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studium. Mit großer Vorliebe suchte er ihre Ursachen zu begreifen und trieb deshalb Physik und Chemie, so weit man es als Zeitvertreib nur darin bringen kann. Er theilte anfangs nur Bruchstücke aus dem Gedichte mit und sah sich späterhin genöthigt, es von Italien aus zu veröffentlichen, da ohne seine Einwilligung durch einen betrügerischen Buchhändler ein sehr fehlerhafter Druck besorgt worden war. Uebrigens ward das Werk erst zu einer Zeit bekannt, als er schon seine Ansichten bedeutend modificirt und Manches zus rückgenommen hatte. Alle Lieblingsspeculationen seiner Jugend ents faltete er in diesem Gedichte; alle nicht zu unterdrückenden Regungen von Sympathie, Tadel und Haß traten hier hervor, vermittelt durch seine vielfältigen Leiden und sein Grübeln über das Schicksal der Menschen.

In dieser Epoche seines Lebens, wo ihn Alles von sich stieß (1810), fühlte er sich von Miß Harriet Westbrook, einer jungen Freundin seiner Schwester, lebhaft angezogen; nach einer äußerst kurs zen und oberflächlichen Bekanntschaft entführte er sie und floh mit ihr zum Schmied nach Gretna Green, wo er sich trauen ließ.,,Gewaltsamkeiten gründen kein Erdenglück;" dem kurzen Wahne folgte die Reue: die geistige Armuth und die übermäßige Verschwendung - seiner Frau brachte den Dichter in die drückendste Lage, und die uns besonnen geschlossene Ehe bereitete dem jungen Paare unsägliches Elend, bis sie endlich nach Verlauf von 3 Jahren nach beiderseitiger Uebereinstimmung wieder gelöst ward. Seine Gattin hatte ihm 2 Kinder geschenkt, welche nach der Scheidung bei der Mutter blieben.

Auch körperlich fühlte sich Shelley in dieser Zeit (1814) sehr elend und gedrückt, und er beschloß deshalb, nach der Schweiz zu gehen, um dort Geist und Körper neu zu stärken. Nach einer anges nehmen Reise durch Frankreich weilte er längere Zeit auf einem Schlosse an der Reuß und kehrte dann ganz zu Waffer - auf Reuß und Rhein wieder nach England zurück, indem er sogar in seinem offenen Boote über den. Canal fuhr.

Er war jest mündig geworden und dadurch äußerlich in bessere Verhältnisse gekommen. Die Aerzte riethen ihm, viel im Freien zu leben, und so erfreute er sich denn in der Nähe von Windsor Forest einer herrlichen Zeit. Wir verdanken dieser Periode die Entstehung des lieblichen Gedichtes: „Der Abend auf dem Kirchhofe zu Lechdale" und des ,,Alastor" oder des,,Spirit of Solitude." In

Archiv f. n. Sprachen, IX.

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legterem schildert er in romantischer Weise das Schicksal eines Jünglings, dessen freier Geift, aufgerichtet und gereinigt durch eine kühne aber wohlwollende Philosophie, sich nach der Vereinigung mit einem gleichgesinnten Wesen sehnt und endlich vor Verzweiflung stirbt, weil sein Verlangen nirgends Befriedigung findet. Der feierliche

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Geist, welcher das Ganze durchdringt, die Verehrung der majestätischen Natur, das Klopfen eines Dichterherzens in stiller Einsamkeit das Gemisch von Freude über den Anblick des sichtbaren Al's mit dem Schmerze über die Leiden, welche menschliche Leidenschaften ́verursachen, alles dieses verleiht dem Werke ein rührendes Intereffe. Jener Geist heiliger Ruhe und Stille herrscht selbst in dem Versbaue vor, welcher ungemein melodisch ist. Das ganze Gedicht ist eigentlich mehr didaktisch als erzählend; es war die Frucht seiner innersten Empfindungen, verkörpert in der zartesten, reinsten Form, voll idealischer Farben und lieblicher Sanftheit, die das Vorgefühl eines nahen Todes erzeugt hatte.

