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hern Verstellung und versichert dem Abgesandten seines Staates, während er Mord gegen Cassio im Herzen trägt: „Herr, dem Befehl gehorch' ich, Caffio soll mein Amt erhalten." Sein eigner Sturz als Gouverneur übt in dieser Lage nicht die geringste Wirkung auf ihn.

Dem ersten Versuch einer moralischen Vernichtung, den Desdemona freilich durch ihre Sanftmuth und ihren sich auch jezt gleich bleibenden Gehorsam überwindet, folgt alsbald ein zweiter, noch fürchterlicherer, indem er dies Mal seine Gattin dadurch zur Sache machen will, daß er selbst sie als Hure zu besuchen geht. Noch ein Mal ist sein Schicksal in seine Hand gegeben, er hat Emilien knien und beten gesehen, Eine Frage, welchen Bezug das habe, und er erfuhr, daß sie das Tuch gefunden, daß Jago es von ihr erhalten, daß also Desdemona es nicht Caffio gegeben haben konnte*), Aber er erklärt sie trozdem für eine Kupplerin und tritt nun wirklich seiner Gattin als einer Hure gegenüber. Die Arme, die in ihrer Unschuld nicht glauben kann, daß er sie in Wahrheit der Untreue gegen ihn fähig halte und daß seine Leidenschaft in diesem Glauben wurzle, schwört zwar, sie sei sein,,pflichtgetreues Weib," bald aber springt ste, als sie ihn weinen sieht, zu einem Andern über, was ihr das Wesen ihres Gatten leichter erklärlich macht:,,Hast du vielleicht den Vater in Verdacht," sagt sie,,,daß er das Werkzeug deines Sturzes sei. Leg' nicht die Schuld auf mich, hast du ihn verloren - wohl ich verlor ihn auch!" — Worte wahrlich, die beweisen, daß sie den Kampf der Gatten- und Kindesliebe durchgekämpft, obgleich sie ihn nicht zur Schau trug, denn offenbar spricht hier aus ihr das sichere Bewußtsein des größern Verlustes, des Verlustes seiner väterlichen Liebe. Er aber bricht jezt in jene Klagelaute aus, auf die wir uns bei der Bestimmung des Wesens seiner Liebe bezogen haben, Laute, durch die er freilich sie als seinen höchsten Besiz hinstellt, höher als alle Güter dieser Erde**), höher selbst als die Achtung und

*) Vgl. oben Anm. Seite 259.

**) Wir können nicht umhin, beiläufig noch auf einen feinen Zug aufmerksam zu machen, den unser Dichter zur Charakteristik unseres Helden hier eingestreut hat. Had heaven steep'd me in poverty to the very lips, läßt er ihn sagen, zum Beweise, daß er Werth auf die Güter dieser Erde legte. Dieser Zug ist aber unwahr, so lange man Othello als Gemüthsmenschen im strengen Sinne des Wortes auffaßt; unsere Darstellung zugegeben, derzufolge Othello der bürgerliche Mensch ist, ist er ebenso wahr wie fein."

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den Ruhm, den er erworben, dennoch aber als den höchsten Besit, · den er ausschließlich den seinen nennen muß, wenn nicht seine Geduld und Ruhe weichen und sein Blick sich,,grimmig wie die Hölle" gegen sie wenden soll. Die Betheuerungen ihrer Unschuld, mit denen sie auf seine Beschuldigungen antwortet, haben für ihn kein Gewicht und hätten nie für ihn Gewicht gehabt, da er nach seinem innern Verhältniß zu ihr, immer nur als Kläger und Richter zugleich vor sie getreten wäre aber eben weil er ihr die Gleichberechtigung nicht zugestand, hat er durch Prüfung sich Beweise ihrer Schuld verschafft, und diese kann sie jezt nicht mehr entfräften. Er verläßt sie mit den Worten, die das ganze Resultat seines Prüfens in Eins zusammen fassen:

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Ich nahm dich für die schlaue Dirne von Venedig,

Die den Othello freite.

Worte, die wie schon oben nachgewiesen wurde, den Standpunkt des Prüfens, den Standpunkt des vermittelten Vertrauens, mithin den Standpunkt des Individualismus überhaupt aufheben und verdammen.

