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wie das Friedrichs des Großen, selbst auf dem elendesten Bilderbogen gleich kenntlich ist. Leider hat aber die Reformation Deutschland politisch, religiös und auch literärisch gespalten. Ein Dichter, der diese Zeit zum Gegenstande nehmen wollte, kann immer nur auf die Sympathie eines Theils von Deutschland rechnen, während er den andern abstößt und beleidigt. Denn wenn Luther den Proteftanten ein Achilles ist, sehen die Katholiken in ihm einen Thersites. Daß aber diese Zeit selber fähig gewesen wäre, hätte nur ganz Deutschland sich der neuen religiösen Richtung angeschlossen, eine christliche und zugleich nationale Poeste zu erzeugen, beweisen die Kirchenlieder, die damals entstanden sind und bis auf den heutigen Tag unter den Protestanten ausgedauert haben. An ihrer Spize steht: „Ein feste Burg ist unser Gott", das überall noch jezt Begeisterung und Andacht weckt, wo es von Massen gesungen wird, das für jede andere Nation unfaßbar ist, weil es ganz und gar uns angehört.

Durch solche Einwirkungen ist die deutsche Nationalität und Einheit nach allen Seiten hin brüchig geworden. Wir haben das durch einen schmiegsamen und elastischen Charakter erhalten. Wenn die anderen Nationen im kräftigen Selbstgefühl eine gewisse. Starrheit und Einseitigkeit beherrscht, die in Allem, was sie thun oder sagen, fich ausprägt, zeichnet sich unser Volk durch eine Weichheit und Fügsamkeit aus, die sich allen Zuständen anschließt, durch eine Selbstverläugnung, die uns in den Stand seßt, alle Dinge in der Welt mit einem gleichmäßigen Interesse zu umfaffen, aber uns auch in Gefahr bringt, uns selbst zu verlieren und uns jeglichen Einwirkungen der Fremde, sowohl guten wie bösen, Preis zu geben. Dieses Streben nach Universalismus hat auf unsre Literatur den unverkennbarsten Einfluß geübt und übt ihn noch immer. Einestheils ist daher die Haltungslosigkeit und das Schwanken zu erklären, worin unsre Poesie in manchen Perioden begriffen war, anderntheils ist daraus die größere Tiefe und Weite der poetischen Ideen abzuleiten.

Dieses Schwanken und diese Unsicherheit hat lange wie ein Fluch auf unsrer Literatur gehaftet und haftet noch immer. Das deutsche Wesen, von Anfang an zwischen Fremdem und Einheimischem getheilt, war seiner eigenen Kraft nicht gewiß, wurde irre ́an sich selbst, oft erst durch das Ausland an seine Tüchtigkeit erinnert und

zur wetteifernden Thätigkeit herausgefordert. Wir mögen die Seite unsrer Literaturgeschichte aufschlagen, welche wir wollen, immer werden wir finden, daß fremde Einwirkungen thätig sind. Anfangs ist es die römische Cultur, die Einfluß übt, und als diese sich verbraucht hat, tritt im 12ten und 13ten Jahrhundert französische und britische Cultur an ihre Stelle. Die Art der Poeste, welche ste uns brachte, fand solche Anerkennung und Nachahmung, daß die größten dichterischen Kräfte sich dieser Geschmacksrichtung hingaben und die eigentliche Volksdichtung mit einer mitleidigen Geringschäßung angesehen wurde. Im 15ten und 16ten Jahrhundert ist es der wiedererweckte Geist des Alterthums, der uns aus der Erstarrung riß, in welche wir gesunken waren. Im 17ten und 18ten Jahrhundert füllt französischer Geschmack die Verödung aus, in welche der dreißigjährige Krieg uns gestürzt hatte, und hielt uns in schmählicher Abhängigkeit. Von seiner Herrschaft konnte uns erst wieder die Verbreitung der englischen Poeste, namentlich die Bekanntschaft mit Ossian und Shakespeare befreien. Wie viel wir diesen zu verdanken haben, lernt man am besten aus Göthe's Leben und Lessings kritischen Schriften kennen. Daneben machte sich das Alterthum wieder geltend und brachte die aufgeregten Köpfe, die für Shakespeare schwärmten und in ihm den einzigen Apostel aller Kunst verehrten, zur Besonnenheit und Nüchternheit. Die vereinte Wirkung des Antiken und Englischen aber hat uns erst wieder zur Selbstständigkeit verholfen und uns zu einer solchen Kunsthöhe gebracht, daß wir jezt erst anfangen, von ihr aus die Literatur der Fremde einigers maßen zu bestimmen. In der Literatur ist es nicht anders, als im Leben. Wie Deutschland von jeher eine Beute fremden Einflusses in politischen Verhältnissen gewesen ist, so hat sich auch unsre Literatur an das Fremde angelehnt und an ihm sich aufgerichtet. Die Nationalität ist in beiden Beziehungen stets der Verfolgung und Verhöhnung ausgesezt gewesen, oder was eben so schlimm ist, mit vornehmer Gleichgültigkeit behandelt worden. Lessing spottet in dem legten Stücke seiner Dramaturgie über den gutherzigen Einfall, den die Hamburger hatten, den Deutschen ein Nationaltheater zu verschaffen, da die Deutschen noch keine Nation seien, nicht der politischen Verfassung, sondern ihrem sittlichen Charakter nach. Er be hauptet, man solle fast sagen, dieser sei, keinen eigenen haben zu wollen. Hat er Recht oder Unrecht? Unser Gefühl, unsre Eitelkeit

