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Die

Am 15. Juli besuchten wir die Erdhügel zu Ozumba und Chimal, beide jetzt unbedeutende Dörfer, in früheren Zeiten aber die Mittelpunkte einer grossen Bevölkerung. Sie liegen etwa 10 Meilen südlich von Amecameca. Indianer nennen diese Erdhügel cue im Singular, cues (Gräber) im Plural. Ein eigenthümlicher Erdhügel steht mitten im Dorfe Ameca, und dieser sowie alle anderen gehören Indianern. Die Indianer sind ausserordentlich misstrauisch und ertheilen nicht gern die Erlaubniss, auf ihrem Eigenthum zu suchen und zu graben. Nachdem man mich viele Tage auf eine Antwort hatte warten lassen, erhielt ich doch endlich von dem Besitzer des Grundstücks, auf welchem der Ameca-Hügel steht, die Erlaubniss, denselben zu öffnen.

Am Fusse des Hügels steht eine verlassene Capelle, und auf der halben Höhe desselben befindet sich das Haus des Grundbesitzers. Der Hügel hat die Form eines Ovals, dessen Achsen 296 und 230 Fuss messen. Er besitzt nicht mehr seine frühere Form, die Höhe hat bedeutend verloren und auch seine Oberfläche mannigfache Veränderungen erfahren. Seine gegenwärtige Höhe beträgt beinahe 30 Fuss. Der Indianer sagte mir, dass er oben eine 8 Fuss starke Schicht abgehoben und den Grund an den Seiten aufgeschüttet habe. Nachdem wir den Mittelpunkt des Hügels bestimmt hatten, teuften wir daselbst einen 4 Meter (13 F.) im Quadrat messenden, Schacht ab. Während dieser Arbeit stiessen wir auf eine Anzahl Scherben alter Thongefässe, von denen einige von glänzend rother Farbe und mit sehr primitiven Figuren verziert waren. Diese Thonscherben waren dem Grunde beigemengt, der zum Aufbau des Hügels verwendet worden war, und natürlich älter als dieser. Ausser diesen Scherben fanden wir noch eine be

trächtliche Anzahl grosser Kieselsteine. Auch eine Menge bearbeiteter Steine wurden gefunden, und es ist diess ein Beweis, dass die Chichimeken schon eine viel frühere Civilisation vorfanden. Amecameca war eine ihrer ersten Stationen auf dem Plateau; von hier gingen sie nach Tenayuca und verlegten schliesslich ihre Hauptstadt nach Tencaco. Im ganzen Thale von Mexico waren sie zur Zeit der Eroberung am weitesten in der Bildung vorgeschritten. Sie waren auf diesem Plateau die Vorgänger der Azteken; sie waren die ersten gewesen, welche von den Tolteken civilisatorische Ideen angenommen, indem sie sich mit gewissen Toltek-Stämmen verbündet hatten, welche zurückgeblieben waren, als die grosse Masse ihres Volkes Chalula verliess und den Weg nach Süden antrat.

Der Schacht wurde bis zum Niveau des den Hügel umgebenden Geländes abgeteuft, ohne dass dabei andere Fundstücke als die schon gemeldeten wären zu Tage gefördert worden. Menschliche Überreste wurden nicht gefunden. Es

ist möglich, dass durch die Veränderungen, welche man auf der Oberfläche des Hügels vorgenommen hatte, der ursprüngliche Mittelpunkt verschoben worden war; möglich ist es aber auch, dass derselbe, anstatt ein Grabhügel zu sein, die Basis eines Tempels gewesen wäre. Wenn wir auch den Hauptzweck unserer Ausgrabungen verfehlten, so entdeckten wir doch einige recht interessante Gegenstände, unter Anderem einen Marmelstein (Schüsser zum Spielen für die Kinder), welcher beweist, dass die Kinder dieser alten Völkerschaften Spiele hatten, welche denjenigen unserer Kinder nicht unähnlich waren. Dann fanden wir einen Kopf von Terracotta, wunderbar schön modellirt und von einem ganz anderen Ausdruck als alle übrigen, welche wir gesehen haben; ferner die Kinnbacken von einem wilden Bären und einem Hasen.