Auf seiner zweiten Schweizerreise (1816), wo er Chamouny besuchte und am Fuße des Montblanc jene berühmte Ode schrieb, welche in den herrlichsten Tönen die Wunder der Natur besingt, machte unser Dichter die Bekanntschaft des Herrn Godwin, eines diffentirenden Geistlichen, welcher durch seine Novellen und vorzüglich durch den „Caleb Williams“ auch in weiteren Kreisen bekannt geworden ist. Mary, die Tochter des Herrn Godwin, gewann Shelley's Herz, und er verheirathete sich mit ihr noch in demselben Jahre. Wir kennen sie durch die höchst seltsame Erzählung, welche „Frankenstein" betitelt ist, und durch die umsichtige Herausgabe, welche sie von den Werken ihres Gatten nach dessen Tode veranstaltete. Sie vermochte es, dem hohen Gedankenfluge des Dichters zu folgen und ihn in treuer, liebevoller Hingebung wahrhaft zu beglücken; sie verstand sein liebeerfülltes und liebebedürftiges Gemüth, welches ihm häufig Betrachtungen, wie die folgende eingab:

„Du_fragst *), was Liebe sei? Es ist die mächtige Anziehung zu Allem, was wir außer uns wahrnehmen, fürchten oder hoffen, wenn wir in unseren eignen Gedanken die Dual einer trüben Leere finden und deshalb in Allem, was uns umgiebt, eine Theilnahme

*) Siehe Essays, Letters from abroad etc. by P. B. Shelley edited by Mrs. Shelley. Vol I. p. 164 seq.

an unseren Empfindungen zu erwecken streben. Wenn wir grübeln, so möchten wir verstanden sein; bilden wir uns Vorstellungen, so wünschen wir die luftigen Kinder unseres Gehirns in der Seele Anderer wiedergeboren zu sehen; haben wir Empfindungen, so verlangen wir, daß die Nerven Anderer uns entgegen vibriren, daß der Blick ihrer Augen sanft werde und mit dem der unseren sich vereine; daß Lippen von bewegungslosem Eise erwachen möchten aus ihrer Erstarrung und anderen Lippen Antwort geben, die erglühen von des Herzens bestem Blute. Das ist Liebe! Das ist das heilige Band, welches nicht nur den Menschen mit dem Menschen vereinigt, sondern mit Allem, was da ist. Wir kommen in diese Welt und seit unserer Geburt lebte ein gewisses Etwas in uns, welches immer mehr und mehr dürftet nach seinem Ebenbilde. Dunkel erblicken wir in unserm Geiste ein Miniaturbild gleichsam von unserm Selbst; aber es ist frei von allem Makel und Vorwurfe, ein prototypes Ideal von allem Schönen und Edeln, das wir als Menschen zu erfaffen vermögen. Es ist dies nicht ein Abdruck unseres äußern We sens, sondern ein Zusammen von den kleinsten Partikeln, welche unsere Natur ausmachen, ein Spiegel, deffen Oberfläche nur Reinheit und glänzende Schönheit zeigt, eine Seele inmitten unsrer Seele, die einen Kreis zieht um ihr eignes liebes Paradies, und Kummer und Weh dürfen diese Schranken nicht überschreiten. Darauf beziehen wir mit großem Eifer alle Regungen und wünschen, daß sie ihm gleichen und entsprechen möchten. Die Entdeckung seines Antitypus,

das Zusammentreffen mit einem Geiste, welcher unsern eignen gehörig zu würdigen im Stande wäre, ein Wesen, welches in das unsere einginge und die zarten und feinen Eigenthümlichkeiten erfaßte, die wir mit so geheimer Freude entfalteten und liebten; — das Finden einer Natur, deren Nerven, gleich dem Klange zweier wohlgeftimmter Harfen als Begleitung einer bezaubernden Stimme, aufgeregt werden bei den Vibrationen unsrer eignen und eine Combination alles Deffen, was der Typus unseres Innern ers heischt das ist der unsichtbare und schwer zu erreichende Punkt, nach welchem die Liebe ringt, und zu dessen Erreichung sie die höchste Kraft aufbietet, sei es vielleicht auch nur, um einen Schatten zu erlangen; denn ohne diesen Besig ist keine Ruhe und kein Frieden für das Herz, welchem die Liebe gebietet. So in der Einsamkeit oder in dem verlaffenen Zustande, mit Menschen zusammen fein zu

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müffen, die nicht mit uns sympathisiren, lieben wir Blumen und das Gras, die Fluth und den Himmel; dann finden wir in der Bes wegung der Frühlingsblätter und in dem tiefen Blau des Himmels eine Uebereinstimmung mit unserm Herzen. Es liegt dann für uns eine gewisse Beredtsamkeit in dem Winde, der freilich keine Zunge hat, und eine Melodie in dem Plätschern des Wassers und dem Rauschen der Bäume, welche am Ufer stehen, und sie erwecken durch ihr unbegreifliches Verhältniß zu einem Etwas in unserer Seele alle Lebensgeister zu einem Tanze des Entzückens und bringen Thränen einer geheimnißvollen Zärtlichkeit in die Augen gleich der Begeiste rung über einen patriotischen Erfolg, gleich der Stimme der Geliebten, welche in süßer Einsamkeit nur deinem lauschenden Ohre singt.“

Shelley's Gattin gab dem Dichter den Glauben an Gott und die Menschen wieder, ste machte ihn milder in seinem Urtheile und übte überhaupt den bedeutendsten Einfluß auf den Gang seiner ganzen Entwicklung. Ihrer gedachte Th. Moore ganz besonders, als er schrieb: Hätte Shelley länger gelebt, so würde die Welt am Ende gelernt haben, seinem Geiste volle Huldigung darzubringen.