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giebt ihm Unrecht und findet die Ursache dieses kränkenden Urtheils in Lessings persönlichem Unmuth über das verunglückte Unternehmen; der Gang unsrer Geschichte giebt ihm Recht. Dieser Erbfehler hat uns indeß, was uns trösten mag und der Deutsche findet so leicht überall Troftgründe eine Kunst eingebracht, in der wir anerkannt Meister sind, das ist die Uebersehungskunst. Soll eine Ueberseßung gut sein, so wird bekanntlich verlangt, daß sie nicht bloß den getreuen Wortinhalt des Originals wiedergebe, sondern auch in Ton und Farbe, in Manier und Darstellung, in dem, was man mit einem Wort die Form nennt, dem Original nahe komme und alle Gezwungenheit möglichst vermeide. Dazu ist aber nicht allein Kenntniß der fremden und Beherrschung der eigenen Sprache erforderlich, sondern der Uebersezer muß sich dem Fremden hingeben, fich in dasselbe hineinleben und auf fremdem Boden einheimisch zu werden suchen, weil es ihm nur dann gelingen kann, das Original mit Wahrheit in der Sprache der Heimath zu reproduciren. Dies geht aber nicht an, ohne daß er sich selbst gewissermaßen spaltet und halb seiner angeborenen, halb der angelernten Natur sich hingiebt. Dazu ist aber der Deutsche vor Allen geschickt, und es ist merkwürdig, daß, wie das Erste, was wir in germanischer Sprache besißen, eine Ueberseßung ist, so auch alle Epochen unserer Literatur sich durch große Thätigkeit im Ueberseßen ankündigen. So war es zu Opig's Zeit, so zur Zeit Gottscheds, der nach Lessing Alles ermunterte, zu überseßen, was reimen und Oui Monsieur verstehen konnte, so in der Sturm- und Drangzeit, wo man sich mit Eifer auf die Ueberseßung englischer Stücke und der Classiker warf. Unsre Sprache ist durch diese Jahrhunderte lang fortgeseßte Uebung so gewandt und schmeidig geworden, daß sie im Stande ist, sich in Alles zu schicken, eben weil wir auch uns in Alles schicken können und unser Volkscharakter eine vielseitige Bildsamkeit erhalten hat. So versteht ste es eben so gut, die mit Reim und Assonanz spielenden arabischen Makamen nachzubilden, als die stille Würde des griechischen Herameters, eben so gut die einfältige Kraft der Bibel wiederzugeben, als die Leichtfertigkeit fremden Wißes. Unsre Ueberseßungen find in der That ein Triumph unserer Sprache und verschaffen uns den Genuß fremder Dichtungen, ohne daß wir sie in der Originalsprache zu lesen brauchen. Einen vollkommenen Ersatz bieten freilich Uebersegungen nie, weil es unmöglich ist; aber den höchsten Grad der

erreichbaren Vollkommenheit haben wir erstiegen. Stellt man sich auf einen allgemeinen Standpunkt der Betrachtung, so erscheint dies ein großer Vorzug; sieht man es aber mit nationalen Augen an, so kann man nicht läugnen, daß wir diesen Vorzug mit einem Opfer an Selbstständigkeit und Selbstgefühl erkaufen müssen und daß wir, wie Gervinus sagt, von einer Denk- und Schreibweise, die einen eigentlich nationalen Typus trägt, nicht reden dürfen.

