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Aber die Erzählung Othello's vor dem Senate führt zu noch anderen Resultaten, die wiederum unsere Entwicklung zu bestätigen dienen. Er erscheint nämlich in derselben als zurückhaltend Desdemona gegenüber, als passiv, und nur insofern activ, als er sie zwingt, ihm entgegen zu kommen. So erbietet er sich nicht etwa, ihr seine ganze Pilgrimschaft zu erzählen, als er bemerkt, daß sie seine Rede ,,mit durstigem Ohr verschlingt," er ersteht sich eine günstige Stunde" und gibt ihr Anlaß, ihn darum zu bitten. So schweigt er, als er ste Thränen vergießen sieht, wenn er ein leidvoll Abenteuer berichtet aus seiner Jugendzeit, schweigt zu ihrer „Welt von Seufzern,“ als er nun geendet, läßt sie schwören, es war seltsam, wunderseltsam! rührend, unendlich rührend!*) kurz zwingt sie, ihm näher und näher zu kommen, bis er endlich sicher ist, mit seinem Antrag und Geständniß nicht zurückgewiesen zu werden. — Aber wo ist hier die Offenheit Othello's, jene so viel gepriesene Tugend unseres Helden? Keine Spur von ihr! Vielmehr das gerade Gegentheil oder doch ein Halten hinterm Berge, das mit jener in gar schlechtem Einklang steht. Desto inniger aber stimmt es mit seinem wahren Wesen überein, das, wie wir fahen, alles unmittelbare Vertrauen ausschließt und für dasselbe die Vermittlung seßt. Damit aber offenbart sich ein wichtiges Moment seiner Liebe: er prüfte, eh er an die Liebe Desde= mona's glaubte, was sich durch seine ganze Schilderung bestätigt. Leider hat die deutsche Uebersetzung einiges Einzelne verwischt. Im Originale sagt Othello: „dies zu hören, war Desdemona stets ernstlich (seriously) geneigt.“ Mit durstigem Ohr verschlang ste meine Rede.“ „Ich fand Mittel, daß sie mich aus ernstem (earnest) d. h. es aufrichtig meinendem Herzen bat, ihr zu erzählen.“ Alle diese Ausdrücke beweisen, daß sein Glaube sich auf einzelne Zeichen stüßte, die ihre Aufrichtigkeit zu verbürgen schienen, Zeichen, denen sich noch ihre Thränen, Seufzer u. s. w. anschließen. Einzelne Merkmale also, nicht der unmittelbare Ausdruck ihres ganzen Wesens,

*) Alle Ausleger sind darin einig, diesen Ausruf Othello selbst zuzuschreiben, der mit ihm seine Erzählung unterbreche, aber man streiche nur den in unseren gewöhnlichen Ausgaben und bei Tieck sich findenden Bindestrich und die Sache stellt sich anders. Man hat nicht nöthig, den Krieger in öffentlicher Versammlung Thränen der Rührung vergießen zu lassen, was zwar Manchen als besondere Schönheit erschienen ist, doch aber schwerlich eine Shakspearesche ist. Desdemona ist es, deren Worte er wiederholt.

hatten ihn bestimmt, zu glauben, daß sie ihn liebte - mithin ist erwiesen, daß er sie prüfte, denn das Wesen der Prüfung im Gegensaß zum Glauben ist, daß sie vom Einzelnen zum Allgemeinen gelangt. Nun aber birgt der Glaube, der sich auf die Prüfung ftüßt, weil diese vom Zweifel ausgeht, auch selbst den Zweifel in sich, wenn auch latent, als bloße Möglichkeit: er kann sich doch entbinden und sein Product, den Glauben, wieder untergraben. Das vermittelte Vertrauen Othello's also, das ein Ausfluß seines Standpunktes ist, trägt den Keim der Eifersucht schon in sich.

Wir gehen jezt zu Othello's Anschauung seiner Gattin über, um durch diese tiefer in die einzelnen Momente seiner Liebe einzudringen. Denn insofern seine Gattin von ihm rein subjectiv gesezt ist, find wir berechtigt, das Bild, das er von ihr in sich trug, als das gegenständlich gewordene Wesen seiner Liebe zu betrachten, und jeder Zug des Bildes muß uns ein Moment derselben erschließen. Selbstständigen geistigen Werth, sahen wir, hat sie für ihn nicht, fie spiegelt ihm nur sein eignes allgemeines Wesen wieder, ist also einerseits sein Knecht und andrerseits sein Herr, natürlich ohne daß Othello selbst Bewußtsein über diese ihre Stellung zu ihm hat. Daraus ergibt sich nun die Form, in der sie ihm Gegenstand werden muß. Als selbstbewußtes freies Wesens kann er sie nicht anschauen, da er sie von vornherein nur subjectiv gesezt hat; als Sache deshalb nicht, weil sie der Spiegel seiner Allgemeinheit ist, mithin wird fie seine Puppe werden, denn diese ist zwar an und für sich auch Sache, erhält aber für das Subject wesentliche Bedeutung durch die Beziehung, die sie auf dasselbe hat. Und als solche erscheint Desdemona von Anfang an in seinen Reden; schon vor dem Senate unterstüßt er ihre Bitte, fte mit ihm ziehen zu lassen, nicht weil er selbst sich nicht von ihr zu trennen wünsche, sondern nur ihrem Wunsch willfährig hold zu sein." Noch deutlicher aber tritt diese Anschauung hervor, als er sich von ihr auf Cypern begrüßt sieht. Da sehen wir den ernsten Krieger, den Mann voll Würde, spies