Ein besserer Erfolg krönte meine Untersuchungen an einem anderen Orte. Das Vorkommen einer Begräbnissstätte auf der Höhe der Sierra liess mich annehmen, dass noch mehr derartige Todtenfelder anderwärts zu finden sein könnten. Ich befragte mich bei den Indianern, die mir sofort einige Orte bezeichneten, wo, wie sie sagten, tepalcates (Überreste von Thongeschirren) gefunden würden. Ein Indianer, der im Besitz einiger Thongefässe und steinerner Götzenbilder war, versprach gegen eine Belohnung von 20 Dollars mich an seine Fundstelle zu führen.

Am 28. Juli war ich schon um 6 Uhr Morgens auf dem Wege, begleitet von Huberto, dem erwähnten Indianer, drei Arbeitern und einem tlacualero, d. h. einem Manne, welcher uns täglich die Lebensmittel zutragen sollte. Nachdem wir 7 Stunden lang an den Seiten des Ixtaccihuatl hinaufgeklettert waren, erreichten wir den Gipfel. Zu unseren Füssen lag ein längliches Thal, das ungefähr 1 mile lang und 1/4 mile breit war.

Dieses kleine Thal erinnert mich an das „,glückliche Thal" des Rasselas. Es ist getrennt von dem Reste der Welt durch seine Bergwände, die auf der Aussenseite nur eine grosse Reihe steiler Klippen zeigen, während sie auf der Thalseite in sanften Hängen abfallen. Diese Abhänge sind bedeckt mit verkrüppelten Fichten, denn hier oben erreicht der Baumwuchs sein Ende. Noch höher oben sieht man Nichts als den nackten Fels. In dem Thale selbst bemerkt man keinen Baum, aber der schwarze Boden ist mit einer dichten Grasdecke überzogen. Die Unglücklichen, welche vor der Tyrannei der Spanier flohen, hätten keinen sicherern Zufluchtsort finden können.

Der Ort führt den Namen Apatlatepitonco. Geschichte und Sage schweigen über ihn; doch wird uns eine Besichtigung der Stätte und eine genaue Untersuchung der Gegenstände, welche wir dort fanden, die Geschichte des Ortes errathen lassen. Dieses Thal war einst bewohnt, denn

wir trafen Überreste von Wohnungen. Sodann bemerkten wir am nordwestlichen Ende des Thales einen Teich von 200 Fuss Durchmesser, der von Menschenhänden ausgegraben und dazu bestimmt war, den nöthigen Wasserbedarf zu fassen. Zwei länglich viereckige, mit Steinen umsetzte Flächen zeigen, wo die Todten bestattet wurden.

In meiner Ungeduld begann ich sofort mit den Arbeiten und in weniger denn 20 Minuten fanden wir über 40 Vasen, Schüsseln, Schalen &c. Die Vasen sind von derselben Form und demselben Style, wie jene von Tenenepanco am Popocatepetl, bestehen aber aus einer gröberen Thonmasse. Sie verrathen entweder eine geringere Geschicklichkeit oder Mangel an geeignetem Material. Die Verschiedenheit zwischen diesem Orte und Tenenepanco fällt sofort in die Augen. Apatlatepitonco war ein bewohnter Ort, Tenenepanco eine Begräbnissstätte. An beiden Orten herrschte dieselbe Religion die Anbetung herrschten dieselben Gebräuche und Ge

des Tlaloc wohnheiten.

Ich entnehme nun dem Tagebuche meine Notizen über den Fortgang der Ausgrabungen.

