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ausgesprochen ist, daß Desdemona selbst in diesen Formen noch den ursprünglichen Geist ihres Gatten erkennt und anerkennt, so geht doch eine andere Schönheit dadurch verloren. Denn man beachte nur, wie jene drei Worte, durch die sie Othello's jeßiges Wesen und Benehmen gegen sie bezeichnet, eine Stufenleiter bilden, auf deren lezter Stufe das Selbstische, das sie ihm auf der ersten Schuld gibt, schon geschwunden ist. Das Schelten segt einen milderen Grad derselben als die Halsstarrigkeit, und in dem Zorne endlich, englisch frown, der edelsten Bezeichnung für Zorn, die die Engländer besigen, die sie auch dem göttlichen Zørne beilegen, in dem Zorne hat sie ihm seinen früheren Adel schon wieder geliehen.

Doch wollen wir ihrer selbstlosen Liebe wegen gegen ihn nicht ungerecht sein. Auch seine Liebe zeigt sich selbstlos, auch sie hat also, scheint es, eine würdigere Form: „Und Gott verhüt'," sagt er vor dem Senate,

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Hier also scheint er selbstlos, wie er denn auch bereit gewesen war, seine Gattin ganz zurückzulassen und nur um ihretwillen ihre Bitte, ihm folgen zu dürfen, unterstüßte. Gervinus wenigstens stellt diese Liebe der,,Liebe im Müßiggange, die die Proteus und Romeo (!) zu weichlichem Verliegen (!) führe,“ gegenüber und fezt gleich darauf, nachdem er Desdemona's Liebe geschildert hat, hinzų: „Und diese Liebe kam ihm von einem solchen Wesen, daß sie ihm den Haß und den Neid der Welt aufwiegen konnte. Mit dieser Liebe fiel der Sonnenblick in sein Leben, der jeden früheren Mißklang auflöste in vollkommene Harmonie“ legt also seiner Liebe die unbedingte Hingebung an ihr wahres Wesen unter, womit die völlige Selbstentäußerung auch auf seiner Seite gesezt ist. Aber Shakspeare's Schuld ist wahrlich dieses Mißverständniß nicht, es gibt kaum Eine Stelle, wo er die Liebe seines Helden klarer ausgeprägt hätte. Denn sagt nicht jedes Wort, daß er die Liebe hier im Gegensaß zu seinem

Archiv f. n. Sprachen. IX.

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„ernsten und großen Geschäfte“ wie zu seinem „Ruhme“ faßt? bezeichnet er sie denn nicht selbst als „Tand“? oder wo ist eine Spur, daß er nur die Liebe Anderer im Auge habe, die seinige aber als Ausnahme betrachtet wiffen wolle? Vielmehr läugnet er nur, daß ihn der leere Land des flüchtigen Amor stumpfen, daß ihn Genuß entnerven werde, sezt also Beide auch für sich und seßt in ste die Liebe selbst. Und anders kann er diese auf seinem Standpunkte auch nicht faffen, da ihm das Weib als solches Nichts ist und folglich der Verkehr mit ihr auch nur nichtig, nur ein Tändeln sein kann, sobald sie selbst in Frage kommt. Wir haben somit hier vielmehr einen neuen Beleg, daß Othello seine Gattin nur als Puppe faßt. Jezt aber offenbart sich, daß mit dieser Auffassung unmittelbar das sinnliche Moment der Liebe selbstständig in's Bewußtsein treten und für sich Werth erlangen muß. Denn infofern das Weib in geistiger Beziehung für sich zum Nichts herabgesezt ist und nur dazu da ist, dem Manne seinen Inhalt abzuspiegeln: kann von keiner Einheit Beider, die auf ihrer gegenseitigen Durchdringung ruhte, mehr die Rede sein. Dann aber bleibt, sobald das Weib als selbstständiges Wesen ihm entgegentritt, allein die sinnliche Gemeinschaft, die in dem Verhältniß der Herrschaft und Knechtschaft überhaupt gefeßt ist, in dem ehelichen aber die fleischliche Beziehung einschließt. — Dies sinnliche Moment macht sich mithin als solches geltend, zwar nicht mit dem Anspruch absoluter Berechtigung, vielmehr muß es sich als leerer Land" dem allgemeinen Wesen des Subjects unterordnen, aber dem Gegenstand der Liebe gegenüber weiß es sich berechtigt, weil dieser als bloß sinnlich gesezt ist. Das also ist der wahre Inhalt dieser scheinbaren Selbstlosigkeit Othello's, die damit in ihr gerades Gegentheil verkehrt ist. Statt selbstlos zu sein, ist seine Liebe vielmehr sinnlich, was nun auch durch die Attribute, die Othello ihr als seiner Puppe beilegte, bestätigt wird. Dies Moment aber wird in der späteren Entwicklung feiner Liebe zur Eifersucht sich als bedeutungsvoll erweisen.

