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,,Im Gefühle des nahen Todes" so erzählt Pressel 1) versammelte Vadian den 22. Januar 1551 die vornehmsten Herren des Raths und die würdigsten Pfarrer der Stadt um sein Lager, ihnen das Beste der Stadt und das Wohl der Kirche auf die Seele zu binden, sich über seinen letzten Willen zu erklären und dem Bürgermeister Schlumpf das Verzeichniss seiner aus 451 Bänden 2) bestehenden Bibliothek mit den Worten zu überreichen: „Sehet da, liebste Herren, meinen Schatz, die fürtrefflichsten Bücher in allen Künsten und Wissenschaften, welche ich hiemit Testamentsweise dem gemeinen Wesen der Stadt St. Gallen vermacht haben will, doch mit diesem Beding und Begehren, dass ein ehrsamer Rath die Sorg und Mühe aufnehme, dieselbigen an einem auserlesenen Orte zum gemeinen Nutzen der Bürgerschaft fleissig aufzubehalten und zu bewahren." „Sein Tochtermann fährt die Erzählung fort hatte schon vorher seine Einwilligung dazu gegeben und sich aus dem ganzen Vorrath nur zwei Bücher, eine deutsche Chronik und eine deutsche Bibel vorbehalten, wogegen ihm und seiuen Kindern und Erben das Recht zugesichert wurde, die der Stadt vergabten Bücher nach Gefallen brauchen zu dürfen. Vadian sprach die Hoffnung aus, dass man die Bibliothek auch nach seinen Absichten gebrauchen, und besonders die Praktikanten und Schullehrer darüber gehen, sie lesen und darin studiren werden." Wobei er den Wunsch äusserte: „dass die Bücher wohl versorgt in einem Gemache unzertrennt und unzertheilt bei einander liegen und des Jahres meistens zweimal durchgangen und von dem Staub gesäubert und erluftet werden möchten."

Ist einmal eine solche Sammlung begründet, so findet sie schnelle Vermehrung. So ging es auch hier. Es findet sich bis herab auf die neueste Zeit eine successive Vermehrung der Büchersammlung, theils durch einzelne Private, theils durch den Rath selbst 3) und diese Sammlung, theils gut, theils lässig im Verlaufe der Jahrhunderte durch ihre verschiedenen Vorsteher verwaltet, und von da bis 1855 öfters versetzt, wird heute noch als die Vadianische Bibliothek bezeichnet, und hat nun nach 300 Jahren das Glück, zunächst durch Gustav Scherer,

1) a. a. O. S. 98.

2) Nach dem urspründlichen Bücherverzeichnisse wären es 455 Bände gewesen, die sich nach anderer Berechnung wiedes auf 450 reduciren. Vergl. Scherer's Bemerkung S. 1. Codex Nr. 2.

3) Vergl. Dr. Julius Petzholdt, Handbuch der deutschen Bibliotheken. Halle 1853. S. 132-133, wo gesagt wird: die Bibliothek enthalte gegen 20000 Druck- und über 400 Handschriften, meist Geschenke, auf welche das Wachsthum der Bibliotbek überhaupt zum grössern Theil angewiesen sei, da ausserdem nur jährlich die Zinsen eines Capitals von 6000 f. Rh. zunächst für Fortsetzung disponibel seien. Jedoch mache der Magistrat zuweilen selbst Ankäufe. Man sieht den Schweizerischen Bürgersinn auch hier.

dessen Name schon mit der St. Gallener Stiftsbibliothek rühm-
lichst verbunden ist 1), ein

Verzeichniss der Manuscripte und Incunabeln der
Vadianischen Bibliothek in St. Gallen. St. Gallen.
Druck der Zollikofer'schen Officin. 1864. XIII u.
352 Seiten. Gr. 8".