Den 30. Juli. Wir machten einen Einschnitt und folgten dabei der Richtung gewisser Steine, welche senkrecht aufgepflanzt und von 2-3 Fuss Höhe waren. Jeder dieser Steine scheint ein Grab bezeichnet zu haben, denn wir fanden bei jedem, etwa 16 bis 20 Zoll unter der Erdoberfläche, Vasen, welche mit dem Bilde Tlaloc's geschmückt waren. Die meisten sind verwittert und zerbrochen, einige jedoch ganz. Es ist höchst sonderbar, dass wir gar keine Knochen finden. Unser Einschnitt erreichte eine Länge von 20 Fuss, und wir sammelten etwa hundert Gegenstände der verschiedensten Art, Schüsseln, Schalen, Vasen, Götzenbilder. Diese Vasen sind, wie schon bemerkt, grobem Thon geformt und allem Anscheine nach sehr alt. Am Ende war dieses Thal vielleicht gar keine Zufluchtsstätte der Indianer, sondern der Centralpunkt einer gewissen religiösen Verehrung. Die Bildnisse des Tlaloc, des Gottes des Regens, welche überall vorkommen, scheinen diese Annahme zu bestätigen.

aus

Den 31. Juli. Nach einer kalten, windigen und regnerischen Nacht nahmen wir am Morgen die Arbeiten wieder auf. Unser erster Fund bestand in einer grossen zerbrochenen Vase oder Urne mit weiter Öffnung, welche 22 kleine Steine ohne irgend welche Zeichen enthielt. Ich vermuthe, dass die Steine das Alter des Verstorbenen anzeigen. Wiederum keine Spuren von Knochen. Während dieses Tages fanden wir etwa eine gleiche Anzahl Vasen wie gestern, alle von gleichem Style, nur das Bild Tlaloc's, welches sich auf jeder befindet, ist sehr verschieden. Die

Götzenbilder aus Terracotta sind stets roh und grotesk und alle nach dem gleichen hieratischen Muster.

Den 1. August. Heute begaben wir uns nach dem

zu sein

Reservoir oder Teich. Wir bemerkten um den Teich herum zehn Steinhügel, während eine grössere Gruppe sich in der Mitte desselben erhebt. Nachdem ich bei dem Hügel in der Mitte die Steine hatte wegräumen lassen, liess ich einen 3 Fuss 4 Zoll (1 m) breiten Einschnitt machen, welche Arbeit nicht ohne Schwierigkeit zu bewerkstelligen war, da das Wasser stets das Loch wieder rasch zufüllte. Es war eine vergebliche Mühe, denn wir fanden auch nicht ein einziges Überbleibsel vergangener Zeiten, und wir gingen daher zurück zu unserer Arbeit im Thale. Der Werkmeister unserer Indianer, ein intelligenter Mann, der in den Traditionen seines Volkes wohlbewandert scheint, versicherte, dass vor noch nicht langer Zeit, wie er selbst gesehen, in der Mitte des Teiches ein steinernes Kreuz gestanden habe und dass auf jedem der anderen Steinhügel im Teiche sich ein hölzernes Kreuz befunden hätte. Es ist mehr denn wahrscheinlich, dass diese Kreuze von bekehrten Indianern errichtet wurden, lange Zeit nach der Eroberung. Man erzählt (so berichtet mein Indianer), dass, während man noch die Götzen verehrte, die Leute von weit und breit in Processionen, wie bei Wallfahrten, in dieses Thal gezogen kamen, das ihrem Lieblingsgotte geheiligt war, und dass Tlaloc sich seinen treuen Verehrern mitten im See, wo sich seine adoratorios befanden, zu offenbaren pflegte.

Den 2. August. Dieselbe Arbeit bei gleichem Erfolg. Wir haben die Hände voll zu thun, die Vasen zu reinigen, welche von unseren Arbeitern gefunden werden. Heute fügten wir unserer Sammlung zwei Thongefässe hinzu, welche ganz einzig in ihrer Art sind.

