefaßt werden, womit Rötscher's Erklärung fällt. Uebrigens ist sie auch nicht ein Mal die Urheberin des Chaos, das Ende seiner Liebe ist es, mit dem unmittelbar das Chaos für ihn eintritt, d. h. mit dem die ganze sittliche Ordnung der Dinge, der Staat, das bürgerliche Leben für ihn zusammenfällt und auch er selbst als selbstständige Kraft verschwindet und zum Atom wird. Seine Morde, die aus diesem Aufhören seiner Liebe sich entwickeln, sind der Ausdruck dafür, daß seine auf den Kopf gestellte Weltanschauung nun verwirklicht ist.

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Gervinus endlich faßt das Chaos als den Ausdruck einer „innern Zer

ist der Zustand der Welt, in welchem alle Kräfte, die später als solche selbstständig auftreten und, durch Geseze geregelt, das Weltall tragen, noch ungeschieden in der trägen Masse ruhen, die demnach aus bloßen durch einander schwimmenden Atomen bestehend zu denken und eben deshalb eine rudis indigestaque moles ist. Wird es aber als ein wiederkehrender Zustand aufgefaßt, dem schon ein geordneter, eine congeries secta in membra, vorausgegangen: so verwandelt sich das Ungeschiedensein der Kräfte in ein Zusammenfließen derselben, das nach heftigen Kämpfen die bisherige Ordnung wieder aufhebt und an die Stelle der lebendigen Kräfte todte Atome sezt. Indem also Othello die Welt zum Chaos werden läßt, wenn er Dess demona ein Mal nicht mehr liebe, wirft er bloß seine auf den Kopf gestellte Anschauung des Lebens,,in Zeit und Raum hinaus“ und enthüllt dadurch diese selbst. Hiernach aber steht er auf der Stufe des Bewußtseins, das zwar alles Einzelne schon als Erscheinung eines Allgemeinen, als Manifestation einer Kraft faßt, aber noch das Einzelne als solches den Grund des Allgemeinen sein läßt. Damit aber ist der Unterschied noch in das Einzelne gelegt und also die verschiedene Berechtigung der Individuen begründet, so daß Othello ein besonderes Recht für sich in Anspruch nehmen konnte. Und dieser Standpunkt wird auch auf andere Weise noch durch seinen Abschied von sich selbst bestätigt, zu dem wir jezt zurückkehren. Indem nämlich Othello jenes Streben nach den Bedingungen, die nothwendig sind, damit seine Kraft sich allseitig entfalten kann, Tugend nennt, spricht er es auch theoretisch aus, daß er sich als Individuum faßt, denn damit seßt er die Tugend ausdrücklich in die Berechtigung des Individuums, was nur da möglich ist, wo dieses als der Grund des Allgemeinen gilt. Da er also nicht erkannt hat, daß vielmehr das Allgemeine der Grund des Individuums ist und daß dieselbe Allgemeinheit allen Individuen zu Grunde liegt, so mußte ihm die wahre Tugend, die erst in der Hingebung des Individuums an das Allgemeine als solches, nicht in der an sein bestimmtes Allgemeines, zur Erscheinung kommt, verborgen bleiben.

rüttung," deren Beute Othello vor seiner Ehe gewesen sei. Diese Ansicht werden wir später widerlegen.

Wir könnten von dem jest gewonnenen Standpunkte aus unmittelbar zur Entwicklung der Bedeutung, die die Liebe für Othello haben mußte, übergehen. Doch würde der spätere Prozeß der Vernichtung unseres Helden aller Anschaulichkeit entbehren, wenn nicht zuvörderst nachgewiesen würde, wie sein eben aufgedecktes Princip sich an ihm selbst concret bethätigt hat. Wir müssen uns also zunächst die weitere Besonderung seines Wesens klar vor Augen stellen. Hier gewinnt nun seine Abstammung Bedeutung: er ist Mohr und schon sahen wir, wie diese bloße Naturbestimmtheit genügte, seine gesellschaftliche Stellung in Venedig nicht nur zu beeinträchtigen, sondern zu einer Paria- Stellung herabzudrücken. Wir sind also berechtigt, eben sie als Einen Factor des Standpunktes anzusehen, auf dem wir ihn soeben fanden, der mithin schon von diefer Seite ein in sich noth- wendiger ist. Seine gesellschaftliche Stellung wirkte mit, ihn in jene Isolirung hineinzudrängen, die sein Standpunkt theoretisch ausspricht, und sie mußte um so stärker auf ihn wirken, je mehr er sich bewußt ist, nicht nur dem Staate redlich gedient, sondern auch seine Person und seine Ehre für ihn eingefeßt zu haben, wie jener Vorfall in Aleppo beweist, dessen er noch in seiner Todesstunde Erwähnung thut. Die andere Seite seiner Abstammung ist, daß er durch sie mit einer durch die Cultur noch nicht geschwächten, sprudelnden Naturkraft ausgerüstet ist. Sie ist der wesentliche Factor seines Selbstgefühls, das seinerseits wieder der wahre Ausdruck seines Standpunktes ist. Aber sie ist es nicht als solche; als bloßes Naturell, das überdies als afrikanisches Leidenschaftlichkeit und Herrschaft des unmittelbaren Drgnges der Natur verkündigt, würde es vielmehr ein kaum errungenes Selbstgefühl stets wieder aufheben müssen. Nun aber hat Othello sein Grundprinzip, die Kraft, auch im Kampfe mit sich selbst, mit seiner eignen mächtigen Natur bethätigt und sie sich völlig unterworfen, so daß er gleich in seinen ersten Worten sich seiner „festen Seele“ rühmen durfte. Und daß er sich dadurch nicht leeren Prahlens schuldig machte, beweist er nicht nur gleich darauf, indem er selbst den ärgften Schmähungen Brabantio's gegenüber ruhig bleibt: auch die öffentliche Meinung legte ihm diese unerschütterliche Selbstbeherrschung bei, was Ludovico ausspricht, als er denselben Mann in wilder Leidenschaft hat rasen sehen:

Ist dies der edle Mohr, den der Senat

Sein Eins und Alles nennt? der edle Geist,

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