Schon in früherer Zeit hatte Shelley mit Byron in lebhaftem Briefwechsel gestanden; jezt lebten sie an einem und demselben Orte, und die Gleichheit in dem beiderseitigen Schicksale trug viel dazu bei, fie enger an einander zu ketten; vor Allem aber war es der hohe poetische Geist, der sie einander näher führte, und die Biederkeit Shelley's, welche die Bande der warmen Freundschaft unauflöslich machte. An dem Ufer des Genfersees hatte Shelley ein Landhaus angekauft, auf der Seite des Montblanc, in der Nähe der Villa Diodati, welche Byron bewohnte. Die beiden Dichter hats ten sich im Hôtel des Sécherons bei Genf zuerst getroffen auf dem Wege nach Coppet, wo damals Frau von Staël und Aug. Wilh. v. Schlegel glänzten und wo Shelley seine Uebersehungen des Prometheus von Aeschylus und des Fauft von Goethe vortrug, von welchen leider nur der,,Prolog im Himmel" und die,,Walpurgisnacht“ gedruckt worden sind.

Unser Dichter war ein tieferer ruhigerer Denker als sein lärmender, leidenschaftlicher Freund, welcher in der Gefühlswelt umherstürmte; die Freundschaft Shelley's wirkte äußerst wohlthätig auf Byron, indem sie ihn gefaßter, ruhiger und tiefer machte, und der dritte Gefang des Childe Harold trägt deutliche Spuren dieses Ein

fluffes. Auf Shelley wirkte dagegen in seiner inneren Abgeschloffenheit die Nähe des Freundes nicht mit gleicher Macht, weil er sich vorzugsweise seinen Träumereien in glücklichem Stillleben ganz überließ und den Becher der Freude über die reizende Natur und das Glück des Familienlebens so recht mit vollen Zügen trank. Byron war mehr der vollendete Künstler, welcher selbst in den begeisterungsvollsten Augenblicken volles Selbstbewußtsein und Herrschaft über sich selbst bewahrte; Shelley dagegen ward von der Kunst überwältigt, beherrscht, erdrückt, und wenn alle seine Schöpfungen den unauslöschlichen Stempel idealer Anmuth und Schönheit an sich tragen, so ist dieses der dem Dichter angeborenen Zartheit und Reinheit zuzuschreiben.

Die Zahl dessen, was er in dieser Zeit las und eifrig studirte, ist sehr groß, und er begeisterte sich besonders für die Dichter der Griechen und Römer. Die neue Heloise zog ihn ebenfalls sehr an, und er war erstaunt und entzückt über die hohe Beredt samkeit und das ernste Interesse, welches dieses Werk durchdringt. Im Charakter des St. Preur, seiner Selbstverleugnung und heiligen Liebe fand sich Vieles, das mit seinen Gefühlen in wunderbarem Einklange stand, und der ganze Eindruck, den die Novelle auf ihn machte, war bedeutungsvoll. Vor Allem aber beschäftigte ihn die Lectüre der Bibel, und oft las er an einem schönen Abende seiner Gattin aus dem Neuen Testamente vor, welches ihn mit dem heiligsten Enthusiasmus erfüllte.

Gegen das Ende des Jahres 1817 kehrte Shelley nach England zurück, um seine Vermögensumstände zu ordnen. In Bath erhielt er die Nachricht, daß sich seine erste Frau in einem Anfalle von Schwermuth in einen Brunnen gestürzt und ihrem Leben ein Ende gemacht habe. Er empfand über dieses schreckliche Ereigniß den tiefften Schmerz und wollte nun die Kinder erster Ehe zu sich nehmen. Aber die Intriguen der Geistlichen und seiner Verwandten hatten es durchgesezt daß ihm durch einen Gerichtsspruch seine Kinder genommen wurden. Das Kanzleigericht unter dem Vorsige des Lordkanzler Eldon war unerbittlich, weil er in seinem Gedichte: `„Die Königin Mab“ Unmoralisches und Unchriftliches gepredigt habe. Sein Schmerz war grenzenlos und in einem poetischen Bruchstücke läßt er seine Verwünschung ertönen:

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