Den 3. August. Unter den Gegenständen, welche wir heute fanden, verdient einer ganz besonders hervorgehoben zu werden, nämlich ein Gesicht, das wie alle die anderen. die Züge Tlaloc's trägt, nur mit dem Unterschiede, dass bei diesem die Verzierungen im höchsten Grade übertrieben sind und die rechte Hand eine vollendet modellirte Schlange hält. Wir fanden auch das Bruchstück eines Thongefässes mit dem Bilde einer Hand, welche eine Klapperschlange hält. Wir entdeckten immer noch keine Knochen. sehr unwahrscheinlich, dass irgend ein menschlicher Körper in diesem Thale begraben liegt. Und doch kann darüber kein Zweifel herrschen, dass das Thal einst bewohnt war und eine Begräbnissstätte hatte.

Es ist

Den 4. August. Heute fanden wir ausser den gewöhnlichen Gegenständen nur einige jener grossen zerbrochenen Vasen mit Steinen, deren Zahl zwischen 25 und 30 wechselt, und von denen ich annehme, dass sie das Alter des

Verstorbenen bezeichnen. Unsere Arbeiten nahen ihrem Ende. Wir haben beinahe 600 Gegenstände gefunden, das Feld ist gründlich durchsucht und die Mine ist abgebaut. Morgen werden wir den Platz verlassen. Während wir uns zum Abmarsch rüsteten, fanden wir unter dem Schutt einen Gegenstand, der an die Zeit der Eroberung mahnt, nämlich ein flaches Stück Terracotta, auf welchem unverkennbar die Figur eines caballero abmodellirt ist. Es lässt sich daraus leicht folgern, dass der Ort zur Zeit der Eroberung und später bewohnt war. Er muss aber sehr bald darnach verlassen worden sein, sonst würden wir häufiger Andenken an jene Zeit gefunden haben. Am 5. August waren wir wieder in der Stadt Mexico.

Zum Schlusse sei mir noch ein Wort über das Bild des spanischen caballero gestattet. Die Indianer hatten ganz gewiss einen Gott aus ihm gemacht, denn sie bildeten ihn nach Art ihrer Götter ab. Das flache Stück Terracotta, welches sein Bildniss trägt, ist identisch mit denjenigen, auf welchen das Bild Tlaloc's steht. Die Eroberer hielt man für Götter, aber nur während der ersten wenigen Monate nach der Eroberung. Das Stück muss aus dem Jahre 1520 stammen. Es ist merkwürdig, dass, während die Indianer aus dem Krieger einen Gott machten, sie zu gleicher Zeit einen Priester karrikirten. Sie fühlten die Kraft des Einen, kannten aber noch nicht das Amt des Anderen.

Karte des Chor Baraka nach Dr. W. Junker (s. Tafel 3).
Erläuterungen von B. Hassenstein.

Theodor v. Heuglin und Werner Munzinger, zwei Männer, deren Namen auf's Engste mit der geographischen, ethnologischen und naturwissenschaftlichen Erforschung der ägyptisch abessinischen Grenzgebiete verknüpft ist, und deren Bemühungen wir mehr verdanken als einer ganzen Schaar von Touristen und eifrigen Nimrods, sprachen in ihrer mit Dr. Petermann gepflogenen Correspondenz häufig den lebhaftesten Wunsch aus, bald das wichtigste topographische Desideratum des südöstlichen Nubien erfüllt zu sehen oder selbst noch zu erfüllen, die Erforschung des grossen Baraka - Chors und seines Quellgebietes.

Durch mancherlei Erkundigungen, die sie während ihrer Reisen einzuziehen keine Gelegenheit versäumten und die sie in ihren betreffenden Publicationen, zumeist in dieser Zeitschrift, mitgetheilt haben, wurde schon vor etwa 20 Jahren die vorher oft erörterte Frage über Ursprung und Verlauf der beiden Ströme oder Chors: Mareb und Baraka, deren Mündung in einem grossen Überschwemmungsgebiet nahe dem alten Hafenplatz von Aqiq gesucht und vermuthet wurde, und welche sogar zu einer von der Pariser Geogr. Gesellschaft aufgestellten Preisfrage erhoben worden war 1), in der Hauptsache erledigt, die Bereisung des Thales selbst blieb aber immer noch frommer Wunsch, bis es vor fünf Jahren dem für Afrikaforschung begeisterten Dr. Wilhelm Junker gelang, von der althergebrachten Strasse abweichend, das schon in Cairo vorgesteckte Ziel zu erreichen und die Aufgabe glücklich durchzuführen.