Othello's Liebe ist ferner ergreifend, sowohl wo sie als die Seele seines Glücks erscheint, als wo sie ihn dem höchsten Jammer preisgegeben hat. Dies ist es vorzugsweise, was die bisherige Kritik über ihr wahres Wesen geblendet hat. So sagt Rötscher von jenem Herzenserguß gegen Desdemona, als ihm diese bei seiner Landung auf Cypern unverhofft entgegentritt, derselbe fei,,der energische Ausdruck

einer unendlichen, ganz in die Gegenwart herabgestiegenen Seligkeit." Aber er ist im Gegentheil der Ausdruck eines subjectiven aus der mangelhaften Gegenwart sich plöglich emporschnellenden Entzückens, deffen Sehnen eben deshalb bald wieder erschlaffen müffen. Man höre selbst: „O mein Entzücken!" sagt er,

Wenn jedem Sturm so heit're Stille folgt,
Dann blast Orkane, bis den Tod ihr weckt!
Dann klimme, Schiff, die Wogenburg hinan,
Hoch, wie Olymp, und tauch' hinunter tief
Zum Grund der Hölle!

Blickt denn nicht offenbar durch dies Entzücken die Bedürftigkeit durch, die wir vorher aus der nothwendigen Reaction seines individuellen Wesens gegen seine Allgemeinheit abgeleitet haben? Sagt er nicht selbst, wenn auch indirect, daß er früher nach solchen Stürmen, nach Gefahren jeder Art sich nicht befriedigt fühlte? Und was ihm früher zur Befriedigung fehlte, war, daß seinen Stürmen nicht so heitre Stille folgte wie jezt, daß er, obwohl stets herumgeworfen, doch keinen Busen fand, an dem er nach bestandenem Kampfe hätte ruhen können. Damit aber ist bewiesen, daß seine jeßige Befriedigung, sein Entzücken, das Moment subjectiver Bedürftigkeit in sich trägt, die also auch als solche sich wieder geltend machen kann. Und sie macht sich schon im nächsten Augenblick wieder geltend. Nötscher fährt fort: „Aus dieser Ueberfülle des Glücks dringt aber schon der Ton, der uns für dasselbe zittern macht." Warum aber? worauf gründet sich diese Erscheinung? das eben galt es nachzuweisen. Wir sehen, es ist dieselbe subjective Bedürftigkeit, die, nachdem sie kaum in dem Entzücken aufgehoben war, sich schon als ängstliche Besorgniß, als bange Ahnung mitten in dasselbe eindrängt. Und wie mit dieser positiven Bethätigung seiner Liebe, ebenso verhält es sich mit der negativen, mit dem Schmerze. Ich erinnere zunächst an jene Stelle, die wir zum Ausgangspunkte für die Bestimmung des Wesens unfres Helden nahmen, an jenen Ausruf, in dem er auf seines Herzens Ruhe, auf seinen Frieden, auf sein Tagewerk Verzicht thut. Ueberall tritt in derselben allein die Beziehung auf ihn selbst hervor, dort die Beziehung auf sein individuelles, hier die auf sein allgemeines Wesen; wie die Befriedigung, die er als bestimmtes allgemeines Wesen fand, so ist auch die rein subjective Befriedigung, dieselbe, die wir eben als Entzücken auftreten sahen, mit dem Glauben an die

Treue seiner Gattin hin. Aber man höre seine tiefsten Klagelaute, die er weinend ausstoßt:,,Gefiel es Gott," sagt er,