Wo wir ihn wieder treffen, steht er auf der tiefsten Stufe der Erniedrigung. Ein schauerliches Bild enthüllt sich uns, ein Bild, das im Verhältniß zu einem frühern, das unser Dichter vor uns entrollte, in Othello's eigner Entwicklung den grellsten Gegensatz darstellt, den unser Drama bietet. Man denke jener ersten Nacht auf Cypern, des Lärms, den Jago's Tücke angestiftet hatte, und rufe sich das Bild der Größe, die wir Othello dort entfalten sahen, wieder vor die Seele. Dagegen stelle man die lezte Nacht, die Nacht, in der Jago den Rodrigo auf Cassio hezt, soweit im Auftrage Othello's, daß dieser fallen solle. Dort steht er da als das Organ des Staats, als die Verkörperung des Allgemeinen, das er zu vertreten hat, ein Mann erregbar zwar, doch nur im Namen seines Staats, und auch der heftigsten Erregung Meister, in gleichen Schalen wägend Recht und Unrecht, den Schuldigen strafend auch im Freund, und mit dem Muthe und der Offenheit, die seiner Manneswürde Blüthe sind, hintretend, um den Streit zu schlichten. Hier, nächtlicher Weile, aus bloßer Rachsucht, läßt derselbe Mann durch eines Andern Hand, mit Vorbedacht, den eignen Feind ermorden, er selbst steht feig von Weitem, horcht aus dem Versteckt und freut sich seines niederträchtigen Meuchelmords. Ja mehr noch noch ist er der Vertreter seines Staats; der Staat war einst ihm heilig, willig unterwarf er sich

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seinen Gesezen, stellte einst sogar sein Leben seinen Richtern zur Verfügung, war doch der Staat für ihn der Boden, dessen er von seis nem Standpunkt aus als der unumgänglichen Bedingung der Bes thätigung seiner als Individuum bedurfte jezt ist auch dieses Allgemeine für ihn hin, er selbst hat es zerstört, hat durch Cassio's Mord die ganze objective Ordnung aufgehoben, und überdies war Cassto schon zur heiligen Person geweiht. Es scheint, das Chaos ist bereits hereingebrochen, das ordnende, die Kräfte regelnde Princip gestürzt nur daß Er selbst es noch nicht sieht, man könnte seine eignen Worte ihm entgegenhalten, die noch dazu ein viel geringeres Vergehen, nur einen Fehltritt trafen, der aus Trunkenheit und Leidenschaft entsprang: „Was giebt es hier? woher entspann sich dies? find wir denn Türken?" 2c. Vor Allem aber, was er dem Montano zuruft:

Würdiger Montano, Ihr schient mir sonst gesittet,

Die Ruh' und edle Haltung Eurer Jugend

Pries alle Welt, und Eu'r Name prangte
Im Lob der Weisen: sagt mir denn, wie kam's,
Daß Ihr so abgestreift den guten Ruf,

Und Eures Leumunds Reichthum für den Namen
Des nächt'gen Raufers hinwerft? gebt mir Antwort!

Aber er nennt auch jezt noch seinen Helfershelfer ehrlich und gerecht, ja tapfer und preist ihn seiner Freundschaft wegen, vermöge deren er so,edlen“ Sinn für seines Freundes Schmach befize. Man sieht, es existirt für ihn jezt überhaupt nichts Objectives mehr, er selbst als Subject, seine Interessen entscheiden über Gerechtigkeit, Ehrlichkeit, Wahrheit 2c. Denn auch seine eigne Verstellung erreicht hier ihren Gipfel. Doch darf diese Anschauung, die mit der Praxis Hand in Hand geht, nicht befremden, sie ist nichts weiter als die lezte Consequenz des Standpunkts, von dem aus er einst den Ehrgeiz eine Tugend nannte, insofern nämlich, als auf diesem Standpunkt das Individuum von vornherein die leßte Instanz gebildet hat. Es ist der Egoismus, der überall, auf jeder Stufe der Entwicklung, obschon unbewußt, zu Grunde lag.

Mit dem Ausdruck grimmiger Rachsucht gegen Desdemona zieht er sich zurück. Aber, wo wir ihn wiederfinden, ist die Leidenschaft verraucht und er zum ersten Mal frei von ihr, über die subjective Berührung durch ihre Schuld, über deren Bedeutung für ihn, hinaus. Jezt also ist ihr Tod für ihn keine innere Nothwendigkeit mehr, wie