Dr. W. Junker's Reise 1875. Durch seine späteren, den Lesern dieser Zeitschrift bekannten Reisen im Oberen Bahr-el-Ghasal-Gebiet ist sowohl die Construction der Routenkarte wie auch die Abfassung einer specielleren Beschreibung des Baraka-Thales, die uns in Aussicht gestellt war,

1) Über die frühere Erforschungsgeschichte der bezüglichen Gebiete vergl. die betreffenden Mémoires von B. Hassenstein in den Ergänzungsheften zu Peterm. Mitth. Nr. 6: Ost-Afrika zwischen Chartum und dem Rothen Meere bei Suakin und Massaua, 1861; und Nr. 13: Die deutsche Expedition in Ost-Afrika; 1865.

Petermann's Geogr. Mittheilungen. 1881, Heft II.

verschoben worden, doch enthält der auf Seite 383 des Jahrgangs 1876 gegebene Bericht 1) und ein in einer Sitzung der Berliner Geogr. Gesellschaft abgedruckter Vortrag Dr. Junker's 2) so viel Neues über die Natur des Strombettes, Bewohner, Fauna und Flora seines Thales, dass wir auf denselben als den eigentlichen Text unserer Karte zurückverweisen dürfen. Das Hauptresultat der Reise bleibt allerdings vorläufig ein mehr kartographisches. Vergleicht man vorliegende Tafel 3 mit den beiden Karten der ,,Mittheilungen", welche der Heuglin-Munzinger'schen Expedition von 1861/62 voraus und später, 1865 3), aus ihren Errungenschaften hervorgingen, so wird in der That die durch Junker erzielte Bereicherung augenfällig.

Wer mit der kartographischen Darstellung jener Gebiete betraut ist, wird es namentlich als einen besonderen Glücksumstand zu schätzen wissen, wenn, wie in vorliegendem Fall, der Reisende es sich angelegen sein liess, einen tüchtigen, orts- und namenskundigen Führer zu engagiren, denn diesem Umstand allein ist es zu verdanken, dass die Karte nicht nur um ca 120 Namen sämmtlicher dem Baraka von West und Ost zuströmender Cheran und der ihn auf beiden Seiten begrenzenden Berge und Gebirge bereichert worden ist, sondern dass auch eine Identificirung ferner liegender, von anderen Reisenden erwähnter Berge möglich und somit eine sehr befriedigende Niederlegung der Reiseroute zu erlangen war. Mögen diese Namen auch, da Dr. Junker des Bedjauih nicht mächtig war, und die rein phonetisch, aber nach öfterem Vorsprechen, notirt wurden, mehrfacher Berichtigung von Sprachkennern bedürfen wie Dr. Junker uns gegenüber selbst hervorhob so kann doch nicht dringlich genug sein gewissenhaftes Verfahren zur Nachahmung empfohlen wer

1) Geographischer Bericht über das Chor Baraka und das angrenzende Beni-Amer- und Hadendoa-Gebiet. 2) Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin, 1879, Nr. 6. 3) Ergänzungshefte zu Peterm. Mitth. Nr. 6 und 13.

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schon kalter NNO. Abends aber ging er mehr nach Ost und von 3 Uhr Nachts an regnete es. Schon am nächsten Tage notirte ich 2 Uhr Nachmittags bei starkem NW und Regen nur +4,5° R.

Hierauf beschränke ich für diesen Bericht die meteorologischen Mittheilungen, gebe sie aber in extenso in dem. oben angezeigten Werke und habe nun zunächst das Hauptsächlichste aus meiner Marsch route bis Lenkoran zu erzählen. Während der ganzen Reise waren selbstverständlich die Vögel die begehrtesten Beobachtungsobjecte.