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zu erhalten, wodurch ihr Inhalt, so weit er Vadian und seiner
nächsten Zeit angeht, schriftlich gesichert, aber auch zum Ge-
meingute der gelehrten Welt gemacht wird. Auf Veranstal-
tung des um die Stadtbibliothek thätigst bemühten St. Galli-
schen Verwaltungsraths erscheint" - so beginnt Scherer sein
Vorwort ,,gegenwärtiges erstes gedrucktes Handschriftenver-
zeichniss der Vadiana. Um etwelche systematische Anordnung
des Vorraths zu bewirken, musste gleichzeitig eine neue Signa-
tur der Bände vorgenommen werden, damit jedoch Hänel's ge-
druckter Katalog, der in den Händen aller Gelehrten ist, seine
Brauchbarkeit nicht einbüsse und weil unsere namhaftesten
Manuscripte im „Archiv für ältere deutsche Geschichtskunde'
und anderwärts unter den bisherigen Nummern beschrieben sind,
fügte man die vergleichende Tabelle bei, die der Leser auf
Seite XII findet." So der Verfasser! Die Umänderung von
Bibliotheks-Signaturen und Nummern liegt bei der Neubearbei-
tung einer Bibliothek oder bedeutender Theile derselben sehr
nahe, und wirkt dann oft sehr verführerisch, und doch sollte
man sich tausendmal besinnen, ehe man auf eine solche ein-
geht, weil die Nachtheile beim Gebrauche und die Wirren bei
einmal vorhandener doppelter Bezeichnung unvermeidbar sind,
wenn auch durch die beigegebene Vergleichungstafel die Be-
richtigung alsbald ermöglicht werden kann. Eine streng syste-
matische Aufstellung von Handschriften ist ohnehin schon durch
die häufige Vermischung des Inhaltes ein und derselben Hand-
schrift eine reine Unmöglichkeit, es sei denn man käme auf
den Gedanken, der einst in dem Haupte eines irregewordenen
süddeutschen Bibliotheksvorstandes spukte, alle Handschriften
zerschneiden und das Gleichartige zusammenstellen zu lassen.
Unserer Ansicht nach ist bei Handschriften das Alter der
Handschrift immer der Hauptfactor. Sollte und müsste eine
gleichsam historisch gewordene Bezeichnung der Handschriften
den obwaltenden Verhältnissen weichen, dann ist die chrono
logische Aufstellung, bei welcher selbst bei verschiedenalterigen
zusammengebundenen Handschriften das Alter den Ausschlag
giebt, immer die richtigste, auch ganz abgesehen von dem Um-
stande, dass jeder Kopf auch seine eigene Systematik hat, und
es in der That so viele Bibliothekssysteme giebt als eben selbst-
denkende und selbstwollende Bibliotheksmänner vorhanden sind,

1) Vergl. Serapeum 1864. Nr. 8. Seite 128.

von denen Jeder ein Maass voll Eigensinn besitzen wird, wie die Erfahrung lehrt, und wie es auch nicht anders sein kann und darf.

Anlangend nun das vom Herrn Verfasser eingehaltene System, so giebt er solches mit den Worten: „Durch den überwiegend localen Charakter der Sammlung ist es bedingt, dass dieselbe in eine St. gallisch-sehweizerische Abtheilung und eine solche allgemeineren Inhalts geschieden ward. Letztere beginnt bei Nr. 292 mit den Pergamenthandschriften, von denen 53 Bände vorhanden sind, an welche sich die Papierhandschriften der theologischen, medicinischen und litterarischen Klasse anreihen. Die wenigen juristischen Stücke gehören theils den St. Gallischen Autographen, theils den Pergamenten an. Den Anfang unseres Verzeichnisses machen 24 Nummern zur Bibliotheksgeschichte, hierauf folgen die Originalhandschriften und Correspondenzen der bekanntesten St. Galler Litteraten." War einmal ein neues System der Aufstellung durchzuführen, so ist offenbar das so eben angedeutete das richtige. Gerade bei solchen Stadt- und Raths-Bibliotheken ist das locale Interesse das überwiegende, analog den Sammlungen bestimmter Localvereine, z. B. der historischen Vereine. Haben aber solche Sammlungen Producte, die sich auf deren Geschichte selbst beziehen, also haben Bibliotheken Acten, welche bereits archivalisches Interesse gewähren, so gehören solche der Natur gemäss voraus, weil sie gleichsam eine Beschreibung des Gefässes bilden, in welchem ein kostbarer Schatz aufbewahrt wird.