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Freilich spricht hier Schmerz und zwar ein Schmerz, der tief ergreift wo aber blickt auch nur ein einzig Mal der Schmerz um sie, um ihren Fall, um ihren sittlichen Untergang durch? *) Wie also ließe sich behaupten, daß sie ihm die Concretion einer fittlichen Idee gewesen? Sie war ihm vielmehr nur ein Gut, sein höchstes zwar, weil er bei ihr sein Herz verwahrt," d. h. weil er seinen ganzen Lebensinhalt an sie abgegeben hatte und eben deshalb ihrer zum Leben nicht entbehren konnte, doch aber nur ein Gut, das allein durch seine Beziehung auf ihn Werth hatte; denn seine Klagen gelten nur ihm selbst. Daß er sie hier nicht mehr als Puppe auffaßt, ist freilich wahr, aber nicht weniger nothwendig, da feine Beziehung zu ihr sich durch ihren Abfall von ihm in die Beziehung zu seinem eignen Inhalt umgesezt hat, deffen Gefäß sie früher war und den er jezt mit ihr verliert. Deshalb tritt sie ihm auch später, als er sie schon ermordet hat, in einem Augenblicke, wo er ihr nochmals die ausschließliche Beziehung auf ihn, die Treue leiht, sogleich

*) Die einzige Stelle, die man mir hier entgegenstellen könnte, die fürchter liche Verwünschung Jago's Act 3, 4 (eine andere werd' ich später berühren): If thou dost slander her and torture me,

Never pray more: abandon all remorse etc.

verliert schon durch den Zusaß and torture me so sehr an Gewicht, daß sie in der That nichts denn eine vorübergehende Aufwallung im Interesse ihrer Reinheit documentirt, das Vorwiegende sind auch hier wieder seine Qualen.

wieder unter einem ganz ähnlichen Bilde vor die Seele. Da ruft

er aus:

wär' fie treu gewesen

Und schuf mir eine zweite Welt der Himmel

Aus einem fehllos reinen Chrysolith,
Ich gab sie nicht dafür.

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Wir glauben somit das Wesen der Liebe Othello's dargelegt zu haben. Das aber ist das Wesentliche, daß sie ihn, wie es sein Standpunkt mit sich brachte, nicht zum Gattungsmenschen, zum schlechthin Algemeinen erweiterte, sondern ihn in seiner individuellen Bestimmtheit beharren ließ. Denn dadurch ist er, stait zur Freiheit zu gelangen, in den Widerspruch hineingestellt, selbstständig zu sein und doch nicht in sich selbst zu wurzeln, sein Prinzip aus sich herausverlegt zu haben und doch nicht in dem andern aufzugehen. Dann aber geht auch die Bedürftigkeit des Individuums mit in die Liebe über, die außerdem den Zweifel auch schon in sich birgt, weil ihr Glaube von der Prüfung ausgegangen ist. Sie ist ferner finns lich, weil die Geliebte nicht als geistiges Wesen anerkannt ist, und endlich Tändelei, so lange sein eigner Inhalt sicher aufbewahrt scheint. Was dann die Geliebte selbst betrifft, so ist sie für ihn in denselben Widerspruch hineingezogen, in den er selbst gestellt ist: ste ist Person und soll sich doch allein auf ihn beziehen, sie ist ihm Sache, schon von vornherein, und ist doch Trägerin seines geistigen Inhalts. Das sind die beiden Widersprüche, die den Knoten unsres Drama's bilden: nur ihre Dialektik kann die Lösung bringen.

Zunächst bethätigen sie sich in der Liebe, die auf ihnen steht, dadurch, daß diese dem Subject die Befriedigung weigert, die die auf die Einheit mit der Gattung gestellte Liebe gibt, und es höchstens ein schnell verfliegendes Entzücken kosten läßt, dann aber ge= währt sie ihm auch nicht ein Mal mit Sicherheit die Erfüllung mit dem eignen Wesen, mit dem Allgemeinen, das es früher schon in sich trug, und gibt ihm, so oft das frühere Selbstgefühl in ihm lebendig ist, die Empfindung des Zwanges, den es sich durch die Verbindung mit dem andern Wesen auferlegt hat. Das Leztere sahen wir an Othello schon bestätigt: wir sahen, wie bei seinem ersten Auftreten seine Selbstständigkeit sich schon regte, und gegen die Ansprüche der Geliebten, gegen die Rücksichten, die er ihr schuldet, reagirte. Wir sahen ferner das Entzücken in ihm auflodern, aber im

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