Am 1./13. November verliess ich in Begleitung des Entomologen H. Leder und eines Präparators, der zugleich Jäger war, Tiflis und verfolgte die Poststrasse gegen Osten, welche über Akstafa nach Elisabethpol führt. Die ganze Strecke dieses Weges stellt mit nur geringen Unterbrechungen am Unterlaufe des Algetka- und des mächtigeren. Chram - Flusses, die beide, aus dem trialetischen Gebirge kommend, von rechts her der Kura zufallen, eine elende, wasserarme, vornehmlich von niedrigen, ausdauernden Wermutharten spärlich bestandene Steppe dar, über welche hinschauend man in der Ferne hie und da den Spiegel der Kura verfolgen kann, und jenseits desselben sich die Südfronten des Grossen Kaukasus im Jora- und AlasanGebiete rasch aufbauen sieht. Das Gebiet ist im Sommer menschenarm, weil die hier überwinternden tatarischen Nomaden mit ihren Heerden in's Gebirge wandern. Der Strasse entlang begleiteten uns die Haubenlerchen, die, wenn aufgescheucht, den etwas klagenden kurzen Pfiff hören liessen.

Für die geographische Verbreitung der Corvus - Arten konnte ich auch jetzt die schon früher hier gemachten Beobachtungen bestätigen. Von den Krähen sind es namentlich Corvus corone und C. frugilegus, die sich in ihrem Vorkommen auf weite Strecken hin gegenseitig ausschliessen. Im gesammten Osttheile Transkaukasiens überwintert in Menge nur C. frugilegus, im centralen Theile dagegen ist C. corone herrschend. Die Saatkrähe, hier im Winter selten, erscheint erst im Frühlinge in Menge und zieht meistens weiter. Die Nebelkrähe aber gehört dem ganzen Kaukasus an und wird auch auf den Plateau-Ländern im Süden, sowohl den Iranischen als auch den Kleinasiatischen angetroffen, und zwar ebensowohl in den Einsamkeiten basalalpiner Wiesen, oft fern von Ansiedelungen, als auch in den bevölkerten Tiefländern und am Meere, nirgends aber geschaart oder im Winter ein Stadtleben führend, wie sie es im Norden überall thut. Sporadisch kann ich nur die Dohle als Winter vogel aufführen. Bei Mingetschaur war sie sammt der Nebelkrähe geschaart und begab sich gleich den Wildgänsen mit Sonnenaufgang in grossen

Flügen, immer schreiend, auf die Saatfelder, namentlich auch auf das jetzt trockene Reisstoppelland. Was den Kolkraben endlich anbelangt, so fehlt auch er einzelnen Gebieten Transkaukasiens vollkommen. Nie sah ich ihn in Talysch, obschon reichlichst Nahrung ihm geboten wird, da während des ganzen Winters ungemein viel, den Jägern verloren gegangenes, angeschossenes Geflügel zu finden ist, dann bis zum Juli Fischabfälle im Strandgebiete im Übermaasse vorhanden sind und endlich später Nestjunge im Rohr die bequeme Nahrung dem Vogel bieten würden allein er fehlt hier im Tieflande ebenso wie im Gebirge vollständig und erst westlich von Derbent, in den Vorbergen von Dagestan, traf ich ihn vereinzelt an.

Wesentlich verändert sich die Landschaft im Osten von Akstafa nicht, nur entfernt sich die Strasse mehr und mehr vom tieferen Kura - Thale und führt über die Basis des Randgebirges, welche rasch ansteigt und hier schon überall waldarm ist. Rechts ab gegen Süden, im Thale der Akstafa, steigt die musterhafte Chaussee über Delijan oder Delishan, indem sie die Strasse nach Eriwan bildet, zum Goktschai-Plateau an, über welches ich in meinen früheren Berichten bereits sprach. Gegen Osten aber hat man auf gewöhnlichen Landwegen die Reise fortzusetzen und mehrere grössere Gebirgswasser ohne Brücken zu passiren, um die Gartenstadt der Tataren, Gandsha, den ehemaligen Sitz mächtiger Chane, das jetzige Elisabethpol zu erreichen. Jene Gebirgswasser fordern während der Schneeschmelze oder bei Platzregen und Wolkenbrüchen alljährlich ihre Opfer und zwingen bei Hochwasser die Reisenden zur Rast. Der Taus, Dsegam und Schamchor sind dadurch berüchtigt und gefürchtet.