Ebenso ist die Sonderung der Pergament- von den Papierhandschriften schon um des Materiales willen vollkommen gerechtfertigt, gleichwie in jeder nur einigermassen umsichtig verwalteten Bibliothek selbst Pergamentdrucke von Papierdrucken geschieden sind, selbst wenn der Papierdruck seltener wäre als der Pergamentdruck, wie z. B. bei der Mainzer Bibel von 1462.

Was die von Scherer in zweifacher Richtung angestrebte Bestimmung des Katalogs betrifft, indem derselbe als Localkatalog und zugleich als ,,räsonnirendes" Verzeichniss dienen soll, so begründet er solche in folgender Weise: Zwei Rücksichten, die sich für eine kleine Sammlung wie diese leicht vereinigen lassen. Die erstere Rücksicht verlangt vollständige Aufzählung alles dessen, was vorhanden ist, sowohl des Unwichtigeren als des Bedeutenden nach der Reihenfolge der Aufstellung, die zweite erlaubt Bemerkungen und Nachweise verschiedener Art, die einerseits das Verständniss werthvoller Manuscripte, anderseits die Kenntniss der St. Gallischen Geschichte fördern können." So der Verfasser, dem hier unbedingt beigestimmt werden muss. Mit einer blossen Aufzählung der Handschriften ist wenig gethan. Durch das Zusammenfügen dessen, was auf die äussere Geschichte des diplomatisch

treu beschriebenen Buches Bezug hat, was den kritischen Werth desselben betrifft, was schon aus ihm gewonnen, was noch aus ihm zu gewinnen ist, steigert sich das litteraturgeschichtliche Interesse selbst.

Dieses in Anwendung auf den vorliegenden ManuscriptenKatalog der Vadiana selbst gebracht, so folgt man den Anmerkungen Scherer's mit dem grössten Interesse, auch wenn man kein St. Gallener Bürger ist. Wie interessant dagegen muss erst Alles dem St. Gallischen Angehörigen sein, der sich durch die Manuscripte wie durch die beigefügten Bemerkungen unmittelbar in die verschiedensten historischen Perioden St. Gallens versetzt fühlt. Wenn Scherer beifügt: „Den übergrossen Raum, den die Alchymie einnimmt, erklärt der Umstand, dass im 16. (und 17.) Jahrhundert die St. Gallische gelehrte Welt tief in diesen nichtigen Bestrebungen verfangen war", so bedarf es kaum dieser einer Entschuldigung ähnelnden Bemerkung. Gerade diese nichtigen Dinge sind für Cultur und Sittengeschichte von grossem Werthe. Die Alchymie hatte in den Augen jener Jahrhunderte den grössten Werth, und ihre Verehrer waren von deren Realität, Wahrheit und Wichtigkeit so tief überzeugt, wie heute unsere Geologen, Paläontographen, Mikroskopisten u. s. w. von der Realität, Wahrheit und Wichtigkeit ihrer Untersuchungen überzeugt sind, über welche eine spätere Zeit vielleicht einst gerade so urtheilt, wie wir heute über Alchymie!

Mit den Manuscripten haben nun auch die ersten Drucke eine gewisse Aehnlichkeit. Auch sie sind nicht mehr zum gewöhnlichen Gebrauche verwendbar. Ihr Werth ist, in so ferne neuere Ausgaben vorhanden, nur ein historisch-artistischer oder ein kritischer, es würde denn der Fall eintreten, dass von einem solchen Werke nur eine einzige Ausgabe existirte, z. B. von den meisten Schriften des Conradus Celtis u. a. Im Betreff dieser Drucke bemerkt nun Scherer: „Unsere Incunabeln, unter denen sich mancher schöne und seltene Druck, aber auch viele schlecht conservirte Bände befinden, sind hier ebenfalls zum erstenmal genauer verzeichnet und bestimmt; den hierzu nöthigen bibliographischen Apparat lieferten in ziemlicher Vollständigkeit die beiden St. Gallischen Bibliotheken. Einige musterhafte Verzeichnisse schweizerischer Büchersammlungen (Aarau, Zürich u. a.) wurden auch beigezogen." Auch antiquarische Kataloge wurden nicht verschmäht, zunächst um augenblickliche Preisbestimmungen beizubringen, deren Werth freilich ein höchst relativer selbst in einem bestimmten Zeitpunkte ist, man vergleiche nur Preise eines und desselben Buches in den Katalogen verschiedener Antiquare, obschon diese Kataloge einem und demselben Jahre angehören!