Dieser Ausspruch kann mit Schmerz erfüllen, wenn man die höchste Aufgabe, die ein Volk zu lösen hat, darin feßt, daß es seine Nationalität bewahre und ausbilde. Aber es läßt sich noch ein höheres Ziel denken, weil es noch eine höhere Kategorie giebt, als ein Glied einer Nation zu sein. Diese ist, ein Glied der Menschheit zu sein. Und die Ausbildung des rein Menschlichen, die Pflege der Humanität wäre vielleicht die würdigste und höchste Pflicht, die ein Mensch zu erfüllen hätte. Das deutsche Volk scheint aber wie berufen zu sein, nach diesem höchsten Zweck des menschlichen Daseins zu ringen und Prediger der Humanität zu werden. Denn wenn es zur Erreichung desselben nothwendig ist, daß die Ecken und Schärfen der Nationalität abgeschliffen werden, und jegliche Einseitigkeit, die von ihr unzertrennlich ist, sich abrunden muß, so ist das Volk am befähigsten dazu, dessen Nationalität am meisten abgestumpft und gebrochen ist. Und das ist das deutsche Volk. Wenn man demselben die Mission zuerkannt hat, Verbreiter des Christenthums zu werden und dessen kräftigste Stüße zu bilden, so fällt dies mit seinem ebengenannten Berufe zusammen. Denn die Zwecke des Christenthums, als einer Religion, die keinem besondern Volke angehört, und die Zwecke der Humanität fallen doch am Ende zusammen. Seit dem Auftreten Herders ist es uns geläufig geworden, uns als die ersten Diener der „humanen Idee" zu betrachten, und der Dichter, den unsre Nation vorzugsweise zu ihrem Lieblinge gemacht hat, wurzelt mit seiner ganzen Poesie im Boden der Humanität, Schiller. In der Recension von Bürgers Gedichten fordert er vom Dichter, daß er seine Individualität zur reinsten, herrlichsten Menschheit hinaufläutere. Er soll nur unter Situationen und Empfindungen wählen, die dem Menschen als Menschen eigen sind; Alles, wozu Erfahrung, Aufschlüsse und Fertigkeiten gehören, soll er sich sorgfältig untersagen und durch die reine Schilderung deffen, was im Menschen bloß menschlich ist, gleichsam den verlornen Zustand der Natur

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zurückrufen. Solche Forderungen macht er hier freilich an den Volksdichter, aber anderswo nimmt er es für den Philosophen und Dichter überhaupt in Anspruch, keinem Volke und keiner Zeit anzugehören, sondern der Zeitgenosse aller Zeiten zu sein, wie es ihn auch ein armseliger Ruhm däuchte, für Eine Nation zu schreiben, und er das vaterländische Interesse nur für unreise Nationen wichtig hielt. Auch Göthe, wiffen wir, wandte sich vom Leben der Nation ab und interessirte sich nur für den Menschen, d. h. für das allgemein Menschliche, während er sich nicht um die Menschen bekümmerte. Aber nicht allein diese beiden Dichter beweisen, daß es den Deutschen mehr um das Allgemeine, als um das Besondere, Nationale zu thun ist, sondern die ganze Geistesthätigkeit unseres Volkes legt Zeugniß davon ab. Wo wird mehr philofophirt, als bei uns? Wo ist die Neigung zu Grübeleien und Spinthistiren größer, als bei uns? Steigt nicht bei uns die Luft an theologischen Streitigkeiten bis zu den Schusterbänken und Schneidertischen herab? Wir sind deshalb unseren Nachbarn, die mit praktischer Gewandtheit unmittelbar von der Faust weg die Sachen angreifen, ein Gegenstand des Spottes, und ein Deutscher im Allgemeinen gilt ihnen als ein Ideolog, ein grauer Theoretiker, der sich mit abstracten Gedanken viel zu schaffen macht, während sie vom Baume des Lebens die goldenen Früchte brechen. Auch unsre Dichtung charakterisirt sich von Anfang an durch den Zug, daß sie gern das Allgemeine darstellt, die sinnliche, individuelle Eristenz vernachlässigt, d. h. fie schildert gern die Gefühle, die Empfindungen, die Leidenschaften, ist zu Reflerionen geneigt, arbeitet auf Effect und Rührung, und wie Göthe sagt, während die Alten das Fürchterliche schildern, schildern wir fürchterlich. Wollen wir dafür einen zusammenfassenden Ausdruck aus der Aesthetik haben, so müssen wir sagen, daß unsre Dichtung von Hause aus pathologisch ist, oder nach Schillers Unterscheidung sentimental. Das älteste Denkmal unsrer Poefte (freilich ein Fragment), das Hildebrandslied aus dem Sten Jahrhundert, geht nicht darauf aus, eine anschauliche Darstellung der ganzen Lage® und aller Verhältnisse zu geben, durch welche der Vater genöthigt wird, mit seinem Sohne zu kämpfen, liefert keine mit behaglicher homerischer Breite ausgeführte Situation, sondern des Dichters Hauptaugenmerk ist es, die Gemüthszustände zu schildern, in welchen sich beide befinden, und zwar geschieht es durch die Mittheilung

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