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Nicht auszusprechen weiß ich diese Wonne,

Hier stockt es; o es ist zuviel der Freude:

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Um dies und dies (sie küffend), der größte Mißklang sei's,
Den unser Herz je tönt.

Das ist nicht Liebe, das ist Verliebt-sein, und was noch folgt, bestätigt das. Zunächst zeigt er sich eitel auf sein Weibchen und freut sich schon im Geiste, wie seine alten Freunde hier auf Cypern “ sie bewundern werden.,,Liebchen," sagt er (im Original steht honey, Honigliebchen),,,man wird dich hoch in Ehren halten, ich fand hier große Gunst." Ja endlich wird er selbst inne, daß er sich hat gehen lassen: „meine Süße, ich schwaze Alles durch einander, schwärme in meinem eignen Glück." Später aber, als er zuerst mit dem Gedanken der Eifersucht vertraut geworden ist, gibt er uns selbst ein Mal ein Bild von seiner Gattin:,,Nicht weckt mir's Eifersucht," sagt er,

Sagt man, mein Weib ist schön, lebt gut, spricht scherzend,
Sie liebt Gesellschaft, fingt, spielt, tanzt mit Reiz.

Das also hat er von ihr aufgefaßt, sofern sie von ihm unterschieden ist und objectives Dasein hat. Wir sehen, auch hier guckt wieder jene Eitelkeit hervor, die wir soeben schon an ihm kennen lernten; denn alle diese Eigenschaften sind eben so viel gesellschaftliche Vorzüge, deren Glanz auf ihn zurückfällt. Sehen wir ferner, wie er sich ihr Bild vergegenwärtigt, als er zuerst den unwiderruflichen Entschluß gefaßt hat, sie zu ermorden (Act 4, Sc. 1), und also im Begriff steht, sie zu verlieren: „Ein hübsches Weib,“ beginnt er da, ,,ein schönes Weib, ein füßes Weib!" Und weiter:,,O die Welt befizt kein süßeres Geschöpf; sie hätte an eines Kaisers Seite ruhen und ihm Sclavendienste gebieten können." In diesen Worten legt er sein Verhältniß zu ihr am klarsten dar, sie bestätigen allein schon das oben von demselben Ausgesagte. Dann folgen andere Eigenschaften, die er an ihr erkannt hat, alles eben Eigenschaften, die eine mehr, die andere weniger äußerlich, sämmtlich aber einer Puppe angemessen, insofern keine sittlichen Inhalt hat. — Wir erwähnen zulezt noch der Scene ihrer Ermordung, in der Othello auch wieder nicht als der Liebende, sondern als der Verliebte erscheint ; denn Jener kennt allein die sittliche Würde der Geliebten und steht in dem Körper nur ihren Ausdruck, ihr Organ, Othello aber liebt den lezteren als solchen, getrennt von dem sittlichen Inhalt, der in ihm ausgeprägt ist.

Das also ist das Bild, das er von Desdemona in sich aufgenommen hat. Wie anders diese! Es ist, als ob der Dichter mit Bewußtsein ihre Liebe der feinigen als Gegenbild zur Seite gestellt

hätte, um über das wahre Wesen dieser keinen Zweifel zu lassen. Zuerst, sie liebte ihn, nach seinen eignen Worten,,,weil er Gefahr bestand," wegen seiner Kraft also, die der Grundzug seines Wesens ist, den sie mithin erfaßt hat, ja sie liebte ihn so ganz um seiner selbst willen, um das, was er war, daß sie wünschte, der Himmel hätte ste zu einem solchen Manne gemacht." Auch das sind seine eignen Worte, die sie selbst bestätigt: „Ja,“ sagt sie vor dem Senate,,,mein Herz ist so recht dem innersten Wesen meines Herrn unterjocht“*). Dann fährt sie fort:

Mir war Othello's Angesicht sein Geist,
Und seinem Ruhm und seinem Heldensinn
Hab' ich die Seel' und irdisch Glück geweiht.