einst, als sie durch ihre „Revolte," durch den Raub, den sie an ihm beging, ihn direct aufzufordern schien, sein Recht als ihr Herr und Besizer, das sie thatsächlich leugnete, ihr auf dieselbe Weise darzuthun. Denn ruhig konnte er nur werden, weil ihn diese Negation, die zugleich die seines Wesens war, nicht mehr berührte. Mithin ist er im Rechte, wenn er von sich behauptet, daß es allein die Sache sei, die ihn bei dem Beschluß, sie zu tödten, verharren lasse. Er ist nicht mehr der Rächer seiner eignen Sache, er fühlt sich als Werkzeug der Vorsehung oder des „Himmels,“ wie er lieber sagt, berufen, sie zu hindern, durch ihre Schönheit noch mehr Unheil anzurichten, er ist gleichsam der Priester, geweiht, der Gottheit sie als Opfer darzubringen, und seine Stimmung trägt den Stempel dieser höhern Weihe. Noch ein Mal stellt er sich die Tragweite seiner That vor Augen, sagt sich, daß ihr Lebenslicht, einmal ausgethan, nicht wieder zu entzünden ist, noch ein Mal läßt er ihre Schönheit auf sich wirken. Aber bald erweist sich das Anmaßliche, das er sich hat zu Schulden kommen lassen, indem er sich aus eigner Machtvollkommens heit zum Organ des sittlichen Geistes aufwarf, Er, der noch eben selbst den Meuchelmord gepriesen, der längst die Selbstbeherrschung eingebüßt hat, der für ihre Schönheit auch jezt noch empfänglich, also noch erregbar ist. Er freilich meint, sich aller persönlichen Empfindungen entäußert zu haben, bleibt ruhig selbst, als sie erwacht, ja ist seiner so gewiß, daß er sie selbst geweckt haben würde, denn ihr Seelenheil liegt ihm am Herzen und er will ihr noch Zeit zum Beten geben, eh' er sein Richteramt vollzieht. So gewiß ist er ein Andrer jezt, als da er ihr zulezt gegenüberstand, denn damals hatte er sie ihre Unschuld nur beschwören lassen, damit ihr Meineid sie um so sichrer in die Hölle bringe. Aber kaum ist sie erwacht, kaum hat er sie ermahnt, zu beten, so trifft ihn auch die Rache des sittlichen Geistes, der ihn als sein Organ nicht will. Denn zwar will er abseits gehen, daß sie gesammelt beten könne, und will sie dann gleich tödten, zwar heißt er sie schweigen, um nicht durch ihre Reden in feiner persönlichen Beziehung zu ihr erregt zu werden, aber schon erinnert er sie selbst an ihre Sünden, erwähnt des Taschentuches und wirft sich nun auch noch zu ihrem Beichtiger auf; damit ist dann, weil er ihr Geständniß fordert, auch seine Beziehung zu ihr, die Kränkung, die sie ihm zugefügt, wieder wachgerufen. Denn sie leugnet, daß sie eine Schuld zu beichten habe und ihm erscheint ihr Leugnen als Ver

stockung, als Meineid. Jeßt muß er selbst empfinden, daß er im Bes griff steht, was er als Opfer meinte, in Mord zu verwandeln. Aber dies Bewußtsein über die Gefahr, in der er schwebt, müßte ihm die Ruhe wiedergeben und mit ihr die Kraft, seinen Entschluß, wie er ihn gedacht, zur Ausführung zu bringen. Doch schon ist Cassio's Name gefallen, die Erwähnung seines Mordes folgt und Desdemona weint da bricht die alte Wuth aufs Neue zügellos hervor und jezt stirbt Desdemona, ohne daß er ihr auch nur noch das Gebet gestattet hätte, um das sie jezt selbst bittet.

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Nun aber ist auch für ihn das Chaos eingetreten, das wir vorher in Cassto's Mord schon sahen. Die ersten Worte, mit denen er den Eindruck seiner That aus sich herausstellt, sagen es:

Nun, dächt' ich, müßt' ein groß Verfinstern sein

An Sonn' und Mond, und die erschreckte Erde
Sich austhun vor Entseßen.

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Und bald noch deutlicher, nur ironisch gewandt, in der Antwort, die
er Emilien auf ihre Botschaft von dem geschehenen Morde gibt:
Das hat wahrhaftig nur der Mond verschuldet:
Er kommt der Erde näher, als er pflegt,
Und macht die Menschen rasend.

Noch aber dauert sein Rachewahnsinn fort, er ist bitter enttäuscht
durch Cassio's Rettung und selbst Desdemona's erhabene Lüge ver-
mag ihn nicht zu rühren. Dennoch ist er schon dahin gebracht, vor
Emilien, der Dienerin seiner Gattin, seine That zu rechtfertigen, ́und
ist trot seines Schmerzes noch so subjectiv erregbar, daß er wegen
Beschimpfungen, die Emilie auf ihn häuft, gegen das schwache Weib
das Schwert zückt. Auch sie beschämt ihn mit den Worten:
Du hast nicht halb die Macht, mir weh zu thun,

Als ich, es zu ertragen.

Aber freilich ist er noch immer durchdrungen von der Ueberzeugung, daß er recht gethan, und kann sogar noch zu dem Oheim der Ermordeten sagen:,,Ich weiß, daß diese That schauerlich und gräßlich aussieht (shows)," kann sie nochmals mit seiner Gattin Ehebruch rechtfertigen da aber wird die Binde von seinen Augen weggerissen : Eine Weile ist er stumm, dann, in einem einzigen Ausruf die überwältigende Gewalt der in ihm ringenden Empfindungen zusammenpreffend, während Gratiano um Emilie beschäftigt ist, stürzt er Jago nach, und will, da ja der Himmel keine Steine sendet, selbst das Racheamt vollziehen. Aber er ist auch nicht tapfer mehr“

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