An dem Unterlaufe des zuerst genannten liegt gegenwärtig die westlichste Verbreitungsgrenze des schönen Frankolin-Huhnes, des edelsten Wildpretes aus der Gruppe der Gallinaceen, welches von hier an gegen Osten, nur dem Kura-Thale folgend, in seiner Gesammtverbreitung ein schmales Band einnimmt, gebildet durch die halb verwilderte, zum Theil jongelreiche Gartenlandschaft zu beiden Ufern des Flusses, nicht ganz bis Salian. Ausführlich werde ich darüber in meiner Ornis berichten, hier nur so viel, dass dem schönen, edlen Vogel für's Erste ein allmähliches Zurücktreten gegen Osten schon jetzt geboten wurde, da Massenvernichtung alljährlich Statt findet, welche nicht allein durch die tatarischen Falkenjäger (stets mit Astur palumbarius, namentlich mit jüngeren Weibchen jagend), sondern auch durch die Tifliser Jäger in gewöhnlicher Weise, vor dem Hunde mit dem Gewehre, bewerkstelligt und die jedenfalls nach zwei Jahren, wenn die Locomotive die jetzt in Angriff genommene Poti-Baku - Bahn das Kura-Thal durchbrausen wird, noch schädlichere Dimensionen

annehmen wird. Nicht anders wird es dem Fasan ergehen, nur ist dieser, obwohl von allen hühnerartigen Vögeln der dümmste und während der Hochzeit geradezu stupideste, doch gesicherter, da er auf passendem Terrain sich in über 2500 F. Meereshöhe noch findet und also eine viel grössere Verbreitung hat.

Von der Station Dsegam machte ich einen Abstecher südwärts in's Randgebirge, um den lange schon versprochenen Besuch der Kupferwerke der Gebrüder Siemens in Kedabeg endlich in Ausführung zu bringen. Es ist diess eine ebenso lohnende als belehrende Tour, die uns an eine einsam im wilden Gebirge liegende Hütte deutschen Fleisses und deutscher Industrie führt, weshalb wir einen kleinen Halt bei ihr machen wollen.

Es geht steil im kahlen Gebirge bergan. Der sogenannte Weg lässt gewiss sehr viel zu wünschen übrig. Obwohl gegen N gelegen, sind die unteren und vorderen Terrassen dieser Höhen fast kahl. Sie sind es aber nur in Folge von Waldvernichtung, denn der Buschwald gedeiht an manchen Abhängen noch ganz gut und alte verhackte Stämme findet man in ihm. Sehr bald verschwindet der lästige Paliurus, welcher die Basis des Gebirges vornehm lich besteht und sich stets guten, fetten Lehmboden sucht. Krüppelnde Ahorne (Ac. campestre, Loboelii und pseudoplatanus), sowie Lonicera, Evonymus und Ligustrum bilden. hoher das Laubholz, welches auch jetzt noch von tatarischen Nomaden unbarmherzig verhackt wird.

Die Höhe des vorderen Randes im Gebirge, welche als Juchara - Aiplinsk benannt ist und welche bei 4000 Fuss Meereshöhe das tief unten gegen N gelegene Kura-Bett um kaum 3000 F. überragen mag, wurde gegen Mittag erstrebt. Es war klar, und die dünne trockene Herbstluft gewährte dem Auge auf weite Distanz hin volle Freiheit. Das ganze gewaltige Panorama gegen N lag vor unseren erstaunten Blicken. Mehr als die Hälfte der Südseite des Grossen Kaukasus überblickt man von hier. Gegen NW hin strahlt der Kasbek mit stumpfer Eiskrone hoch dominirend aus der Firn- und Schneezone der Kammregion hervor. Ohne Mühe verfolgt das Auge den Verlauf der Ossetischen Alpen, und bei vortheilhafter Beleuchtung, wenn kein Wolkengebilde der Sonne den Weg verlegt und die Ostfronten das Licht voll auffangen, unterscheide ich im Suanischen Hochgebirge noch einzelne mir wohlbekannte Partien; ja es schimmert in fernster Ferne eine Masse weiss auf, die ich, wenn ich sie nicht dem Elbrus angehörend betrachte, der Ushba-Gruppe vindiciren muss. Und nun direct vor mir gegen Norden! Ich orientire mich rasch in den Chewsurischen Alpen, von denen der hohe Tebulos-mta, obwohl gegen N vortretend, nichtsdestoweniger immer als Centrum hier gilt, welchem sich die Gletscher der Kette des Tuschen