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An diesen fordert sie ihr Theil, den davonzutragen, will sie nicht als ,,Friedensmotte" daheim im sichern Hafen bleiben. Auch ist es ihr Stolz, Othello's,,kriegerisches Mädchen" zu sein**), und sie nennt sich selbst gern so, nachdem er ihr ein Mal diesen Namen beigelegt. Wenn sie aber vor dem Senate ihre Liebe mit der größten Klarheit ausgesprochen hatte, so zeugen die Worte, mit denen sie bei seiner Landung auf Cypern seine Besorgniß, „daß nie ein anderes Glück ihm,

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*) Tieck überseht: mein Herz ergab sich ganz unbedingt an meines Herrn Beruf. Im Englischen steht aber even to the very quality of my lord, worauf dann I saw Othello's visage in his mind unmittelbar folgt. Quality bedeutet also jedenfalls Wesen. Uebrigens soll im Texte nicht behauptet werden, daß Desdemona den Othello auch wirklich in seiner Wesenheit erfaßt habe als Krieger, als Helden erfaßte sie ihn gewiß, wie das dem jugendlichen, so wie dem weiblichen Gemüthe so natürlich ist, als Vertreter des Staates, als Politiker nicht, was demselben eben so sehr widerstrebt. Und das ist ihre „unschuldige Schuld," durch die sie selbst zu Grunde geht; denn das allein erklärt es, daß sie troß seiner Gegengründe, die Emilie uns angibt, nochmals und in so starken Worten auf Caffio's Wiederaufnahme zurückkommt.

**) Das die Erklärung von unhandsome warrior (Act 3, Sc. 4. Tieck hat hier etwas ganz Andres an die Stelle gesetzt). „Ich bin ein wenig heldenmüthiges Weib,“ sagt sie, „daß ich dadurch schon an Othello irre wurde. Solche Kleinigkeit muß man ertragen, wenn man eines Mannes wie Othello werth sein will.” Mit der Erklärung Schmidt's (a. a. D.) zu Act 2, 1, der nach dem Vorgange von Steevens das warrior auf das französische guerrière der Sonnettendichter zurückführt, kann ich mich deshalb nicht befreunden, weil ich nicht glaube, daß ein folches Bild durch englische Nachahmung eine genügende Popularität erlangt haben kann, um den Gebrauch desselben im Drama zu rechtfertigen. Meine Erklärung scheint mir ganz im Wesen der Liebe Othello's und Desdemona's zu liegen.

diesem gleich, im Schooß der Zukunft ruhen möchte," zu beschwichtigen sucht, von der höchsten Innigkeit ihrer Liebe: „Verhüte Gott,“ sagt fie,

Daß unsre Lieb' und Glück nicht sollten wachsen,
Wie unsrer Tage Zahl!

d. h.,,Verhüte Gott, daß deine Besorgniß sich erfülle! vielmehr muß unsre Liebe und unser Glück wachsen, wie unsrer Tage Zahl!" Worte, die so recht das Ruhen im Menschengeist ausdrücken, aus dem stets neues Glück quillt*), das sichere Bewußtsein ihres Zusammengeschlossenseins mit ihrem Geliebten und durch ihn mit der Gattung, Worte also, die beweisen, daß sie durch den Geliebten zur erfüllten Totalität geworden ist. Und eben dafür zeugt, nach Rötscher's schöner Bemerkung, ihr Streben, nun auch Alles um sich her glücklich zu machen, das vor Allem sich auf Cassio wendet. Daß fie aber in Wahrheit ihren Gatten in sich aufgenommen hat, welch' schönerer Beleg wäre dafür zu erfinnen, als die Art, wie sie Othello, als er sie behandelt hat, „daß sie ihn nicht mehr kennen würde, wär' er im Antlig wie im Geist verändert," wie sie ihn da vor sich selbst in Schuß nimmt und sich anklagt, als habe sie falsch Zeugniß gegen. ihn abgelegt und den Richter dadurch bestechen wollen. Aber was braucht es der Beweise für die Selbstlosigkeit ihrer Liebe! Nur um die feinige, die nur ihre Beziehung auf ihn anerkennt, durch den Gegensah in noch helleres Licht zu stellen, will ich noch an die Worte erinnern, die sie über ihre Mißhandlung zu Emilien spricht: „Meine Liebe," sagt ste,,,billigt ihn so," d. h. erkennt ihn als den be= stimmten Menschen, der er ist, so ganz an, „daß selbst seine Halsstarrigkeit, sein Schelten, sein Zorn Anmuth und Reiz für mich haben," Worte, die die Tieck'sche Uebersetzung umgestellt hat; aber wenn auch der Hauptsache dadurch kein Eintrag geschieht, insofern auch so noch klar ist, was schon in jenen einleitenden Worten direct

*) Man vergleiche Juliens Worte in Romeo und Julie:
So gränzenlos ist meine Huld, die Licbe

So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe,

Je mehr auch hab' ich: Beides ist unendlich.

Rötscher bezeichnet diese als „die großen Worte, mit denen sie das Wesen aller Liebe auf das Erschöpfendste ausspricht.“ Wir meinen, Desdemona's Wort reiht fich als gleiches an das Julien's an.

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