Schliesslich bemerkt rühmend der Verfasser den lebhaften

Antheil, welchen Litteraturfreunde, besonders Präsident A. Naef an dieser Arbeit nahmen.

Was nun die Arbeit selbst betrifft, so darf sie eine vollkommen gelungene genannt werden und der eigentliche Bibliothekschätze-Freund wird mit wahrer Lust Scherer's Arbeit durchgehen. Wir selbst wollen auf die einzelnen Merkwürdigkeiten aufmerksam machen.

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An erster Stelle (Nr. 1.) steht wohl die Vita Vadiani" von der Hand des Reformators Johannes Kessler selbst geschrieben, der der Index generalis totius Bibliothecae Reip. Sangall.. von seinem Sohne den St. Gallener Prediger und Stadtschreiber Josue Kessler (1527-1580) beigefügt ist. (Nr. 2) enthält den: Index Librorum omnium Bibliothecae Joachimi Vadiani von demselben Jos. Kessler geschrieben und von Vadian 1549 unterschrieben, wohl das eigentliche Instrument der Uebergabe, bezüglich welcher Scherer sehr interessante Notizen in den Bemerkungen beibringt.

Nicht minder wichtig ist (Nr. 5) ein „Rodel aller Bücher", die vor der Vadiana dem Rathe gehörten. Es waren dieses 132 Bände des Wolfgang Wetters, ehedem Frühmessers zu St. Mang, seit 1519 Pfarrer zu St. Lorenz, † 1536 am 10. März; dann 70 Bände des Dominicus Zili, seit 1521 Schulmeisters, seit 1524 Predigers in St. Gallen, † 1542 am 17. Aug.; und 137 Bände des Dr. Christ. Schappeler, † 1551.

Die (Nr. 28) „uneingebundenen Hefte in Fol. meist von Vadian's Hand hätten wohl eine genauere Zählung und Specification verdient. Derselbe Wunsch gilt bezüglich (Nr. 30-41),,Literae miscellaneae" des Vadian, seiner Correspondenten und anderer später hinzugekommenen Briefe. Beträgt auch die Sammlung 4100 Blätter, so wäre doch eine specielle Angabe, ähnlich dem von Irmischer im Erlanger Handschriftenkatalog specificirten Briefwechsel von höchstem Interesse gewesen. Im Allgemeinen jedoch ist die Beschreibung, die Scherer S. 6-7 giebt, sehr instructiv. Dieses gilt auch von den übrigen Briefsammlungen, so Nr. 94 Schobinger's.

Ebenso interessant und gut beschrieben ist (Nr. 42) Vadiani historische Collectanea und Tagebuch. Dass Vadian sich auch eigenhändig Abschriften der Werke dritter Autoren fertigte, zeigt (Nr. 55) Galeotti Martii Narniensis ad Mathiam Hungariae regem liber de vulgo incognitis." Merkwürdig sind ferner (Nr. 69) Casus monasterii S. Galli, Papierhandschrift des XV. Jahrhunderts aus der Stiftsbibliothek St. Gallens stammend; ebenso (Nr. 70) mit uralten deutsch glossirtem Vorsatzblatte, gleichfalls auf das Stift hinweisend, wo sich 16 Blätter und Schriften derselben Bibelhandschrift finden. (Nr. 72) enthält die für St. Gallen wichtige und berühmte Handschrift: Johann Kessler's Sabbata, eine vielgebrauchte Chronik, deren Abfassung in die Jahre 1523-1529

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