Landes anschliessen. Dann folgt östlicher der wilde zerrissene Dagestan, zuerst durch den isolirten Bogos-Stock gekennzeichnet. Überall liegt jetzt viel Schnee in diesen Höhen, und weiter und weiter östlich schauend überblicke ich noch die Höhen im Norden von Schemacha.

Vor diesem grossartigen Bilde zieht sich an der Südfronte der Kaukasischen Alpen die deutlich markirte Baumgrenze, meistens auf niedrigerer Vorkette liegend, vor welcher sich dann das Massiv jener mächtigen Gebirge lagert, die sich zunächst zwischen Alasan und Jora hinstrecken und alle stattliche Laubholzhochwaldung besitzen. Noch näher dem Auge entgegen treten nunmehr zwei vermittelnde, nackte, sonnenverbrannte Terrassen, deren vordere, zum Kura-Laufe steil abstürzend, hier von Tausenden paralleler Regenwasserrinnen zerschnitten und gefurcht erscheint und in dem sehr auffallenden Eldar-usch-Kegel immerhin noch die Höhe von 2000 F. über dem Meere erreicht. Nunmehr folgt, tief unter uns gelegen, das breite Kura-Thal in gelb und grau zur Winterzeit gemalt und gekennzeichnet durch hie und da aufblinkenden Wasserspiegel, dem entlang ein schmaler Waldrand folgt, dessen Gedeihen in heisser Gegend nur durch die beständige und unmittelbare Ausdünstung des Flusses zu erklären ist und wo die Zitter- und Schwarzpappel oft in Riesenform sich. zur Eiche gesellen, die alle jetzt ihr Laub noch tragen. Weiterhin vom Flusse, zumal dem rechten Ufer entlang, dehnt sich ebene Steppe. Ab und zu wird ihr hellgelbes Colorit durch schwärzliche Flecken unterbrochen. Diess sind die Gärten der menschlichen Ansiedelungen. Ohne Mühe kann zu dieser Jahreszeit, welche im Kaukasus die vortheilhafteste für die Anschauung grosser Gebirgspanoramen ist, das Auge die Strassen und Pfade weithin verfol gen. Hier im Westen bewegt sich eine Karawane, von mehr denn 100 Kameelen gebildet, langsam fort, dort im Osten bemerkt man in offener Steppe den Tummelplatz einer Antilopenhetze.

Von dem bis dahin eingenommenen Ruheplatze setzten wir nun die Reise auf etwas besseren Wegen fort. Auf etwa 5-6000 Fuss Meereshöhe muss man die nun folgende, hochgelegene Landschaft schätzen, die endlich im Atabeg-Passe ihren Abschluss gegen Süden findet, von welchem aus man, dorthin gewendet, ein ebenfalls grossartiges Gebirgspanorama überschauen kann. Jenes gegen Norden ist lange schon durch die passirten Höhen dem Auge verdeckt, und auf der erwähnten hochhügeligen Landschaft, wo das grosse Duchoboren-Dorf Slawjanka steht, vergisst man wenigstens für kurze Zeit, dass man im Kaukasus ist und wird durch russische Sitte und Lebensverhaltnisse angeheimelt. Der vorzügliche, schwere Boden liefert. den Duchoboren oft ausgezeichnete Getreideernten und die

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